Flüchtlingsprojekt:Wie Mode den Flüchtlingen bei der Integration hilft

ACHTUNG FINGER WEG - Sonderregelung wegen Flüchtlingsthematik, Flo Fuchs weiß Bescheid!!!

Tipps vom Profi: Designerin Anja Laube zeigt Flüchtlingen Kniffe, wie man am besten mit Stoffen umgeht.

(Foto: Özlem Kinik)
  • "Kuniri" heißt die Nähwerkstatt in der Schwere-Reiter-Straße, in der Flüchtlinge eine sinnstiftende Aufgabe finden.
  • Frauen und Männer lernen das Nähen voneinander und von der Initiatorin des Projekts - und sie können sich austauschen.
  • Regelmäßig kommen auch Münchner Designer in der Werkstatt vorbei.

Von Franziska Gerlach

Den Dienstag mag er am liebsten, der Mann mit den langen, geschickten Fingern. Samstage sind zwar auch in Ordnung, weil er da Fußball spielt. Genauso jene Wochentage, an denen er in die Bibliothek geht. An Dienstagen aber trifft Abu Thian sich mit anderen Flüchtlingen zum Nähen im Mucca im Kreativquartier an der Schwere-Reiter-Straße.

Dass er so gerne herkommt, hat einen einfachen Grund. "Hier kann ich reden, etwas tun", sagt der 32 Jahre alte Senegalese und zupft verknoteten Zwirn aus dem Stoff, den er zu einem Schal verarbeiten will. In seiner Unterkunft habe er einfach zu viel Zeit nachzudenken. Viel zu viel Zeit.

"Kuniri" heißt die Nähwerkstatt, bei der oftmals zur Untätigkeit verdammte Flüchtlinge eine sinnstiftende Aufgabe finden. Kuniri ist Esperanto und bedeutet "gemeinsam gehen". Gegründet wurde das Projekt als "BieBie One", weil sich die Gruppe anfangs - in diesem Sommer - immer im zwischenzeitlich geschlossenen Kreativquartier "BieBie" in Freimann getroffen hat. Die freie Autorin Eva Schatz hat die Nähwerkstatt mit drei weiteren Münchnerinnen ins Leben gerufen. Anfangs nähten die Frauen mit den Flüchtlingen nur einfache Sachen wie Nadelkissen oder Taschen, inzwischen ist das Niveau deutlich gestiegen.

Designer arbeiten mit den Flüchtlingen

Regelmäßig stoßen auch Münchner Designer dazu. Veronika Kaysser vom Label "Vronikaa" etwa zeigte den Teilnehmern, wie man eine Kimonojacke fertigt. An einem Regal hängt noch ein Exemplar aus dieser Lehrstunde - es ist so bunt wie die Gruppe selbst und zeugt davon, wie spannend es auch in der Mode sein kann, wenn verschiedene Kulturen aufeinander treffen. Über kurz oder lang soll auch eine eigene Kollektion entstehen.

An diesem Tag ist Designerin Anja Laube zu Gast, sie hat Halstücher zum Wenden für die Flüchtlinge entworfen. Gerade hilft sie einer Somalierin, Druckknöpfe zu befestigen. Einen Arbeitsplatz weiter lässt ein junger Senegalese die Nähmaschine auf Höchstgeschwindigkeit surren. Eine Syrerin zeigt einer anderen Frau, wie man Stoff zuschneidet. In ihrer Heimat betrieb sie eine eigene Schneiderei, wie sie mit Händen und Füßen erklärt, die deutsche Sprache flutscht noch nicht so richtig.

Dass sie in München nun ihren alten Job wieder machen kann, dass sie das tut, was sie am besten kann und andere sogar von ihrem Wissen profitieren, gibt ihr Selbstvertrauen.

Berufliche Perspektiven für die Flüchtlinge

Die Flüchtlinge dürfen sich voll einbringen, es gibt keine strikte Trennung zwischen Teilnehmern und Leitung des Nähkurses. "Wir machen das alle zusammen", sagt Initiatorin Eva Schatz. Es gehe um das Miteinander, sagt sie, den Austausch mit Anderen. Um Integration eben. Das Projekt wächst, und Ideen für die Zukunft gibt es einige.

Im Gespräch sei etwa eine Kooperation mit der Berufsschule am Bogenhauser Kirchplatz, an deren Dependance an der Balanstraße Flüchtlinge unterrichtet werden; dadurch könnten sich auch berufliche Perspektiven ergeben. "Wir wollen immer professioneller werden", sagt Schatz.

Allerdings gibt es auch noch einiges, was Organisatoren und Flüchtlinge gut gebrauchen könnten: Materialspenden und gute Nähmaschinen. "Meine ist kaputt", sagt Abu Thian und schiebt die Augenbrauen zusammen. Das Garn hat sich wieder verheddert, er entwirrt es mit seinen schlanken Fingern, ganz sachte. Ein paar lose Fäden muss er noch vernähen, dann ist sein Schal fertig. Er zieht ihn über den Kopf, der puschelige Kunstpelz schmiegt sich an seinen Hals. "Das ist besser für den Winter", sagt er.

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