Forstenried:Rückrufaktion

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Nachdem der Bezirksausschuss zunächst das Sanierungskonzept eines Investors für den Derzbachhof gebilligt hatte, rudert eine Mehrheit im Gremium zurück: Die Politiker und auch Bürger fordern, das Anwesen öffentlich zu nutzen

Von Jürgen Wolfram, Forstenried

Getrieben von neuerlichen Zweifeln, ob es eine gute Idee ist, die Sanierung des denkmalgeschützten Derzbachhofs und die Umgestaltung des umgebenden Areals einem privaten Investor zu überlassen, ruft der Bezirksausschuss (BA) Thalkirchen-Obersendling-Forstenried-Fürstenried-Solln die Stadt zu Hilfe. Gemäß einem mehrheitlich befürworteten, gemeinsamen Antrag der Fraktionen von CSU und SPD wird das Planungsreferat "mit Nachdruck" aufgefordert, das geschichtsträchtige Anwesen an der Forstenrieder Allee 180 "als Einzeldenkmal zu erhalten und das Dorfkernensemble Forstenried in seiner Gesamtheit nicht zu gefährden".

Die Substanz des Derzbachhof ist stark angegriffen: der denkmalgeschütze Bauernhof muss während der Umgestaltung mit größter Vorsicht behandelt werden. (Foto: Catherina Hess)

Von der Stadt erwartet der BA "konkrete Lösungsvorschläge", wie das Derzbachhof-Areal langfristig gesichert und "der Öffentlichkeit zugänglich gemacht" werden könne. Explizit zu prüfen sei in diesem Zusammenhang, ob dieses Ziel durch Grundstückskauf, Grundstückstausch oder andere Maßnahmen zu erreichen sei. Ein von knapp 200 Bewohnern des Stadtviertels unterschriebener Bürgerantrag, der in die gleiche Richtung weist, soll zusammen mit dem BA-Gesuch eingereicht werden. Ferner fordern die Lokalpolitiker, die Untere Denkmalschutzbehörde der Stadt "aktiv in alle Entscheidungen einzubinden".

Die Eigentümerin des Derzbachhofs, die Firma Euroboden, hat wiederholt betont, sie entwickle ihr Konzept für das historisch bedeutsame Anwesen ohnehin in enger Abstimmung mit den Fachbehörden. Doch auf diese Zusage allein will sich der BA nun nicht mehr verlassen.

Ausgelöst worden ist die neue Nachdenklichkeit vieler Lokalpolitiker sowohl durch die anhaltende, von kritischen Stimmen dominierte öffentliche Debatte über die Zukunft des Derzbachhofs und des Forstenrieder Dorfkernensembles, als auch von Bedenken etwa des Bayerischen Landesvereins für Heimatpflege. Dieser befürchtet "eine massive Störung des Ensembles", sollten die Pläne von Euroboden unmodifiziert zum Tragen kommen. Auch die Mehrheit im BA habe inzwischen "Bauchweh bei der Frage, ob das alles funktioniert", sagte Ludwig Weidinger (CSU), Vorsitzender des Stadtteilgremiums. Auf der Basis "neuer Erkenntnisse" empfahl er eine intensive Prüfung des Euroboden-Konzepts, das unter anderem den Einbau einer Wohnung in die Tenne des Derzbachhofs vorsieht. Weil sich das Vorhaben im Stadium einer Bauvoranfrage befinde, über die noch nicht entschieden wurde, sei gerade noch Zeit.

Ein Hauch von Zukunft: das Konzept von Architekt Peter Haimerl sieht etwa scheunenartige Anbauten vor. (Foto: Peter Haimerl Architektur)

Für Hannelore Prechtel (SPD), BA-Mitglied und Vorsitzende des Vereins der Freunde des Ortskerns Forstenried, ist klar, dass "ein massiver Eingriff" ins Ensemble drohe, sollten die Euroboden-Pläne Wirklichkeit werden. Darauf müsse man die Stadt dringend aufmerksam machen und gemeinsam überlegen, ob sich nicht bessere Lösungen anbieten. Diese dürften am Ende jedoch nicht auf eine finanzielle Rettungsaktion der Stadt hinauslaufen, forderte SPD-Fraktionssprecherin Dorle Baumann. "Eigentum verpflichtet, also soll der Eigentümer für einen angemessenen Erhalt des Derzbachhofs geradestehen", sagte sie.

Die weitreichendste Forderung in dieser Sache stammt von Forstenrieder Anwohnern um Vera Grundler, einer Nachbarin des Anwesens. Sie beantragen einen Grundstückstausch, damit die Stadt in den Besitz des Derzbachhofs gelangt, um diesen vor gravierenden Um-, Ein- und Neubauten zu schützen und eventuell als Heimatmuseum mit Handwerkerhof zu nutzen. Im Gegenzug soll Euroboden das sogenannte Durchstich-Grundstück zwischen Pfarrheim und Fahrradladen erhalten. Aus Sicht Grundlers und ihrer Unterstützer nimmt Euroboden bei der Planung zu wenig Rücksicht auf das historische Dorfkernensemble und die damit verbundenen Maßgaben des Landesdenkmalrats. Die aktuelle Entwicklung sei deshalb "hoch problematisch". Als Affront gegen Euroboden will Grundler ihre Initiative dennoch nicht verstanden wissen. Es gehe darum, "gemeinschaftlich eine Lösung zu finden".

Bei den kleineren BA-Fraktionen von FDP und Grünen bewirkte der frisch erwachte Derzbachhof-Alarmismus von SPD und CSU vornehmlich Skepsis. Henriette Holtz (Grüne) vermochte nicht einzusehen, warum das Gremium seine erst kürzlich signalisierte grundsätzliche Zustimmung zum Euroboden-Konzept plötzlich widerrufen sollte. Auch Alexander Aichwalder (Grüne) wunderte sich: "Es ist doch seit Jahren klar, dass die Derzbachhof-Sanierung auf einen Deal hinausläuft, bei dem auch der Privatbesitzer auf seine Kosten kommt." Wer jetzt nach dem Beistand des Planungsreferats rufe, entbinde diesen Eigentümer nur von Pflichten, die er übernommen habe; am Ende zahle womöglich die Stadt noch drauf. Richard Ladewig (FDP) fand es fragwürdig, wie der BA Geschäfte mit Grundstücken vorschlage, ohne dass diese ihm gehörten. Im Übrigen vertraut er auf die Gewissenhaftigkeit des Planungsreferats: "Was wollen wir denn, die Verwaltung befasst sich doch mit dem Derzbachhof, die Bauvoranfrage ist noch gar nicht verbeschieden."

© SZ vom 13.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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