Finanzielle Schieflage:Wünsch dir was

Das Haushaltsloch ruft die Rathaus-Opposition auf den Plan, die Fehlentscheidungen und mangelnde Prioritätensetzung kritisiert. In der Koalition gibt es nun den nächsten Streit: über neue Schulden

Von Dominik Hutter

In den kommenden Wochen, davon ist Michael Mattar überzeugt, wird es im Münchner Rathaus vor allem um Finanzpolitik gehen müssen. Der FDP-Stadtrat prophezeit der eigentlich für Reichtum bekannten Stadt einen finanziellen Absturz, die Situation werde sich 2016 radikal verschlechtern. Denn dann sinke die einst so stolze Reserve im Verwaltungshaushalt auf nahe null ab - eine Katastrophe angesichts der enormen Investitionen, die sich die Stadt vorgenommen hat.

Schuld ist in den Augen Mattars das schwarz-rote Rathausbündnis, das die "großzügige Ausgabenpolitik" von Rot-Grün einfach fortgesetzt habe. Gleich drei Fehlentscheidungen im "Wert" von 1,5 Milliarden Euro habe die große Koalition zu verantworten: die Kliniksanierung, die die wirklich notwendigen Strukturreformen nur aufschiebe. Die kommunale Wohnungspolitik, die mit Steuergeld verhindere, dass Private investieren. Und das Öko-Engagement der Stadtwerke, das zu einem riesigen Finanzloch geführt habe.

Es ist die Stunde der Opposition. Denn es ist keineswegs alltäglich, dass ein Kämmerer seinen Haushaltsentwurf zurückzieht, weil die Zahlen nicht mehr stimmen. Ernst Wolowicz hat dies getan, der Stadtrat soll nun erst im November über die Finanzplanung für 2016 diskutieren. Unerwartet hohe Ausgaben, unerwartet niedrige Einnahmen - es sieht nicht wirklich gut aus. Florian Roth, Finanzexperte der Grünen, hat diese Entwicklung vorausgesagt. Das schwarz-rote Bündnis steht bei den Grünen von Anfang an in dem Ruf, keine Prioritäten zu setzen, sondern um des lieben Friedens einfach alles mitzutragen, was sich der politische Partner in den Kopf gesetzt hat. Und so soll es Autotunnel wie Radwege geben, U-Bahnen wie Tramstrecken, dazu ein großzügiges Wohnungsbauprogramm und viel Geld für marode Schultoiletten. Zusätzlich gilt es auf das enorme Wachstum Münchens zu reagieren. Die Infrastruktur muss schließlich mitwachsen, und dazu gehört auch die Verwaltung.

Aber auch aus dem Rathaus-Bündnis kommt Kritik an der Finanzsituation. Michael Kuffer, Fraktionsvize der CSU, hat den Münchner Haushalt schon vor Wochen als "Sanierungsfall" tituliert. Seine Analyse: Nicht die Investitionen brechen der Stadt das Genick, sondern ein aus der Ude-Zeit stammender Sanierungsstau, den es zusätzlich abzuarbeiten gelte. Um mehr finanziellen Spielraum zu haben, mahnt Kuffer eine forcierte Rückzahlung der noch vorhandenen Schulden an. Denn die dicksten Brocken, vor allem bei den Schulen und im Verkehr, kommen ja erst noch. Allein die Schulbauoffensive werde bald 800 bis 900 Millionen Euro pro Jahr kosten.

Es zeichnet sich bereits ab, welches Thema der nächste Konfliktfall im schwarz-roten Bündnis wird: Soll München neue Schulden machen oder nicht? Die CSU ist strikt dagegen, weil Kredite den Gestaltungsspielraum künftiger Stadtregierungen einschränken. Die SPD sieht das nicht so eng - vor allem mit Blick auf das starke Wachstum. "Schulden sind nicht per se des Teufels", betont SPD-Finanzsprecher Hans Dieter Kaplan. Wenn eine Neuverschuldung notwendig sein sollte, dürfe dies nicht als Bankrotterklärung missgedeutet werden. Die SPD wolle auf jeden Fall an ihrem Investitionskurs festhalten.

Dennoch bemühte sich die SPD-Fraktion am Mittwoch intensiv, nicht in den Ruf des Schuldenmachers zu geraten. Eine Kreditaufnahme sei kein Selbstzweck, so Kaplan - und selbstverständlich sei man auch bereit, die Wunschliste für neue Projekte notfalls zu kürzen. Aber Schulden könnten eben auch Investitionen ermöglichen, ohne die München deutlich schlechter dastünde. "Wenn Ausgaben für die Zukunft unserer Stadt notwendig und wichtig sind, macht es keinen Sinn, sie lange aufzuschieben", findet SPD-Fraktionschef Alexander Reissl.

Die Sozialdemokraten weisen den Vorwurf des Bündnispartners CSU zurück, in der Ära Christian Ude die Instandhaltung städtischer Gebäude vernachlässigt zu haben. Zudem sei München schon zu Zeiten der rot-grünen Koalition "deutscher Investitionsmeister" gewesen. "Die Stadt ist finanziell gesund", beteuert Kaplan. "Alarmismus ist fehl am Platze."

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