Flughafen München:Der unbekannte Mann

Weil sich eine Kontrolleurin nicht an die Dienstanweisung hielt, konnte ein Mann der Sicherheitskontrolle am Münchner Flughafen entkommen. Ganz Deutschland fragt sich: Wer ist Mister X?

Beate Wild

Der Mann ist mittleren Alters, trägt Brille, spricht englisch und gehört zum Typus "eiliger Geschäftsmann". Mehr weiß man nicht über jenen einzelnen Fluggast, der am Mittwochnachmittag einen ganzen Flughafen in Aufruhr versetzt und ein ganzes Land aufgeregt hat.

Flughafen München: Wie konnte der Mann am Münchner Flughafen unerkannt entkommen? Noch fehlen die Antworten.

Wie konnte der Mann am Münchner Flughafen unerkannt entkommen? Noch fehlen die Antworten.

(Foto: Foto: ddp)

Nach dem Passieren der Sicherheitskontrolle am Terminal II des Münchner Airports hat der ominöse Unbekannte seine Laptop-Tasche gepackt und sich eilig von dannen gemacht - obwohl ein Detektor an einer Sicherheitsschleuse auf den Computer des Mannes angeschlagen hatte. Eine Kontrolleurin sei Schuld, sie habe sich nicht an die Dienstanweisung gehalten, sagte Regierungspräsident Christoph Hillenbrand.

Seither fragt sich ganz Deutschland: Wer war dieser Mann? Ist er absichtlich abgehauen? Hatte er einen Grund zur Flucht? Oder hatte er es einfach nur eilig, sein Flugzeug zu bekommen - und hat gar nicht bemerkt, was er für ein Chaos verursacht hat? Wo steckt er jetzt? Und vor allem: Wie konnte der Mann bei allen Sicherheitsvorkehrungen am Münchner Flughafen überhaupt unerkannt entkommen?

Fragen über Fragen. Expertenteams versuchen in Krisengesprächen, Licht ins Dunkel zu bringen. Es fängt damit an, warum sich Mister X nach dem Sicherheitscheck überhaupt entfernen konnte. Normalerweise stehen an einem Scanner sechs Mitarbeiter des Sicherheitspersonals. Es lag wohl an menschlichem Versagen, dass niemand so schnell reagierte und sich dem Wegeilenden in den Weg stellte.

Hinter dem Security-Check steht eine sogenannte Postenkette, die ebenfalls die Vorgänge bei der Sicherheitskontrolle überwacht. Eine Kontrolleurin der von der Regierung von Oberbayern beauftragten privaten Sicherheitsfirma hat wohl noch versucht, den eiligen Laptop-Mann aufzuhalten. Nachdem ihr dies nicht gelang, benachrichtigte sie ihren Chef - der dann die Bundespolizei alarmierte.

Bis zur Alarmierung der Beamten habe es jedoch "etliche Minuten" gedauert, erklärt die Bundespolizei. Der fragliche Fluggast hätte in dieser Zeit ohne weiteres an Bord eines Flugzeugs gehen können. Auch hier schon wieder ein menschlicher Fehler. Eigentlich hätte die Bundespolizei "unverzüglich" informiert werden müssen.

Weil an der Schleuse keine Passkontrolle stattfindet, verfügten die Behörden auch nicht über die Personalien des großen Unbekannten. Also wusste man sich nicht anders zu helfen, als das gesamte Terminal II zu räumen. Alle wartenden Passagiere mussten wieder raus. Rund 40 Beamte durchkämmten den rund einen Kilometer langen Pierbau und forderten alle Wartenden auf, in den öffentlichen Bereich zu wechseln.

Im Video: Polizeigewerkschaft fordert, die Privatisierung der Sicherheitskontrollen auf Flughäfen zurückzunehmen. Weitere Videos finden Sie hier

Einige am Gebäude abgestellte Flugzeuge durften nicht mehr starten, die Passagiere mussten wieder aussteigen. Doch eine Maschine hob in der Zwischenzeit ab, in der der Gesuchte hätte sitzen können. Es handelte sich um einen Flug nach Madrid. Man alamierte den dortigen Flughafen, eine Kontrolle der aussteigenden Passagiere brachte jedoch kein Ergebnis.

Wo war der Gesuchte?

Sämtliche Fluggäste, die aufgefordert worden waren, das Terminal II zu verlassen, wurden beim Hinausgehen nicht kontrolliert, erst wieder beim erneuten Einchecken. Es liegt im Bereich des Möglichen, dass der Unbekannte mit all den anderen Passagieren das Terminal II verließ und der Scanner beim Wiedereinchecken einfach keinen Alarm mehr schlug. Um die Sensibilität und zeitweilige Ungenauigkeit der Geräte weiß man Bescheid.

Eine wieder andere Variante ist, dass sich der Mann durchaus bewusst war, dass nach ihm gefahndet wird - und er sich mit schlechtem Gewissen nach dem Verlassen des Terminals einfach auf den Weg nach Hause machte. Sollte diese Version zutreffen, stellt sich die Frage, ob der Gesuchte einfach nur etwas nervenschwach ist oder ob er tatsächlich versucht hat, Gefährliches an Bord zu schmuggeln.

Jetzt sucht man natürlich weiter nach dem ominösen Fremden. Eine Videoaufzeichnung vom Check-in könnte Aufklärung bringen, doch bisher hat diese Aufnahme der Polizei wohl nicht weitergeholfen. Zur Veröffentlichung eines Fotos hat man sich bislang noch nicht entschlossen. Warum, ist unklar.

Zum Schluss stellt sich noch die Frage, ob Schadensersatzansprüche auf den Unbekannten zukommen. Die Polizei will offenbar kein Geld von dem Mann, ihr Einsatz wird vom Staat bezahlt. Dagegen werden wohl der Flughafen München und die Lufthansa kassieren wollen. Eine Summe konnte bislang nicht beziffert werden, da die mit dem Aufruhr verursachten Ausfälle nicht genau benannt werden können. Man weiß nur, dass hundert Flüge mit mehreren tausend Passagieren betroffen waren.

Jetzt kann man sich ungefähr ausmalen, wieviel da an Schadensersatz zusammenkommt. Da wird der Unbekannte wohl alles daran setzen, weiter unbekannt zu bleiben.

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