Franz Xaver Bogner:"Der Grant ist doch nur ein Kunstprodukt"

Regisseur Franz Xaver Bogner über Stadt, Land, Rock und seine Beziehung zu München, das für ihn meist Ziel, nie Heimat war.

Interview: Karl Forster/Christian Mayer

Er hat den Sir Quickly erfunden für "Irgendwie und sowieso", den Polizisten Bartl für "München 7" und natürlich Andreas Kaiser als "Kaiser von Schexing". Franz Xaver Bogner, Jahrgang '49, ist ein Regisseur der bayerischen Seele. Er schätzt das landesübliche Idiom genauso wie die Freiheit, von außen auf Bayerns sogenannte Landeshauptstadt blicken zu dürfen: Bogner, geboren in Pliening, aufgewachsen in Erding und Marktschwaben, lebt heute in Neubiberg. Aus dieser Distanz ist sein Verhältnis zu München geprägt, ein Verhältnis, das nicht immer stressfrei war und ist.

Franz Xaver Bogner: "Weil die Häufung der Weiber größer war." Franz Xaver Bogner im Gespräch darüber, warum man aus Pliening, Erding, Markt Schwaben oder Neubiberg immer schon gerne nach München gefahren ist.

"Weil die Häufung der Weiber größer war." Franz Xaver Bogner im Gespräch darüber, warum man aus Pliening, Erding, Markt Schwaben oder Neubiberg immer schon gerne nach München gefahren ist.

(Foto: Foto: Stephan Rumpf)

SZ: Herr Bogner, Sie wohnen in Neubiberg, 50 Meter vor der gefühlten Demarkationslinien zu München. Wie schaut man von dort aus auf die große Stadt?

Bogner: Naja, des is da fließend. Die Gegend is ja eher von Zuazogne bewohnt. IBM, ITT und wias alle hoaßn.

SZ: Besonders schön ist es da ja nicht.

Bogner: Dadurch, dass sie die Häuser alle so nah aufananda baun, siagt ma ned, wia greißlig des is. Wobei i des wahnsinnig gern mog. Des Flache da draußn. Die Berg sind eher was für die, die auf des Zigeunerbarocke stehn. Da bin i in da falschen Gegend aufgwachsn. Markt Schwaben hat schon immer mehr Fabriken als Folklore ghabt. Mia san halt in d'Stadt gfahrn, weilst bei uns draußen die Schallplatten ned kriagt hast. Und weil die Häufung der Weiber größer war.

SZ: Was für Schallplatten?

Bogner: Alles durch. Da gabs das Discocenter in der Leopoldstraße. Und den Verkäufer, den Herrmann. A ganz a arroganter Zipfel. Später is der dann Chef-Discjockey von Bayern 3 worn. Da Jürgen Herrmann. Also: Eine idealere Position gibts ned: 15 Kilometer vor München. Du hast des totale Land ghabt, was weniger damit gefüllt war, dass man sich der Folklore hingegeben hat, als dass man wira a gsengte Sau Autogfahrn is. SZ: Wer 24 wird, hat überlebt. Bogner: Genau. Aus meiner Schulzeit san scho viele betoniert. SZ: Sind Sie dann auch in die Stadt gefahren zum Tanzen und so?

Bogner: Ja, klar. I bin ja vollkommen fanatisch auf die Musik abgfahrn.

SZ: Beatles oder Stones? Bogner: Beatles.

SZ: Wir werden das Gespräch trotzdem fortsetzen.

Bogner: Guad. Da san ma imma neigfahrn. Des war in die sechzger Jahr, des derf ma ned vergessen. 68 wars ja musikalisch dann eh vorbei. Also, da gabs des Big Apple und des PN. Des war im Grunde genommen eine Klimmzug-Nummer. Denn mir war so um die 14, und wenn um zehne die Polizei kumma is, san mir aufs Klo ganga und hamm uns auf die eisernen Spülkästen naufzogn, damits uns ned seng. Es war ja auch Hendrix mal da. Da war ich aber nicht drin.

SZ: Ich schon.

Bogner: Super. Dann Ten Years After, ganz früher die Kinks. Dann gabs da noch einen Tempel unten am Hohenzollernplatz. Wie hat er denn geheißen?

SZ: Das Blow Up? Das war aber am Elisabethplatz.

Bogner: Genau. Das Blow Up. Die Eröffnungsveranstaltung war mit Sammy Davis Jr.! Hab ich gesehen. Ich habe auch Louis Armstrong gesehen. SZ: Ich auch, 1964 im Circus Krone.

Bogner: Genau. Und ich war hinter dem Schlagzeuger gesessen.

SZ: War das nicht ein Chinese?

