Folgen des Startbahn-Aus:Zwei Gegner, in der Niederlage vereint

Was bedeutet das Nein der Münchner zum Flughafenausbau? Es bringt nicht nur die Start- und Landepläne am Airport durcheinander, sondern auch die geplante Koalitionsarithmetik von Flughafenfreund Christian Ude. Einziger Trost für ihn: Seinem CSU-Konkurrenten Horst Seehofer dürfte es kaum besser ergehen.

Frank Müller

Viel zu wenig unterscheidbar seien die Parteien, heißt es oft, und dass sie häufig zu ähnliche Positionen vertreten. Beim Thema Flughafen-Startbahn war bei Bayerns Politikern das Gegenteil der Fall. Das ging so weit, dass das komplette Meinungsspektrum zum Airport-Ausbau in eine einzige Partei hineinpasste.

Grafik Bürgerentscheid

München sagt Nein zur dritten Startbahn: So hat die Stadt abgestimmt.

(Foto: SZ-Grafik)

Die SPD war so zerrissen, dass sie für und gegen die Startbahn gleichzeitig war, mit skurrilen Begleiterscheinungen. So erpresste Spitzenkandidat und Flughafenfreund Christian Ude die eigene Partei ganz offen, sie müsse sich von ihrer bisherigen Beschlusslage distanzieren. Die sah eine auf einem Parteitag festgezurrte Ablehnung des Flughafenausbaus vor, was Ude nicht mittragen wollte.

Am Ende kapitulierte die Partei, die ihren frisch gewonnenen Spitzenmann Ude nicht verlieren wollte, und beschloss ein Kuriosum: Über den Flughafenausbau sollte in diesem Sommer noch einmal ein Parteitag befinden. Also erst nach dem Entscheid der Münchner Bürger von diesem Sonntag.

Nun sieht es so aus, als ob die Sozialdemokraten diesen Termin wieder stornieren könnten. Das Nein der Münchner zur Startbahn bringt Ude auf die Verliererseite und verleiht dem links-ökologischen Flügel der SPD Auftrieb. Und es bringt auch Udes geplante Koalitionsarithmetik kräftig durcheinander.

Von einem Dreierbündnis mit den Grünen und den Freien Wählern träumt Ude für den Fall eines Erfolgs bei der Landtagswahl im Herbst 2013 - unter glasklarer Führung der SPD. Jetzt bringen die beiden flughafenkritischen Juniorpartner Ude schon 15 Monate vor der Wahl die erste krachende Niederlage bei. Das hatten sich die SPD-Strategen anders vorgestellt.

Showdown der beiden Alphapolitiker

Einziger Trost für Ude dürfte nach diesem Sonntagabend sein, dass es seinem CSU-Konkurrenten Horst Seehofer kaum besser ergeht. Die CSU hatte sich, so wie auch ihr Landtags-Koalitionspartner FDP, klar für die dritte Startbahn positioniert, dabei allerdings beträchtliche Verwerfungen in der Flughafenregion in Kauf nehmen müssen. Dort traten Parteimitglieder reihenweise aus der CSU aus.

Bis zuletzt hatten Seehofer und sein FDP-Vize Martin Zeil angekündigt, ein Nein der Münchner müsse nicht das Ende der Ausbaupläne für den Flughafen sein. Angesichts des überraschend deutlichen Votums in der Landeshauptstadt spricht nun allerdings viel dafür, dass sie sich das noch einmal überlegen.

Denn die Abstimmung über den Flughafen bringt viel mehr durcheinander als nur die Start- und Landepläne am Airport im Münchner Norden. Auch wenn es lediglich ein regionales Votum ist, bei dem nur ein Bruchteil der bayerischen Wählerschaft mitwirken durfte - das Fazit konterkariert komplett den Trend, den der früh gestartete bayerische Landtagswahlkampf aufzuzeigen schien. Von einem Showdown der beiden Alphapolitiker Seehofer und Ude war viel die Rede, von einer Zuspitzung auf das Spitzenpersonal und schwindender Bedeutung der Inhalte. Von immer weniger Unterscheidbarkeit in der Sache also.

Triumph für die Grünen

Nun werden die Wahlkampfkarten noch einmal neu gemischt. Vor allem für die Grünen markiert der Wahlabend einen Triumph. Sie hatten seit Monaten zähneknirschend zusehen müssen, wie die Ude-SPD auftrumpfte und sie selbst in den Umfragen nach unten abrutschten. Unverdrossen weiter Sacharbeit betreiben, dieses Motto gab Landeschef Dieter Janecek als Rezept gegen diesen Trend aus. Das Ergebnis vom Sonntag gibt ihm recht und auch den Freien Wählern von Hubert Aiwanger.

Für Ude und Seehofer markiert das Veto der Münchner einen klassischen Fehlstart im Wahlkampf, auch weil sich das Votum nicht an klassischen Parteivorlieben festmachen lässt. Die Münchner wollten nicht Ude und nicht Seehofer, sondern das Gegenteil von beiden. Womöglich schwante das beiden schon in den letzten Tagen vor der Abstimmung. Die nervösen Manöver beiderseits nahmen zu.

Die vielsagendste Reaktion dazu kam am Wahlabend von Seehofer. Er sagte einfach nichts.

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