Formel für den Wohnungsmarkt in München:Wachstum + Gier = Erstickungsgefahr

Hanitzsch-Karikatur für MRB-Forum 2.10.2017: Der Münchner Immobilienmarkt - ein einziges Haifischbecken
01-10-2017, SZ-Zeichnung: Dieter Hanitzsch

SZ-Zeichnung: Dieter Hanitzsch

SZ-Leser empören sich über Wahnsinnspreise und fordern die Stadt auf, weniger auszuweisen und nicht jeden Investorenwunsch zu erfüllen

"Dem Großraum geht der Baugrund aus" vom 27. September, "Teuer, teurer, Paulaner" vom 23./24. September:

Gegensteuern und umdirigieren

Die Erkenntnis, dass in München und Umgebung Wohnungen fehlen, war immer absehbar, da in München in den letzten 20 Jahren immer zu wenig Wohnungen gebaut worden sind. Von den Umlandgemeinden braucht sich München nicht viel Hoffnungen zu machen, da sie erst ihre Eigeninteressen geltend machen. Nicht einmal der MVV-Ringschluss im Gemeindebereich ist bisher erreicht worden. Die Lösung für München heißt: Die Stadt muss höher und dichter bauen, denn Metropolen sind nun mal hoch und dicht. Das Bauplanungsrecht lässt dieses auch zu, das heißt dann "Urbanes Gebiet". Das ist seit diesem Jahr in der Baunutzungsverordnung eingeführt. Und noch ein Vorschlag zur Lösung des Problems: München sollte den Städten Augsburg, Ingolstadt und Rosenheim eine privilegierte Partnerschaft anbieten. Alle drei Städte sind mit dem ICE in einer halben Stunde erreichbar. Mit intelligenten Infrastrukturprojekten, gefördert durch Bund, Land und Stadt, sollte es möglich sein, den Bevölkerungsdruck von München weg zu den Partnerstädten zu leiten. Alle vier Städte würden profitieren, und die Umlandgemeinden werden staunende Zuschauer sein. Wolfgang Voigt, München

Wahnsinnspreise

Wenn man die Preise der Wohnungen (auf dem ehemaligen Paulaner-Gelände; d. Red.) liest, fragt man sich, ob in zehn Jahren überhaupt noch ein Münchner in der Au leben kann. Diese Preise sind alles, nur nicht sozial. Die Bayerische Hausbau soll doch nur noch in Bogenhausen oder Grünwald bauen, da weiß man ja, dass die Preise für normal sterbliche Bürger nicht bezahlbar sind. Aber in der Au? Ein altes Arbeiterviertel? Muss denn mit Gewalt das alte München kaputt gemacht werden? Warum sagt da die Stadtspitze mit Bürgermeister, Stadtrat und diversen Wohnungsstellen nicht: Halt, so gehts nicht mehr weiter!

Wenn wenigstens die Wohnungen dann exklusiv ausgestattet wären. Unter Exklusivität versteht die Hausbau nur um zehn Zentimeter höhere Türen und Bäder mit Granitverkleidung. Ich bin neugierig wie lange das noch weiter geht. Irgendwann gibt es München sowieso nicht mehr. Armes München. Johannes Krieg, München

Komplette Fehlentwicklung

Die Stadtspitze kann mit ihrer jahrzehntelangen, verantwortungslosen Wachstumspolitik nicht weitermachen. Nach wie vor wird Büro- und Gewerberaum in Mengen ausgewiesen und gebaut, wobei ich nicht das größtenteils erfolgreich aus der Innenstadt vertriebene Handwerk und Kleingewerbe meine. Im Immobilienteil der SZ darf über fehlenden Büroraum gejammert werden, und die Stadtspitze meldet sich gerne, wenn es um die Ansiedlung prestigeträchtiger Unternehmen oder Institutionen geht. Wenn nicht bald gegengesteuert wird, erstickt die Region München an ihrem Erfolg und wird für Menschen, die mit einem normalen Gehalt oder Rente auskommen müssen, unbewohnbar, ganz zu schweigen von der sicherlich vorher zusammengebrochenen Infrastruktur. Wo bleibt ein bisschen Negativwerbung für München, wo bleibt der runde Tisch mit Vertretern der Wirtschaft und weniger gesegneter Regionen, an dem überlegt wird, wie man wenigstens einen Teil des Wachstums in solche Regionen umleiten kann? Andreas Renner, München

Allzu willige Bauverwaltung

Es wäre wünschenswert, wenn nicht nur die Obere Grasstraße in Giesing für den Charakter Münchens relevant wäre, sondern auch andere gut erhaltene Siedlungsstrukturen in München die gleiche Aufmerksamkeit erfahren. In der Regel existieren für große Teile Münchens keine verbindlichen planerischen Vorgaben, die eine geregelte Entwicklung festschreiben. Daher wird hier häufig die Zulässigkeit von neuen Vorhaben gemäß Paragraf 34 Baugesetzbuch beurteilt, und zwar, ob sich diese nach Art und Maß der baulichen Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen, und vor allem, ob entsprechende Bezugsfälle für abweichende Objekte bereits vorhanden sind. Das Problem dabei ist, dass mit diesem Vorgehen in vielen traditionellen Gebieten Münchens der Bauantrag nach Bezugsfällen beurteilt wird - und jede neue Genehmigung eines Negativbeispiels als Bezugsfall weitere Negativbeispiele nach sich zieht und so zum Vervielfältiger für eine schleichende Gebietszerstörung wird. Die Messlatte bei der Genehmigung durch die Lokalbaukommission ist wegen der Gefahr rechtlicher Auseinandersetzungen bisweilen niedrig.

Leider sieht die Stadt hier geringe Veranlassung, verstärkt zum Instrument der städtebaulichen Erhaltungssatzung zu greifen und damit den Charakter Münchens in intakten Gebieten zu erhalten. Nochmals als Resümee: Es wäre sehr wünschenswert und eigentlich dringend erforderlich, wenn neben dem Engagement für Denkmalobjekte auch die flächendeckende Banalisierung gut erhaltener Stadtbereiche in den Fokus gerückt würde. Besonders dort, wo kein Denkmal - oder Ensembleschutz besteht, sollte Einhalt geboten werden dem Verlust von bewahrenswertem Alten, der Gentrifizierung und Rendite um jeden Preis. Hier gilt es, früh vorzubeugen. Dr. Peter Burianek, München

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