Flüchtlinge:Ganz normaler Ausnahmezustand

12 000 neue Asylsuchende am Samstag - und München bewältigt auch das. Die Behörden schaffen neue Notquartiere, Moscheen bieten Schlafplätze an. Und erstmals wird ein normaler Zug geräumt, um Flüchtlinge nach Berlin zu bringen

Um für den andauernd hohen Andrang am Hauptbahnhof gerüstet zu sein, schafft die Stadt weiteren Platz für Tausende Flüchtlinge in Notquartieren - und greift dabei auch zu ungewöhnlichen Maßnahmen. An der Donnersbergerbrücke wurden am Wochenende Zelte aufgestellt, in denen bis zu 1000 Menschen Platz finden können. In einem Bürogebäude im Aschheimer Ortsteil Dornach wurden weitere 1000 Plätze für Asylsuchende bereitet; dort waren erstmals sogar Soldaten der Bundeswehr im Einsatz, die am Samstag einfache Feldbetten aufbauten. Auch auf dem Areal der Bundeswehr-Universität in Neubiberg wurden am Sonntag fünf Zelte aufgestellt, um dort bis zu 1000 Menschen auf Notbetten unterzubringen. Dies alles ergänzt die bisherigen Notquartiere in der Münchner Messe (3000 Plätze), in Dornach, wo es bereits 1500 Plätze gibt, oder an der Karlstraße (500 Plätze).

Flüchtlinge: Hier begegnen sich die Welten - mit dem Banner, das Geschichte schreibt: Refugees Welcome.

Hier begegnen sich die Welten - mit dem Banner, das Geschichte schreibt: Refugees Welcome.

(Foto: Catherina Hess)

Am Samstag wurden am Hauptbahnhof mehr als 12 000 neue Flüchtlinge gezählt. Sie wurden offenbar alle vorübergehend untergebracht. Befürchtungen, dass Menschen im Freien schlafen müssten, traten nicht ein. Für den Sonntag rechneten die Behörden mit weiteren Tausenden, ohne eine Prognose zu nennen. Bis 16 Uhr waren es etwa 4500. Zugleich wurden am Sonntag 5200 Asylsuchende von München aus in die ganze Republik verteilt, wie die Regierung von Oberbayern mitteilte. Seit Ende August hat München somit mindestens 67 000 Flüchtlinge empfangen. Erstmals belegten die Behörden am Sonntag einen regulären Zug komplett mit Asylsuchenden. Aus dem ICE, der am Sonntag um 11.21 Uhr nach Berlin fahren sollte, mussten am Hauptbahnhof alle Passagiere aussteigen und sich auf andere Züge verteilen. Er fuhr anschließend mit 650 Asylsuchenden nach Berlin; die Passagiere reagierten ruhig und verständig. Die Bezirksregierung will auch in den nächsten Tagen verstärkt mit Zügen Flüchtlinge aus München transportieren. Regierungspräsident Christoph Hillenbrand sprach von "humanitär gekaperten Regelzügen - natürlich in Absprache mit der Deutschen Bahn". Man werde einzelne komplett für den Flüchtlingstransport verwenden, manche teilweise. Die Bahn müsse die regulär Reisenden davon in Kenntnis setzen. Aufgabe der Helfer und seiner Behörde sei es, die Flüchtlinge so zu den Zügen zu bringen, dass diese pünktlich abfahren könnten. "Allein das wird eine logistische Herausforderung", sagte Hillenbrand. Zumal auch Getränke und Essen zu den Zügen gebracht werden müssten. Am Nachmittag schickte die Bahn zudem einen Regionalzug mit etwa 850 Sitzplätzen von München nach Salzburg. Er sollte dort Flüchtlinge aufnehmen und "ohne Halt" nach Mannheim bringen, sagte ein Sprecher. In der Nacht zu Sonntag unterbreitete der Penzberger Imam Benjamin Idriz der Regierung ein ungewöhnliches Angebot: 20 muslimische Gemeinden im Großraum seien bereit, jeweils bis zu 100 Asylsuchende in ihrer Moschee zu beherbergen - insgesamt also mehr als 1000. Das sei binnen weniger Stunden umzusetzen, sagte Idriz. Die Regierung lehnte dies vorerst ab, weil man bislang genügend Betten habe. Man hoffe, dass deren bundesweite Verteilung durch Sonderzüge umgesetzt werden könne, sagte eine Sprecherin. Sollten Engpässe auftauchen, könne man das Angebot der Moscheen "sofort wieder aktivieren".

Flüchtlinge: An der Donnersbergerbrücke haben Asylsuchende nun ein Zeltlager bezogen. Auf der Straße musste auch an diesem Wochenende niemand schlafen.

An der Donnersbergerbrücke haben Asylsuchende nun ein Zeltlager bezogen. Auf der Straße musste auch an diesem Wochenende niemand schlafen.

(Foto: Catherina Hess)

Vor dem Notquartier an der Richelstraße in Neuhausen wurden drei Dutzend Zelte und etwa 150 Bierbänke aufgestellt. Im Laufe des Sonntags wurden dorthin immer wieder Flüchtlinge gebracht. Da Zelte wie Bänke auf Rasen stehen, suchten Vertreter von Regierung und Stadt am Sonntagmittag noch eine asphaltierte Fläche, um wetterfeste Unterkünfte zu errichten.

Zwei am Wochenende intern diskutierte Varianten haben Stadt und Bezirksregierung bislang nicht realisiert: Weder wurde bis zum Sonntagabend die Olympiahalle als Notquartier für Flüchtlinge geöffnet noch der VIP-Bereich des Olympiastadions.

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