Flüchtlinge:Rauswurf zur Unzeit

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Ehrenamtliche kritisieren Innenminister-Anweisung

"Umstrittene Dienstanweisung" vom 18. November:

Die umstrittene Dienstanweisung, die Bayerns Innenminister Joachim Herrmann jüngst an Bayerns Ausländerämter versandte, sorgt nicht nur in der Wirtschaft für Unruhe, sondern vor allem bei den Flüchtlingen, ihren Betreuern und den Ehrenamtlichen. Seit in unserer Unterkunft für männliche Asylbewerber in Hadern, in der ich von Beginn an tätig bin, zwei Flüchtlingen ein Bescheid zur Abschiebung nach Kroatien zugesandt wurde - dort wurden sie 2015 zuerst registriert -, ist die Unruhe groß. Angst, Unsicherheit, Enttäuschung und Verzweiflung wachsen täglich. Alle Flüchtlinge haben seit Belegung der Unterkunft Deutsch-Unterricht gehabt durch Ehrenamtliche. Lückenlose Betreuung durch engagierte Helfer ist nach wie vor gesichert. Die meisten Flüchtlinge haben ein Praktikum gemacht oder eine Arbeit angenommen. In Kirchengemeinden und Vereinen sind sie engagiert. Im Stadtviertel sind sie bekannt und bei den meisten Bewohnern gern gesehen. Sie sind sehr dankbar und integrieren sich gern. Freund- und Patenschaften sind entstanden, und viele von ihnen haben zu Familien im Stadtviertel enge Kontakte geschlossen.

Und nun kommt dieser Erlass aus dem Innenministerium! Nicht nur Betriebe, die händeringend Nachwuchs suchen, stellen viele Fragen. Noch auf dem CSU-Parteitag verkündete Horst Seehofer, bezogen auf die Flüchtlings-"krise": "Wir haben im letzten Jahr viel geschafft." Wer ist "wir"? Falls er auch seine Parteianhänger meint, so müsste er sich nun eingestehen, dass eine ganze Menge der "geschafften" Arbeit durch seine Politik im Nichts verpuffen wird. Was also soll dieser Erlass? Wem zu Gefallen ist er verfügt worden? Gestern saßen vier beunruhigte iranische Flüchtlinge, alle gut ausgebildet, um meinen Esstisch. Heftig wurde diskutiert. Fragen wurden gestellt: "Warum haben wir länger als ein Jahr Deutsch gelernt? Warum gehen wir regelmäßig in die Integrationskurse?", und und und . . . Ich konnte ihnen auch keine Antworten geben. Jedes Gespräch endet in Hilflosigkeit - und in Wut. Ein Gast brachte es auf den Punkt: "Erst hat Frau Merkel gesagt: ,Alle dürfen kommen.' Und nun schmeißt sie uns wieder raus!" Da fragen sich viele: Wem soll diese Flüchtlingspolitik nützen? Ursula Saabel, München

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© SZ vom 24.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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