Flug nach Hamburg:Trittbrettfahrer drohen mit Terroranschlag

Ein Airbus startet in München. 24 Minuten später verkünden Unbekannte per Mail, ihn im Namen des IS zu sprengen. Doch am Ende wird nichts gefunden. Mit solchen Problemen hat die Polizei immer wieder zu tun

Von Martin Bernstein

Die Angst der Passagiere war groß, der Staatsschutz ermittelt - doch die Drohung, einen in München gestarteten Airbus in der Luft zu sprengen, ist offenbar das Werk von Trittbrettfahrern. Ein terroristischer Hintergrund ist nach Einschätzung von Sicherheitsexperten des Bundeskriminalamts unwahrscheinlich. Die Absender der Droh-Mail am Sonntagabend hatten sich als Ableger der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) ausgegeben. Deshalb ermittelt nun der Staatsschutz der Münchner Polizei.

Die Droh-Mail war am Sonntag um 17.39 Uhr bei der Bundespolizeidirektion in München eingegangen - kurz nach dem Start der Air-Berlin-Maschine. Ermittelt wird wegen "Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung einer Straftat". Der Paragraf 126 des Strafgesetzbuches sieht dafür Geld- oder Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren vor. Sogenannte Cybercops der Münchner Polizei verfolgen bereits konkrete Spuren, die die Absender der Mail im Netz hinterlassen haben.

Der Airbus A 320 war am späten Sonntagnachmittag mit 170 Passagieren und acht Crewmitgliedern von München nach Hamburg unterwegs. Die Maschine mit der Flugnummer 6306 hätte planmäßig um 16.30 Uhr am Terminal 1 im Erdinger Moos starten und um 17.45 Uhr in Hamburg-Fuhlsbüttel landen sollen. Tatsächlich hob sie aber erst um 17.15 Uhr ab. 24 Minuten später ging die Drohung ein. Die Sicherheitsbehörden stuften sie als ernsthaft und glaubwürdig ein. In solchen Fällen wird sofort der nächstgelegene Flughafen angesteuert - offenbar war das bereits der Zielort Hamburg.

Der Flugverkehr über der Hansestadt wurde um 18.30 Uhr für elf Minuten unterbrochen. Nach der Landung um 18.34 Uhr wurde das Flugzeug aus München auf eine Sonderposition gebracht, weit entfernt von den anderen Flugzeugen und den Gates, wie ein Sprecher der Deutschen Flugsicherung der Nachrichtenagentur dpa sagte. Fluggäste berichteten auf Twitter, sie seien aufgefordert worden, die Maschine so schnell wie möglich zu verlassen. "Wir wurden gefilzt und sitzen in der Wartehalle", berichtete ein Passagier am Abend. Ein anderer schrieb, die Stimmung sei trotzdem gut. Nach zwei Stunden durften die Fluggäste den Sicherheitsbereich verlassen. Nach Angaben von Air Berlin überprüften Bundespolizisten Handgepäck, Reisekoffer sowie die Fluggäste nach Sprengstoff. Ein Spürhund suchte das Flugzeug nach Sprengsätzen ab. Gefunden wurde nichts. Am Montagmorgen startete das Flugzeug von Hamburg aus zu einem regulären Flug nach Samos in Griechenland.

Die Email soll im Namen des "Islamischen Kalifats Europa" unterzeichnet gewesen sein. Konkret genannt wurden darin die Flugnummer und die Stadt München. Wie aus Sicherheitskreisen zu erfahren war, wurde in der Email eine Koransure zitiert. Der Schreiber drohte, das Flugzeug durch Attentäter zu sprengen, die zum Sterben bereit seien. Formulierungen wie "die Straßen waren zu eng für sie", "Angst in die Herzen der Kreuzfahrer tragen" und "vom weltlichen Leben getrennt" finden sich nahezu wortgleich auch in dem Bekennerschreiben, das der IS im November nach den Anschlägen von Paris veröffentlicht hatte und das auch in deutschen Medien abgedruckt worden war. Trittbrettfahrer könnten sich da bedient haben. Die Münchner Droh-Mail habe einen "wirren" Eindruck gemacht, hieß es aus Sicherheitskreisen.

Mit falschen Attentatsdrohungen und Trittbrettfahrern haben Bundespolizei und Münchner Polizeipräsidium immer wieder zu tun. Jede Bombendrohung ruft sofort Nachahmer auf den Plan. Werden sie erwischt, kann das teuer werden für sie. Das Landgericht Düsseldorf hatte 2007 eine Studentin zu mehr als 200 000 Euro Schadensersatz verurteilt. Sie hatte den Düsseldorfer Airport im Jahr 2003 mit einer Terrordrohung im Namen der islamistischen Al-Kaida sieben Stunden lang lahmgelegt, weil sie nicht mit ihrem Freund in Urlaub fliegen wollte. Zuvor war sie im Strafprozess zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt worden.

Die Urheber der Drohung gegen die Air-Berlin-Maschine sind noch unbekannt. Zu einer Gruppe namens "Islamisches Kalifat Europa" konnte der Hamburger Verfassungsschutz laut dpa nichts sagen. Nach Angaben der Bundespolizei ist es aber nicht ungewöhnlich, dass Bombendrohungen mit "Islamischer Staat" oder irgendeinem anderen Begriff mit "islamisch" im Namen unterzeichnet werden.

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