Flüchtlinge:Lebensgefährliche Flucht

Flüchtlinge: Münchner Bundespolizisten suchen bei ihren Güterzugkontrollen nach Flüchtlingen.

Münchner Bundespolizisten suchen bei ihren Güterzugkontrollen nach Flüchtlingen.

(Foto: Bundespolizei)

Arbeiter retten Schwangere und ihre zehn Monate alte Tochter

Von Martin Bernstein

Bahnmitarbeiter entdecken die kleine Familie zuerst, die am Sonntagmorgen gegen 7 Uhr in der Dunkelheit und bei Minusgraden orientierungslos zwischen den Gleisen des Güterbahnhofs Ost herumirrt. Die Frau trägt ein Bündel auf dem Rücken - ihre zehn Monate alte Tochter. Das Baby hat nicht einmal eine Jacke und reagiert bereits nicht mehr auf Berührungen. Die 22 Jahre alte Nigerianerin klagt über Schmerzen im Unterleib. Sie ist erneut schwanger, im siebten Monat. Mit dabei ist der Vater, 25 Jahre alt. Die Flüchtlinge sind kaum noch ansprechbar. Hinter ihnen liegt eine stundenlange nächtliche Fahrt von Verona über den Brenner. Die Temperatur fällt dort auf zehn Grad unter den Gefrierpunkt. Und der offene Güterzug 34128, auf dem die Flüchtlinge sich versteckt haben, fährt bis zu 100 Stundenkilometer schnell.

Die Bahnmitarbeiter bringen die Familie erst einmal ins Warme und alarmieren die Bundespolizei. Schnell wird klar: Die völlig unterkühlten Menschen sind in großer Gefahr. Ein Rettungswagen wird herbeigerufen. Der Hartnäckigkeit der Sanitäter ist es nach Angaben von Bundespolizeisprecher Wolfgang Hauner zu verdanken, dass Mutter und Tochter nicht getrennt werden und die Familie gemeinsam in einem Krankenhaus unterkommt. Dort werden sie jetzt stationär versorgt. Ihre lebensgefährliche Flucht hat vorerst ein Ende gefunden.

Im Januar hatten Bundespolizisten 28 Flüchtlinge aufgegriffen, fünf mehr als vor einem Jahr. 256 illegal eingereiste Migranten hatten die rund 300 Münchner Bundespolizisten 2016 vor allem am Rangierbahnhof Nord und am Güterbahnhof Ost entdeckt. Im vergangenen Jahr waren es dann 565. Doch die Beamten können nur zählen, wen sie finden - die Dunkelziffer ist höher. Das zeigt ein Fall vom 13. Januar. Etwa 15 Personen wurden damals am Rangierbahnhof gesehen, doch nur zwei konnten dann noch aufgegriffen werden. Die anderen waren untergetaucht. 30 Güterzugflüchtlinge in diesem Jahr stammen aus Afrika. Ein Eritreer befand sich in einer 13-köpfigen Gruppe, die am 4. Januar am Rangierbahnhof entdeckt wurde. Weitere 13 Menschen wurden am 19. Januar mit Hilfe einer Hubschrauberbesatzung der Bundespolizeifliegerstaffel am Güterbahnhof geortet. Der zweitjüngste in diesem Jahr per Güterzug nach München gekommene Flüchtling ist sieben Jahre alt.

Ob der Rückgang der Flüchtlingszahlen im Januar aufs Wetter oder verstärkte Kontrollen zurückgeht, ist für Hauner unklar. Klar ist für ihn und seine Kollegen aber etwas anderes: Die Gefahr für Leib, Leben und Gesundheit, der sich die Güterzugmigranten aussetzen oder der sie von Schleusern ausgesetzt werden - "das ist unsere Hauptsorge".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: