Frauenkirche während der Papstwahl:Es ist ein Franz!

In der Münchner Frauenkirche sind alle überrascht vom neuen Papst. Hohe Geistliche und einfache Gläubige verfolgen die Wahl auf einem Fernseher in der Sakristei, der Kirchenchor macht Stimmübungen mit den Silben Fran-ces-co. Und ÖDP-Vorsitzender Sebastian Frankenberger hat auf dem Weg zum Stadion kehrtgemacht, um bei der Messe dabei zu sein.

Von Florian Fuchs und Katja Riedel

Frauenkirche während der Papstwahl: Die Frauenkirche in München

Die Frauenkirche in München

(Foto: Stephan Rumpf)

Die erste Reaktion ist Totenstille. Dabei läuft der Fernseher in voller Lautstärke. Aber die vor ihm schweigen, als der Name des neuen Papstes genannt wird: Jorge Bergoglio, nunmehr Franziskus. "Ja, was ist denn das jetzt?", ruft einer. Eine Antwort bekommt er nicht. Zu baff sind alle. "Ja, wer ist das jetzt?", fragt ein anderer.

Selbst hier, im geistlichen Zentrum der Erzdiözese, im Münchner Dom, ist es ein Fernseher, auf den alle angewiesen sind, um etwas zu erfahren, wer denn nun der neue Papst ist. In der Sakristei steht der Dompfarrer Wolfgang Huber, um Viertel nach sieben haben sich schon viele Ministranten zu ihm gesellt. Sie alle schauen fern, das Bayerische Fernsehen läuft. Und gespannt sind sie. "Ich habe auf keinen Fall damit gerechnet, dass es so schnell geht", sagt Huber. "Wir waren natürlich trotzdem vorbereitet." Sie warten darauf zu erfahren, wer ihr neuer Oberhirte wird. Dann wollen sie feiern - "voller Freude einen Gottesdienst", wie Huber sagt.

Doch noch ist in der Kirche selbst nahezu nichts los. Nur ein paar wenige Gläubige verlieren sich im Dom, während im Fernsehen der weiße Rauch schon abgezogen ist, der Name des neuen Papstes aber noch nicht bekannt. Draußen hetzen die Leute vorbei, viele auf dem Weg nach Hause. So wie die Münchnerin Margarete Schiedermeier mit ihrer Tochter. Im Museum waren sie an diesem Nachmittag, dann hörten sie das Läuten der Glocken. "Das hat uns angezogen", sagt die Frau. "Das ist natürlich sehr schön anzuhören." Bleiben wollen sie aber nicht. "Wir sind katholisch, aber jetzt auch nicht so fanatisch. Deshalb fahren wir nach Hause und erfahren dann dort, wer der Neue ist."

In der Sakristei hat mittlerweile einer einen Tablet-Computer aufgestellt, zusätzlich zum Fernseher - Ministranten, Chormitglieder, es werden ja immer mehr Leute hier. Und als der Name endlich da und auch verstanden ist, da sagt der Dompfarrer: "Ich bin sehr überrascht, es ist aber eine tolle Sache. Lateinamerika ist ein Kontinent, der für uns Katholiken eine große Rolle spielt." Den neuen Papst kennt Huber freilich nicht. "Ich bin ihm noch nicht begegnet, aber ich wünsche ihm alles Gute für das Pontifikat", sagt er. Dann geht er hinaus in die Frauenkirche, um denen, die nicht vor dem Fernseher stehen, die Nachricht zu verkünden. 30 Leute sitzen vor ihm, wohlwollend geschätzt. Draußen läuten wieder die Glocken, 15 Minuten lang.

Es ist Viertel nach acht. So spät offenbar, dass in München eine jahrhundertealte Tradition nicht gebrochen, aber zumindest sehr weit gedehnt wird. Ein paar hundert Meter weiter, im Alten Peter, ist die Figur des Apostels Petrus im Hochaltar noch immer ohne ihre Tiara, ihre dreifache Papstkrone. Die wird seit Urzeiten immer dann abgenommen, wenn ein Papst stirbt, in diesem Jahr auch nach dem Rücktritt von Benedikt XVI., und der Figur wieder aufgesetzt, sobald der neue sein Amt angetreten hat. Das hat Franziskus I. jetzt. Aber in St. Peter? Die Tür ist verschlossen, im Mesnerhaus gegenüber öffnet niemand.

Eine mittelalte Frau steht davor, sie hat davon gelesen, so erzählt sie, dass das etwas Besonderes sei, der Petrus ohne Krone. Das wollte sie sich jetzt ansehen, kommt ja nicht so oft vor, eine papstlose Zeit. Dass schon der neue gewählt ist, weiß sie noch gar nicht. Ein wenig enttäuscht macht sie kehrt, sie wird wieder ein paar Jahre warten müssen.

Frauenkirche während der Papstwahl: "Auf keinen Fall damit gerechnet, dass es so schnell geht": In der Sakristei des Münchner Doms schauen alle wie gebannt auf den Fernseher, um zu erfahren, wer der neue Papst ist.

"Auf keinen Fall damit gerechnet, dass es so schnell geht": In der Sakristei des Münchner Doms schauen alle wie gebannt auf den Fernseher, um zu erfahren, wer der neue Papst ist.

(Foto: Stephan Rumpf)

Zur selben Zeit probt der Chor von St. Andreas. Kurz vor Beginn ist die Nachricht vom weißen Rauch aus der Sixtinischen Kapelle gekommen. "Wir haben überlegt, die Probe abzusagen, aber wir haben einfach gesungen - sehr gespannt, wer da kommen mag", erzählt Uwe Karrer, der nicht nur Chorleiter, sondern auch Vorsitzender des Katholikenrats von München ist. Als Franziskus I. auf die Loggia des Petersdoms tritt, reagiert der Chor auf seine Weise: "Wir haben einfach Stimmübungen mit den Silben Fran-ces-co gemacht."

Im Dom haben sich inzwischen um die 50 Gläubige versammelt, Generalvikar Peter Beer feiert mit ihnen Gottesdienst. Und in seiner Predigt wird deutlich, wie sehr auch er überrascht ist: "Die Wahl ist ganz anders, als Wettbüros vorhergesagt haben, ganz anders, als auf der Straße gemunkelt und geredet wurde, ganz anders." Sie sei ein "geistiges Ereignis, das man einfach nicht vorhersehen kann". Und nun müssten alle Katholiken schauen, wie man Leben in die Kirche bringe, gemeinsam mit dem Papst.

In den Bänken vor ihm sitzt auch Irmgard Hingerle, die vor lauter Eile das Abendessen auf dem Tisch hat stehen lassen. Sie hat ihre Tochter hierher begleitet, die im Chor singt. "Der neue Papst hat einen ganz anderen Hintergrund und wird hoffentlich andere Schwerpunkte setzen", sagt Hingerle. "Ich finde das sehr positiv, weil er aus Lateinamerika ist." Das sagt auch Sebastian Frankenberger, der Bundesvorsitzende der ÖDP und bekannt als Aktivist des Rauchverbots-Volksbegehrens.

Er war schon auf dem Weg ins Stadion zum Bayern-Spiel, als die Nachricht von der Wahl kam. Er bog ab und fuhr zum Dom - zu wichtig ist ihm, dem früheren Ministranten, das Ereignis an diesem Abend. "Ich hoffe auf einen Aufbruch in der Kirche", sagt er.

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