Flüchtlinge aus Kosovo:"Wir haben es nicht mit Wintertouristen zu tun"

Flüchtlinge aus Kosovo: Laura Lajqi und Eshref Januzaj wollen den Vorurteilen gegen Flüchtlinge aus Kosovo eine differenzierte Bewertung entgegensetzen.

Laura Lajqi und Eshref Januzaj wollen den Vorurteilen gegen Flüchtlinge aus Kosovo eine differenzierte Bewertung entgegensetzen.

(Foto: Catherina Hess)

Münchner Kosovaren wehren sich gegen die pauschalen Urteile über ihre Landsleute, die nach Deutschland fliehen. Die Vorurteile haben Konsequenzen: In manchen Erstaufnahmelagern wird sich um Kosovaren nicht so gekümmert wie um andere Flüchtlinge.

Von Bernd Kastner

Asylmissbrauch, Wirtschaftsflüchtlinge, Schleuserbanden, Wintertouristen, Schnellverfahren. Begriffe, die längst zu Schlagwörtern geworden sind in der Diskussion um Kosovaren, die nach Bayern fliehen. Der bayerische Flüchtlingsrat und Vertreter der albanisch-kosovarischen Community in München wollen den pauschalen Urteilen eine differenzierte Bewertung entgegensetzen: "Wir haben es nicht mit Wintertouristen zu tun, sondern mit Flüchtlingen", sagt Velime Qarri von der Gesellschaft albanischer Akademiker (DIJA). "Sie sind gekommen, weil sie sich hier ein neues Leben aufbauen wollen." Stephan Dünnwald vom Flüchtlingsrat stellt die Logik hinter der Wintertourismus-These in Frage: Welche Familie verkaufe schon ihr ganzes Hab und Gut in der Heimat, nur um in Bayern für ein paar Wochen auf einer Matratze in einer schäbigen Sammelunterkunft zu schlafen?

Im Februar stellten bis zu 1400 Kosovaren täglich einen Asylantrag in Deutschland, derzeit sind es laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge weniger als 200. Das könnte auch die politische Debatte entspannen. Wie sich die Urteile und Vorurteile gegen Kosovaren auswirken, weiß Laura Lajqi vom Verein albanischer Frauen in München zu berichten: Viele Helfer in den Erstaufnahmelagern seien nicht bereit, sich genauso um Kosovaren zu kümmern wie um andere Flüchtlinge. "Das bedauern wir sehr." Dabei gebe es unter ihnen viele hilfsbedürftige Menschen, etwa Familien mit schwer kranken Kindern, die auf Alltagstipps angewiesen seien.

Dünnwald fordert nicht, allen Kosovaren Asyl zu gewähren, denn auch er sagt, dass die meisten kämen, weil sie in wirtschaftlich und sozial prekären Situationen lebten und keine Perspektive in Kosovo sähen. Aber der Flüchtlingsrat und die albanische Community wehren sich gegen populistische und abwertende Äußerungen aus der Politik und plädieren dafür, jeden Asylantrag individuell und ernsthaft zu prüfen. Einen Asylantrag zu stellen, sei kein "Missbrauch", es sei ein Recht, das prinzipiell jedem Menschen offen stehe. Und gerade Minderheiten wie die Roma sähen sich in Kosovo permanenter Diskriminierung ausgesetzt, so dass viele zumindest Abschiebeschutz genießen müssten.

"Ich will kein Geld vom Staat"

Eshref Januzaj vom DIJA ruft die Politik zum Nachdenken auf: "Was macht man mit den Kosovaren?" Man sollte es ihnen erleichtern, auf legalem Weg nach Deutschland zu kommen und hier legal bleiben und arbeiten zu dürfen. Ein Anfang wäre, das Visumverfahren für Kosovaren zu vereinfachen: Derzeit müsse man monatelang auf einen Bescheid warten, und oft werde der Antrag dann abgelehnt. "Ich will kein Geld vom Staat", das höre sie in den Aufnahmelagern immer wieder von Kosovaren, berichtet Lajqi. Sie wollten einfach nur arbeiten und für ihre Familie eine Zukunft aufbauen.

Dünnwald widerspricht der These, dass die zuletzt so hohe Zahl von Flüchtlingen aus Kosovo auf Werbeaktionen von Schleusern zurückzuführen sei. Viel wahrscheinlicher sei, dass die Flüchtlinge von Verwandten und Bekannten, die in Deutschland leben, hören und lesen, wie vergleichsweise gut es ihnen hier geht. Und solange es fast nur den Antrag auf Asyl gebe, um überhaupt nach Deutschland zu gelangen, wählten viele eben diesen Weg. "Wenn ich da bin, bin ich da", fasst Januzaj die Gedanken vieler Landsleute zusammen, verbunden mit der Hoffnung, trotz aller statistischen Unwahrscheinlichkeit auf ein Bleiberecht irgendwo ein Schlupfloch im deutschen Recht zu finden.

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