Flüchtlingspolitik:Reiter fordert Reduzierung der Flüchtlingszahlen

Flüchtlingspolitik: OB Dieter Reiter: "So wie jetzt kann es nicht weiter gehen."

OB Dieter Reiter: "So wie jetzt kann es nicht weiter gehen."

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Der Oberbürgermeister warnt, dass die Stadt einen gleichbleibend hohen Zuzug von Flüchtlingen nicht mehr verkraften könne. Die CSU interpretiert die Aussagen als Kehrtwende seiner bisherigen Politik.

Von Heiner Effern

Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) fordert eine spürbare Reduzierung der Flüchtlingszahlen und die Zuweisung eines festen Wohnortes für anerkannte Asylbewerber. "So wie jetzt kann es nicht weiter gehen", sagte Reiter der Süddeutschen Zeitung. Für München werde es schwierig bis unmöglich, im Jahr 2016 ähnlich vielen Flüchtlingen wie 2015 "eine menschenwürdige Unterkunft" bereitzustellen. Den darüber hinausgehenden Zuzug weiterer anerkannter Asylbewerber, die im boomenden Wirtschaftsraum Arbeit suchten, könne die Stadt nicht verkraften. "Das ist eine einfache Rechnung: Irgendwann gehen die Flächen aus." Jeden Tag werde ihm die Frage lauter gestellt: "Wann gibt es einen Plan der Bundesregierung, wie es weiter geht?"

Reiter: München steht weiterhin zu seiner Willkommenskultur

Diese Frage stellte Reiter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und seinem Parteifreund und Vize-Kanzler Sigmar Gabriel nun in einem Interview in der Welt am Sonntag. Reiter äußerte sich "enttäuscht", dass in der Bundesregierung parteitaktische Winkelzüge wichtiger seien als das gemeinsame Ringen um eine Lösung. Am Sonntag legte der Oberbürgermeister in der SZ nach, dass in Berlin nur "über Begrifflichkeiten wie Obergrenzen" gestritten werde, aber sonst nichts vorangehe. Er könne nicht einmal absehen, ob und wann ein Plan der Bundesregierung zur Lösung der Flüchtlingskrise komme. "Seit Monaten beobachte ich die Entwicklung, jetzt ist es Zeit, das laut auszusprechen", sagte er.

Reiter betonte, dass München weiter zu seiner Willkommenskultur stehe. Dazu gehöre aber auch, dass Unterbringung und Integration "meinen Ansprüchen genügen". In der vergangenen Woche habe er auch bei internen Gesprächen mit Sozial-Experten den Eindruck gewonnen, dass im schlimmsten Fall bald Flüchtlinge in Turnhallen untergebracht werden müssten. Die Stadt hatte das bisher mit aller Kraft vermieden, weil Reiter diese Quartiere "für menschenunwürdig" hält.

Der Druck auf den Wohnungsmarkt werde zudem von anerkannten Asylbewerbern verstärkt, die auf der Suche nach Arbeit nach München drängten. Wenn es dem Bund weiter nicht gelinge, im Land annähernd gleiche Verhältnisse und Strukturen zu schaffen, würden die Menschen in die wirtschaftlichen Ballungsräume drängen. "Da braucht man nur eins und eins zusammenzählen."

CSU spricht von "abrupter Kehrtwende"

Die CSU interpretiert Reiters Aussagen "als abrupte Kehrtwende" seiner Flüchtlingspolitik. "Willkommen in der Wirklichkeit", sagt der Münchner CSU-Vorsitzende Ludwig Spaenle. Es sei für die CSU sehr erfreulich, dass Reiter "seine Blauäugigkeit" nun ablege. Leider geschehe das ein dreiviertel Jahr zu spät. Schon im Sommer und kürzlich bei einem Fischessen habe Bürgermeister Josef Schmid (CSU) auf die gleichen Probleme hingewiesen. "Dafür ist er nicht gerade mit Nettigkeiten bedacht worden", sagte Spaenle. Diese Spitze zielte auf ein Interview Schmids, in dem er einen Hilferuf der Kommunen wegen der hohen Zahl der Flüchtlinge formuliert hatte. Reiter, der zu dieser Zeit im Urlaub war, pfiff seinen Bürgermeister umgehend zurück und beschuldigte die CSU der Zündelei.

Schmid zeigte sich "erfreut", dass beim Oberbürgermeister seine "klaren und logischen Argumente Einzug gehalten" haben. Das käme überraschend. "In internen Gesprächen hatte ich bis zuletzt den Eindruck, dass wir völlig unterschiedliche Meinungen haben." Reiters Aussage, dass München noch einmal die gleiche Menge an Flüchtlingen nur schwer verkraften könne, "klingt natürlich nach Obergrenze, Zuzugsbegrenzung und Steuerung".

Reiter: "Das ist keine Kehrtwende"

Reiter wies den CSU-Vorwurf scharf zurück, in der Flüchtlingspolitik umzukippen. Er habe schon im September darauf hingewiesen, dass niemand auf Dauer unbegrenzt Flüchtlinge aufnehmen könne, sagte er. "Das ist keine Kehrtwende und kein Einschwenken auf irgendeine Linie." Schmid habe bereits die Grenzen der Belastbarkeit festgestellt, bevor im September die Ankunft der meisten Flüchtlinge eingesetzt hätte. Ihm gehe es aber nicht um Schelte, sondern darum, dass politisch gehandelt werden müsse. "Damit stehe ich nicht allein, da geht es allen Städten und Landkreisen gleich." Reiters Botschaft nach Berlin ist kurz und eindeutig. "Es muss jetzt funktionieren."

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