Folgen der Rekordtrockenheit:Die Wüste lebt

Seit Wochen hat es nicht geregnet, der November ist der bisher trockenste, den es je gegeben hat. Vertrocknen nun unsere Wälder? Oder wird gar das Trinkwasser knapp? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

Wer derzeit an der Isar entlangspaziert, sieht an manchen Stellen nur noch ein Rinnsal. Seit Wochen hat es nicht geregnet, der November ist der bisher trockenste, den es je gegeben hat. Das hat Auswirkungen auf die Natur und auf den Menschen. Positive wie negative übrigens. Denn während die Bergwälder dringend Wasser bräuchten, damit die Waldbrandgefahr sinkt, freuen sich Bauern, dass sich ihre Felder bei Trockenheit leichter bewirtschaften lassen. Auch Ausflügler und Wirte profitieren vom schönen Wetter: Viele Hütten haben nach wie vor geöffnet, weil auf den Bergen für diese Jahreszeit ungewöhnlich viel los ist. Regen oder Schnee sind derzeit noch nicht in Sicht.

Niedrigwasser der Isar

Der November ist der bisher trockenste, den es je gegeben hat.

(Foto: dpa)

Trocknen Bayerns Flüsse aus?

Die Isar kann man inzwischen fast zu Fuß durchqueren. Doch dass irgendwann überhaupt kein Wasser mehr fließt, damit ist nicht zu rechnen. Der Wasserstand hat sogar wieder leicht zugenommen, am Mittwoch lag er an der Messstelle München bei 37 Zentimetern - zehn mehr als noch am Montag. Dass die Isar immer Wasser führt, dafür sorgt der Sylvensteinspeicher; und dessen Pegel ist derzeit noch normal. 6,5 Kubikmeter fließen pro Sekunde in den See, 8,5 Kubikmeter werden abgelassen. "Wir fangen noch gar nicht an zu rechnen, wie lange das noch reicht", sagt Tobias Lang vom Wasserwirtschaftsamt Weilheim.

Tatsächlich hat das Niedrigwasser an der Donau größere Folgen. Auf dem Streckenbereich zwischen Straubing und Vilshofen zum Beispiel, wo bei Niedrigwasser normalerweise eine Fahrrinnentiefe von zwei Metern vorgehalten werden muss, steht der Pegel Deggendorf 30 Zentimeter unter dem Mindestwert. Momentan sei die Fahrrinne 1,70 Meter tief, sagt Helmut Rubenbauer vom Wasser- und Schifffahrtsamt Regensburg. Zudem müsse man auch das Flottwasser unterm Kiel bedenken, "also ziehen Sie noch mal 40 Zentimeter ab". Da durchschnittliche Containerschiffe etwa 2,50 Meter Abladetiefe haben, kann man sich die Probleme bei einer Fahrrinnentiefe von 1,30 Meter vorstellen. Auch Kabinenschiffe mit Tiefgang von bis zu 1,70 Meter haben inzwischen Probleme. Da hilft nur: Last reduzieren und auf Regen warten. Anna Priebe, Andreas Schubert

Stehen die Wasserkraftwerke still?

Den Kraftwerken steht zur Produktion derzeit weniger zur Verfügung. "Wir müssen der Isar immer eine gewisse Menge Wasser lassen, das ist für die Renaturierung so vorgesehen. Das heißt, wir können im Moment weniger Strom produzieren, weil einfach weniger Wasser da ist und somit auch die Turbinen nicht so stark angetrieben werden wie sonst", sagt Bettina Hess von den Stadtwerken München. Allerdings seien die Auswirkungen auf die Gesamtstromproduktion gering. Auch die Eon Wasserkraft GmbH merkt zwar die Auswirkungen des Niedrigwassers, sieht aber keinen Grund zur Beunruhigung. "Unsere Wasserkraftwerke laufen noch, denn wir haben ja weiterhin einen Durchfluss aus den Quellgebieten", erklärt Pressereferentin Carolin Patzner. Wie sehr die Produktion gedrosselt werde, sei je nach Gebiet unterschiedlich. "Für unser ganzes Gebiet, über alle Flüsse hinweg, sind es vielleicht maximal zehn Prozent, was wir an Einbußen haben", sagt Patzner. Anna Priebe

Leiden Fische und Landtiere?

Äschen, Nasen, Bachforellen und die anderen heimischen Fischarten kommen selbst mit extremem Niedrigwasser gut zurecht. Sie ziehen sich dann einfach in die Gewässerrinne zurück, in der noch Wasser fließt. "Ganz anders ist das, wenn an dem Bach oder Fluss ein Kraftwerk steht, für das Wasser ausgeleitet wird", sagt Manfred Braun, der Präsident des Landesfischereiverbands. "Wenn der Kraftwerksbetreiber zu wenig Wasser im Bach- oder Flussbett lässt, gehen die Fische ein." An einigen Kraftwerksstandorten sei die Situation schon bedrohlich. Etliche Fischereivereine hätten bereits zu sogenannten Notabfischungen ausrücken müssen, um ein Fischsterben zu verhindern. Braun appelliert an alle Kraftwerksbetreiber, auf ausreichend Restwasser in Bächen und Flüssen zu achten. Die Landtiere auf Wiesen und Wäldern haben indes kein Problem mit der Trockenheit, wie das Landesamt für Umwelt erklärt. Christian Sebald

Fällt die Skisaison jetzt aus?

