Ausstellung:Da lachen ja die Brezen

Ausstellung: Foto: Catherina Hess

Foto: Catherina Hess

Die Münchner essen ihr Lieblings-Laugengebäck zur Weißwurst und zum Obazdn, aber viel zu selten betrachten sie es eingehend. Dabei lohnt sich das, wie die Ausstellung "Gesalzen und verdreht" zeigt.

Von Andreas Schubert

Da hängen sie also und glotzen einen an. Die einen schauen so, als hätten sie furchtbare Schmerzen erlitten, die anderen, als ob sie über dieses Unglück hämisch grinsen würden. Manche erinnern an einen Greis mit Doppelkinn, manche sind dick und dunkel, andere dünn und blass. Wer bisher noch nicht wusste, dass Brezen ein Gesicht haben und dabei keines dem anderen gleicht, kann sich dessen seit Donnerstag in der Galerie Kunstbehandlung in der Müllerstraße 40 vergewissern. Dort stellt die Münchner Grafikdesignerin Ulrike Wenzel 45 Brezen-Porträts aus, gemalt in Öl auf Leinwand.

Brezen-Porträts? Warum eigentlich nicht? Immerhin sind Brezen für den Bayern ein Kulturgut und Grundnahrungsmittel. Wie groß war der Aufschrei, als die Bäcker vor der Wiesn 2014 mit einem Brezenstreik drohten. Wie entsetzt war die Öffentlichkeit, als die Verbraucherzentrale nur wenige Monate später zu hohe Aluminiumrückstände in Brezenproben feststellte: Die Breze wurde zum Politikum und die Telefonleitungen mancher Bäckereien liefen heiß, weil verunsicherte Kunden wissen wollten, ob auch ihre Brezen kontaminiert sind.

Bayerische Kleinkinder geben erst Ruhe, wenn sie Brezen bekommen

Schon klar, auch in andern Bundesländern werden gerne Brezen gegessen. Aber ganz gleich, ob eine Breze nun mit Öl, Butter oder Schmalz gebacken ist (jeder Bäcker hält es hier anders): In Bayern geben schon kleine Kinder erst Ruhe, wenn sie den ganzen Tag mit der Breze in der Hand die Wohnung vollgekrümelt haben und ihre weichgekauten Brezenstücke in Sofaritzen oder in Mamas Handtasche versteckt haben. Dass Kinder so verrückt nach Brezen sind, liegt nicht etwa daran, dass sie auf Salziges stehen, sondern eher an der Handlichkeit des Backwerks.

Wer beim Biergarten- oder Wirtshausbesuch Obazdn und Weißwürste mit Baguette oder gar Vollkornbrot verspeist, weil ihm eine "Pretzel" zu salzig wäre, wird zuweilen als Preiß verhöhnt (vor allem, wenn er statt Bier eine Mass Rhabarberschorle trinkt). Und nicht zuletzt passt die Breze so wunderbar in das christliche Bayern, weil sie angeblich die verschränkten Arme eines betenden Mönchs symbolisiert - der Name Breze kommt vom lateinischen Wort "brachium" für Arm.

Gemalt wird nach echten Vorlagen - trotz irritierter Bäckerblicke

Ob es nun Breze heißt, Brezel, Brezn oder - in Gottes Namen - Pretzel: Eigentlich war es höchste Zeit, dass sich eine Künstlerin so intensiv mit der Breze auseinandersetzt, wie es Ulrike Wenzel tut. Vor sieben Jahren hat die Münchnerin das erste Brezenporträt gemalt. Es war ein Geburtstagsgeschenk für ihren Mann. Dann wurden es mehr und mehr Porträts - und 2014 stellte sie ihre Werke erstmals in Dachau aus. Die Brezenschau war ein Erfolg, und die fotorealistisch gemalten Bilder gingen - auch wenn das jetzt komisch klingt - weg wie warme Semmeln.

Das Erstaunliche an den 13 mal 18 Zentimeter kleinen Bildern ist, dass man sich eine Breze niemals so vorstellen würde, wie sie Ulrike Wenzel malt. Doch die Bilder sind nach echten Vorlagen entstanden, die sie ganz normal beim Bäcker gekauft hat. In der Ausstellung wird auch verraten, woher die Modelle stammten und wann Wenzel sie gefunden hat. Sie sei manchmal schon komisch angeschaut worden, wenn sie eine ganz bestimmte Breze in einer Bäckerei verlangt habe, sagt sie. Manchmal habe sie sich aber auch einfach überraschen lassen.

Ausstellung: Ulrike Wenzel, 57, hat einem Jesuskind eine Breze in die Hand gemalt. "Ich fand, in diese Hand gehört unbedingt etwas hinein", sagt die Künstlerin.

Ulrike Wenzel, 57, hat einem Jesuskind eine Breze in die Hand gemalt. "Ich fand, in diese Hand gehört unbedingt etwas hinein", sagt die Künstlerin.

(Foto: Catherina Hess)

Die Bilder entstehen binnen eines Tages, damit das Gebäck frisch ist

Der Witz der Ausstellung, die den sinnigen Namen "Gesalzen und verdreht" trägt, liegt natürlich darin, dass viele der Motive wirklich missratene Brezen zeigen, die dem jeweiligen Bäcker nicht gerade Ruhm bescheren. Dass so viele verschiedene Porträts neben- und übereinander hängen, verstärkt diese Komik noch. Und Wenzel, die unter anderem auch schon auf Ausstellungen mit Karikaturen oder Postkartenmotiven vertreten war, meint, das sei durchaus beabsichtigt.

Erst in der Menge wirkten die Bilder richtig, sagt sie. So habe ein Käufer bei der vergangenen Ausstellung eben gleich mehrere erworben, und das bei einem gesalzenen Preis von damals 290 Euro. Aktuell liegt der Brezenbilderpreis bei sogar 300 Euro. Wie es halt so ist in der Kunst, ist wohl nicht auszuschließen, dass er bei hoher Nachfrage noch weiter steigt. Bis zum 22. Februar ist die Ausstellung in der Kunstbehandlung zu sehen. Geöffnet ist sie montags, dienstags, donnerstags und freitags von 12 bis 14 Uhr und von 16 bis 19 Uhr, samstags von 11 bis 19 Uhr sowie nach Aushang und Vereinbarung.

Alle Brezenbilder entstünden übrigens binnen eines Tages, sodass die Modelle noch relativ frisch verspeist werden konnten, versichert Wenzel. Ob sie überhaupt noch welche sehen kann? "Das ist so ein Münchner Grundnahrungsmittel, die Frage stellt sich nicht wirklich."

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