Zweite Stammstrecke:Das tote Gleis

Das Geld fehlt - dies ist die einzige Klarheit in der Causa "Zweite Stammstrecke". Der Bund kann seinen Anteil an dem Milliardenprojekt offenbar nicht aufbringen. Wie geht es jetzt weiter mit dem völlig überlasteten S-Bahn-Netz? Und was ist aus dem geplanten Airport-Express geworden?

Marco Völklein

Es fehlt am Geld - so einfach ist die Sachlage. Auch bei ihrem etwa einstündigen Spitzengespräch am Mittwochabend in der Staatskanzlei konnten Ministerpräsident Horst Seehofer, Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (beide CSU) und Bayerns Verkehrsminister Martin Zeil (FDP) die Frage einer Finanzierung für den Bau der zweiten S-Bahn-Stammstrecke nicht beantworten.

Zweite Stammstrecke: Für viele erscheint das Schienennetz der Bahn verworren - ähnlich stellt sich die Lage beim zweiten Tunnel dar.

Für viele erscheint das Schienennetz der Bahn verworren - ähnlich stellt sich die Lage beim zweiten Tunnel dar.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Ramsauer sieht offenbar keine Möglichkeit, den Bundesanteil von etwa einer Milliarde Euro an dem 2,2-Milliarden-Euro-Projekt aufzubringen. Das Gezerre um den Tunnel geht also ins nächste Jahr.

Wieso fehlt das Geld?

Ramsauers Etat ist chronisch unterfinanziert. Aus sämtlichen Bundesländern melden die Politiker Wünsche an - alle kann er nicht bedienen. Das Geld für die zweite Stammstrecke soll aus einem Topf kommen, der "Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz" heißt, kurz GVFG. In dem stehen bis zum Jahr 2019 nur für die westlichen Bundesländer 2,5 Milliarden Euro zur Verfügung (und 2019 läuft das Programm aus). Etwas weniger als die Hälfte des Geldes soll also in ein einziges Münchner Projekt fließen. Würde Ramsauer dies genehmigen, würde es in anderen Regionen einen Aufschrei geben.

Wie geht es jetzt weiter?

Wie geht es jetzt weiter?

Weil Ramsauer in Finanznot ist, kamen CSU und FDP auf eine andere Idee: Freistaat und die Stadt München könnten dem Bund jeweils 350 Millionen Euro in Form eines Kredits vorstrecken. Die CSU im Rathaus regte an, auch die Landkreise des MVV könnten sich daran beteiligen. Doch Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) wie auch die Landräte lehnen die Idee ab.

Ihre Argumente: Erstens ist für die S-Bahn der Freistaat zuständig. Und zweitens müssen die Kommunen mit neuen Schulen und Kindertageseinrichtungen schon genug Geld investieren, um die Folgen des Wachstums der Region zu schultern.

Dennoch wollen Stadt und Freistaat nun auf "Fachebene" die noch offenen Fragen klären lassen - um dann letztlich politisch zu entscheiden.

Wie stehen die Chancen?

Was sollen die Fachleute klären?

Unter anderem, zu welchen Zinskonditionen die Stadt das 350-Millionen-Euro-Darlehen vergeben könnte, welche Sicherheiten hinterlegt werden, wann die Stadt das Geld zurückerhält - und ob eine Vorfinanzierung der Kommune rechtlich überhaupt gestattet ist. Unklar ist auch, ob als Kreditnehmer der Bund, der Freistaat oder die Bahn in Frage kommt.

Wie stehen die Chancen?

Das ist offen. Sowohl die drei Herren aus der Staatskanzlei wie auch OB Ude betonen immer wieder, dass sie den zweiten Tunnel für absolut notwendig halten, um den Schienennahverkehr in der Region auch künftig am Laufen zu halten. Möglich also, dass sich Freistaat und Stadt doch noch auf eine Vorfinanzierung einigen.

Möglich aber auch, dass nicht: Denn im Herbst 2013 will Ude Seehofer als Ministerpräsident ablösen - und beide Lager hatten zuletzt die stockenden Planungen immer wieder zum Sticheln gegen den jeweiligen Gegner genutzt.

Was wird aus dem Airport-Express?

Sind andere Verbesserungen möglich?

Stammstrecken-Gegner wie Martin Runge, Grünen-Fraktionschef im Landtag, fordern, "die zweite Röhre endlich zu beerdigen" - und so den Weg frei zu machen für kleinere Verbesserungen. Etwa einen Teilausbau des Bahn-Südrings, den Bau der "Sendlinger Spange", die im Störungsfall die Umleitung von S-Bahnen zum Ostbahnhof ermöglicht, sowie einen Haltepunkt an der Poccistraße.

Wie steht es mit einem Airport-Express?

Auch der ist umstritten. Der Landtag hatte auf Initiative der CSU das Verkehrsministerium beauftragt, die Beamten sollten prüfen, ob im bestehenden Schienennetz der S 8 durch kleine Eingriffe die Einführung einer Flughafen-Expressbahn möglich ist. Das Ergebnis: Für einen "Express light" müsste das Land 82 Millionen Euro investieren, um zusätzliche Gleise und Weichen einzubauen.

Ein Vollausbau würde 239 Millionen Euro kosten - zudem müsse die zweite Stammstrecke her, anders lasse sich der zusätzliche Verkehr nicht abwickeln. Der Landtagsabgeordnete Markus Blume (CSU) kritisiert, die Gutachter hätten "gerade nicht geprüft, was auf der bestehenden Infrastruktur möglich ist". Und Runge merkte an, vor Jahren hätten Gutachten aus dem Hause Zeil noch das Gegenteil gezeigt: Dass ein Express auch ohne zweiten Tunnel sehr wohl möglich sei.

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