Die Saisoneröffnungsfeier auf der Zugspitze, die für das kommende Wochenende geplant war, ist wegen des Schneemangels abgesagt worden. Ist damit die gesamte Saison in Gefahr? Nein, heißt es beim Deutschen Skiverband (DSV). "Man muss realistisch sein: Um diese Jahreszeit gibt es eigentlich kaum ein deutsches Skigebiet, das schon geöffnet hat", erklärt Michael Berner, Sicherheitsexperte beim DSV. Das vergangene Jahr sei ein Glücksfall gewesen, da Anfang Dezember in vielen Gebieten die Saison starten konnte. Aber das sei nicht die Regel. Außerdem, so Berner, fahre die große Masse der Skifahrer nicht um diese Jahreszeit. "Diejenigen, die Ski fahren, sind es gewohnt, in dieser Jahreszeit auf Gletscher zu fahren." Auch den Leistungssport beeinträchtigt das trockene Wetter nur bedingt. Das Training findet in Gletscherschneegebieten statt. "Natürlich hoffen wir jetzt alle auf den Schnee", sagt Berner. "Das ist keine Frage. Aber noch werden wir nicht nervös." anp

Vertrocknen die Wälder?

Profitieren die Bergwanderer?

Für Bergsportler bricht im November normalerweise für einen Monat die Tote-Hose-Zeit an. Ob in den Chiemgauer Alpen, im Isarwinkel oder im Mangfallgebirge: Es ist nichts los, weil meist schon in den niederen Lagen Schnee liegt - doch zum Skifahren ist das zu wenig, und wandern gehen dann nur die Hartgesottenen. Normalerweise! Doch heuer ist das anders. Der beispiellos trockene November hat die Wandersaison um einen Monat verlängert. Statt toter Hose war die Hölle los auf den Wegen und Stegen der Münchner Hausberge. "Es herrschen herbsttypische Wanderbedingungen", sagt Thomas Bucher, Sprecher des Deutschen Alpenvereins. Bis 2000 Meter Höhe liegt kein Schnee, auch nicht an den Nordhängen. Die Folge: Die Hobby-Bergwanderer in der Region schnürten vor allem an den Wochenenden in Scharen ihre Rucksäcke und marschierten los. Eine Saison, wie sie es zum Beispiel auf der Kirchsteinhütte bei Lenggries laut Bucher noch nie gegeben hat. Viele Hütten, die normalerweise Ende Oktober zusperren, haben geöffnet. Ob oben am Herzogstand oder rund um den Spitzingsattel: "Es war überall richtig was los", sagt Bucher. Allerdings: Die Trockenheit lässt bereits viele Quellen in den Bergen versiegen. Laut Bucher musste der Wirt der Bodenschneidhütte vor drei Wochen den Betrieb einstellen, weil das Wasser ausgegangen war. Stefan Mühleisen

Dauert die Motorradsaison an?

Der eine oder andere hat die Saison für sich erst im November ausklingen lassen", sagt Andreas Porzelt aus Eurasburg, Sprecher der Münchner "Motorrad-Interessengemeinschaft 97". Die meisten Biker hätten aber Saisonkennzeichen, die nur bis Ende Oktober gültig seien. Außerdem ist Trockenheit alleine nicht immer eine gute Voraussetzung für Motorradtouren. Denn in der Kälte werden Reifen so hart, dass sie ihren Grip verlieren und so manche Fahrt in einem Sturz endet. Überhaupt, sagt Porzelt, sei das Ende der Saison eine Frage der Mentalität: "Mitteleuropäer wollen im November einfach nicht mehr Motorrad fahren." Andreas Schubert

Vertrocknen die Wälder?

Auch wenn die Trockenheit mancherorts schon in die sechste Woche geht - den Wäldern ist das "in aller Regel völlig wurscht". Das sagt Meinhard Süß, der Chef des Staatsforstbetriebs in Oberammergau. Laubbäume haben eh längst ihre Blätter abgeworfen und sind in der Winterruhe. Ein wenig anders ist das bei den Nadelbäumen. Sie ziehen noch etwas Wasser, zumindest in den Mittagsstunden, wenn es ausreichend warm dafür ist. "Aber die Kiefern, die kommen mit der Trockenheit von Haus aus sehr gut zurecht", sagt Süß. "Und die Fichten und Tannen wachsen für gewöhnlich ja auf etwas dickeren Humusschichten, wo noch ausreichend Feuchtigkeit vorhanden ist." An besonders trockenen Standorten, auf der Münchner Schotterebene zum Beispiel, könnte "freilich schon die eine oder andere Fichte im Trockenstress sein", sagt Süß. "Aber das ist nur ein lokales Problem." Anders sieht es in den Bergwäldern aus, vor allem in den lichten, auf deren Böden dichtes Gras wächst. "Das Gras ist knochentrocken", sagt Süß. "Da genügt ein Funken und der Wald brennt." So wie am Sylvensteinspeicher und unlängst auf der Klarer Alm oberhalb von Bayrischzell. Christian Sebald

Wird Trinkwasser knapp?