"Der Grant ist doch nur ein Kunstprodukt"

Bogner: Paulito hat er geheißen. Hervorragend! sage ich nur. Ich saß so schräg dahinter und habe seitlich auf die Bühne hinaufgeschaut.

SZ: Wir waren wohl Nachbarn. Der Drummer hat übrigens Danny Barcelona geheißen. Und kam aus Hawaii.

Bogner: Das war genial. Wie auf einmal der Alte von hinten rausgekommen ist. Das schönste Konzert meines Lebens. Also, wenn ich das heut so anschau: Ich hätte meine Jugend in keiner anderen Stadt verbringen wollen.

SZ: Sie haben ja Amerikanistik studiert. Kam das von den Amis, die ja auch München mit ihrer Musik geprägt haben, zum Beispiel im Cadillac.

Bogner: Und im Birdland in Haidhausen. Sehr schwarz. Wennst da neiganga bist, hast lange braucht, bist gemerkt hast, dass da ned a paar Uniformen an der Wand hängen, sondern Leut drin sind. Ray Charles war da angesagt.

SZ: Als Sie damals in die Stadt gefahren sind , wie sagte man draußen bei Ihnen, Minga oder München?

Bogner: Minga. Aufm Land sagt ma Minga.

SZ: Sagt man "nach Minga aufi, eini oder umi"?

Bogner: Eini. Aber "nach Erding nunta". Mei Frau is vom Bodensee. Die verzweifelt da regelmäßig. Weil sie ned kapiert, wia ma nach Hamburg nauffahrn kann. Weil, da gehts für sie nunter.

SZ: Wenn Sie "Minga" sagen, hat das sowas Heimeliges. Die Münchner selber sprechen ja fast keinen Dialekt mehr.

Bogner: 20 Prozent, oder? Meinen Kindern hammses im Kindergarten austriebn. Mei Bua is jetzt mit 17 völlig fanatisch zur Feuerwehr ganga, und jetzt lernt er Bairisch. Da san natürlich alle Handwerker und so drin, die no Bairisch redn, und da muassas jetz lerna.

SZ: Die Feuerwehr als bayerische Kulturschmiede. Der Monaco Franze hat ja die Herkunft der Frauen am Dialekt erkannt. Die ist aus Pasing, die aus Neuhausen. Gibt es das heute noch, dass man Menschen per Dialekt verorten kann?

Bogner: Aufm Land scho, in der Stadt nicht mehr. Zum Beispiel Dorfen: In Dorfen sagen alle "Eufe" für elf. Und a paar Millimeter weg davon sagen alle "Eife". SZ: Mit der "Muich" und der "Mille" ist es ja genauso. Man kann also sagen: Der Franz Xaver Bogner konserviert in seinen Filmen die bayerische Sprache, die Muttersprache. Bogner: Es is schon pervers, dass es im Film echter ist als in echt.

SZ: Zurück zu München: Es ist ja eine Stadt voller Klischees, von Laptop + Lederhosen bis zur Gemütlichkeit.

Bogner: Mir gengan die Leid auf die Nerven, die versuchen, Bairisch zum reden, obwohl sie's ned können. Sowas duad ma einfach ned, des is unhöflich. Und dann die, die andauern in der Tracht umanadarumpeln, in der sie nix verloren haben.

SZ: Ihre Figuren sind ja oft nicht so, wie das Klischee es befiehlt. Ihnen fehlt beispielsweise der Grant, bei denen ist es eher eine Art Verschrobenheit.

Bogner: Das ist ein Kompliment! Den Grant, den können von mir aus Taxifahrer ham. I glaub ja, dass der Grant eher ein Kunstprodukt ist, an dem man sich aufhängt. So wia die Gschicht vom Bayern, den ma fragt, ob er woaß, wos Hofbräuhaus is. Und er sagt: "Ja, i scho."

SZ: Was würden Sie einem Fremden von München unbedingt zeigen? Bogner: Den Ostbahnhof. Da war früher der Orleansplatz. Ich glaub nicht, dass es vielen Städten gelungen ist, einen Platz in ähnlicher Perfektion so zu vernichten. Zum Essen nehm ich ihn vielleicht ins Weisse Bräuhaus mit. Das ist nicht schlecht. Oder gaudihalber zum Alfons Schuhbeck. Der is einfach guad.

SZ: Ihre Serien sind ja vor allem bei den Münchnern Kult. Woran liegt das?

Bogner: Vielleicht daran, dass man München bei mir wiederkennt. SZ: Wenn Sie, neben München, eine Lieblingstadt...

Bogner: Dublin.

SZ: ...nennen müssten. Dublin?

Bogner: Wegen des Barocken dort. Ich kann mir wunderbar vorstellen, dass man dort leben kann. In Dublin streiten sie jetzt seit 70 Jahren, wann sie ihre 2000-Jahr-Feier begehen. Das hat was.

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