Vertrocknen die Saaten auf den Äckern?

Natürlich nicht", sagt Peter Seidl vom Bauernverband. "Ganz im Gegenteil: So gute Bedingungen für die Aussaat hatten wir schon lange nicht mehr." Egal ob Weizen, Gerste, Roggen oder Triticale, eine Kreuzung aus Weizen und Roggen: "Die Aussaaten liegen jetzt im Boden", sagt Seidl, "und irgendwann, wenn sie Wasser kriegen, dann fangen sie an zu keimen, so wie sie das sollen." Auch die Milchbauern können nicht klagen - sie haben ihr Vieh in diesem Herbst sehr viel länger auf den Weiden stehen lassen können als in anderen Jahren. "Für uns ist ein richtig nasser und feuchter Herbst sehr viel schlimmer", sagt Seidl, "so wie der letzte einer war." Denn irgendwann müssen die Bauern raus zum Säen - und wenn die Böden richtig durchnässt sind, geht das nie ohne Schäden ab. Christian Sebald

Wird das Trinkwasser knapp?

Mitnichten. Die von den Bergen gespeisten Quellen sind schier unerschöpflich. Hinge die Wasserversorgung Münchens dagegen von Uferfiltraten der Isar ab (wie etwa in Köln von denen des Rheins), müsste man sich bei anhaltender Trockenheit irgendwann Sorgen machen. Das Wasser für die 1,4-Millionenstadt sprudelt aber weiter aus den Quellen der Vorberge, und zwar zu 80 Prozent aus dem Mangfalltal. Die restlichen 20 Prozent zapfen die Stadtwerke München (SWM) bei Oberau im Loisachtal. "Es handelt sich um mächtige Grundwasserströme, die von den Alpen Richtung Norden fließen", erklärt Michael Solic von der SWM-Pressestelle. Gespeist werden sie vor allem vom Schmelzwasser der Hochgebirgsregionen. "Es ist auf die nächsten mehreren tausend Jahre kein Mangel absehbar", sagt Solic. Michael Ruhland

Freuen sich die Wirte?

Im Bräustüberl am Kloster Andechs ist das Hauptgeschäft üblicherweise mit dem Ende der Wiesn vorbei. "Bei einem goldenen Oktober" verlängert es sich, zumindest an den Wochenenden, wie Tobias Gniwotta sagt. Und heuer sogar bis in den November hinein. Grob geschätzt doppelt so viele Gäste wie sonst um diese Zeit zähle das Bräustüberl derzeit, sagt Gniwotta. Dass der Herbst die Wirte gute Geschäfte machen lässt, berichtet man auch in der Kugler-Alm in Oberhaching oder im Restaurant Undosa an der Starnberger Uferpromenade. Dessen Betreiber Oliver Bledt sagt: "Für uns ist das wie ein zweiter Frühling." Frank-Ulrich John vom Hotel- und Gaststättenverband bestätigt den Trend. "Weil sich die Leute heuer nicht zu Hause verkriechen und sich einen warmen Tee kochen." Gut dran seien vor allem Gaststätten, die von Ausflüglern besucht werden - "gerade in den höheren, sonnigen Lagen". Diese Erfahrung macht man auch im Bräustüberl: Das ist immer dann voll, wenn der Höhenzug über dem Ammersee nicht im Nebel liegt. Die Leute riefen sehr kurzfristig an und fragten nach der aktuellen Wetterlage vor Ort, bevor sie losführen oder -wanderten, berichtet Gniwotta. "Wenn's aufreißt, wird's fantastisch." Kassian Stroh

Sitzen die Surfer auf dem Trockenen?

Der Münchner Eisbach ist vom niedrigen Pegelstand der Isar nicht betroffen. "Es ist wie immer", sagt Petra Offermanns, Sprecherin der Interessengemeinschaft der Surfer. An der Floßlände in Thalkirchen hingegen, wo die Anfänger surfen, geht derzeit gar nichts. Nicht wegen der Trockenheit, sondern weil der Floßkanal nur während der Floß-Saison mit Wasser versorgt wird, also nicht im Winter. Die Surfer freilich würden sich wünschen, auch an der Floßlände ganzjährig aktiv zu sein. Doch die Chancen stehen schlecht: Die Stadtwerke lehnen mehr Wasser eigens für die Surfer ab. Andreas Schubert

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