Finanzen in den Landkreisen:"Was man sät, kann man ernten"

In manchen Gemeinden können die Kämmerer bei Planungen aus dem Vollen schöpfen, andere dagegen verwalten nur Schulden und leere Kassen

Pausenhof Grundschule Markt Schwaben

In Markt Schwaben müsste die Grundschule saniert werden, doch die Kassen sind leer.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Mangelverwaltung

Die Liste der geplanten Projekte in Markt Schwaben ist lang: Die Grund- und Mittelschule soll heuer saniert werden, am Wertstoffhof sind Baumaßnahmen nötig und in den Hochwasserschutz will man investieren. "Von den geplanten Projekten kann auf Dauer nichts verschoben werden", sagt Kämmererin Martha Biberger. Das Problem ist nur: Die Kassen in Markt Schwaben sind leer, der aktuelle Schuldenstand beläuft sich auf 13,2 Millionen Euro, in diesem Jahr werden weitere Millionen hinzukommen. Deshalb war gar nicht sicher, ob das Landratsamt den Haushalt überhaupt genehmigen würde. Am Ende gab es die Freigabe - unter Auflagen. Doch nun muss die Gemeinde jeden Cent umdrehen, kann sich nur noch den Pflichtaufgaben widmen. Doch so erstrebenswert mehr Geld auch wäre - "es weckt auch Begehrlichkeiten", warnt Biberger. Könnte sie etwas ändern, würde sie beim Finanzausgleich ansetzen und bei der Berechnung der Steuerkraft den Investitionsrückstand der Kommune stärker berücksichtigen.

Wohin mit dem Geld?

"Wir sind schon bei 200 Millionen Euro." Ein lapidarer Satz, gefallen in der Bürgerversammlung in Grünwald in der vergangenen Woche. Gesagt hat ihn Grünwalds Kämmerer Raimund Bader. Wie es denn mit der Gewerbesteuer für den Haushalt 2017 aussehe, wollte der Bürgermeister wissen. 140 Millionen Euro sind eingeplant, wie immer wird es aber deutlich mehr. "Die Gewerbesteuer ist unsere wichtigste Einnahmequelle", sagte der Bürgermeister in der Versammlung. "Seit wir den Hebesatz gesenkt haben, haben sich die Einnahmen verzehnfacht." Raimund Bader, der mit 16 Jahren eine Lehre zum Verwaltungsangestellten in Grünwald gemacht hat, hat daher niemals Finanzprobleme. "Der Sparstrumpf ist immer gut gefüllt", sagt er gerne. Wenn mal ein Projekt teurer wird als erwartet, kann er problemlos was drauflegen. Haus der Begegnung, Gymnasiumserweiterung, archäologische Ausgrabungen, alles bezahlbar. Schulden? Seit Bader 2003 zum Kämmerer wurde, gibt es keine mehr. Er muss nicht sparen, aber sein Umgang mit Geld ist trotzdem sorgsam. "Ich bin in kleinen Verhältnissen in einer Landwirtschaft in Straßlach aufgewachsen", erklärt er. Seine Devise ist deshalb: "Was man sät, kann man ernten." Man kann nur ausgeben, was man hat.

Glatt verdoppelt

Das Germeringer Rathaus ist ein sechsgeschossiger, grauer Betonkasten. Da kämen ein paar goldene Wasserhähne gerade recht. Klar, dass die Kunde vom überraschenden Geldsegen freudig aufgenommen wird. Sie kam aus heiterem Himmel und ist doch drei höchst irdischen Germeringer Firmen zu verdanken, die nach erfolgreichen Jahren nun artig ihre Nachzahlungen leisten und ihre Vorauszahlungen nach oben korrigieren. Die Gewerbesteuer hat sich im Vergleich zum Vorjahr glatt verdoppelt auf 32,5 Millionen Euro. Rückenwind für den Mann, der im Januar zum Finanzchef der Stadt befördert worden ist, in seinen 15 Jahren in der Kämmerei aber bereits reichlich Erfahrung mit der Konsolidierung gesammelt hat? Zieht René Mroncz nun mit dem Füllhorn durch die Straßen? "Schön wär's", sagt Mroncz nüchtern. Warum nicht? Erstens: Das tolle Gewerbesteuerplus ist wohl ein Einmaleffekt. Zweitens: Langfristig steige nun die von der Stadt zu zahlende Gewerbesteuerumlage sowie die Kreisumlage. Und die Schlüsselzuweisungen sinken. Das bedeutet, dass vom Geldsegen unterm Strich nur magere vier Millionen übrig bleiben. Vor allem aber: Allein Ausbau und Sanierung der Wittelsbacherschule kosten 33 Millionen. Und an Kitas fehlt es auch noch. Wie gewonnen, so zerronnen. Wird also nichts mit den goldenen Wasserhähnen.

Es wird nicht mehr mehr

Armes reiches Pöcking: Die reichste Gemeinde im Landkreis Starnberg hat ein Vermögen, das jeden Investmentbanker in Entzücken versetzen würde. Die lukrative Gewerbesteuerquelle aber versiegt allmählich und die Vorsorge für Notzeiten gestaltet sich schwierig. Kämmerer Michael Schmid befürchtet, dass ihm "Negativzinsen bei neuen Geldanlangen" nicht erspart bleiben. Nur bei den langfristigen Anlagen kann er noch eine Weile mit Zinseinnahmen rechnen. Vorerst handelt die Gemeinde wie viele große Investoren und legt ihr Geld in Betongold an. Das Haus der Bürger und Vereine wird aufgestockt mit Wohnungen. Und der gewiefte Planer hat vorgerechnet, dass die Mehrkosten in 80 Jahren durch die Mieteinnahmen wieder hereinkommen. Auch das geplante Gewerbegebiet am Schmalzhof wird vom Vermögen bezahlt. Aber selbst bei großzügigen Planungen bleiben zum Jahresende 2017 immer noch rund 25 Millionen Euro übrig. Und noch etwas macht dem Kämmerer Sorgen. Der Gemeinde drohen Gewerbesteuerrückzahlungen in Millionenhöhe, denn mehrere Unternehmen habe Klage gegen ihre Steuerbescheide erhoben. Zwar trifft es die Gemeinde dank ihres Reichtums nicht so hart, wie befürchtet. Den Kämmerer ärgert aber immens, dass eine Rückerstattung mit gesetzlich vorgeschriebenen sechs Prozent verzinst werden müsste. Das ist weit von dem entfernt, was die Gemeinde für ihre Geldanlagen bekommt.

Gewöhnungseffekt

Die vergangenen Jahre waren schon nicht schlecht, doch 2016 schlug alle bisherigen Rekorde. Die Gewerbesteuereinnahmen von 31 Millionen Euro seien "gigantisch", befand der Erdinger Stadtkämmerer Hermann Held bei einem Zwischenbericht zur Haushalts- und Finanzlage vor drei Wochen. Schon wieder waren es etliche Millionen mehr in der Kasse als erwartet. Die Stadträte nahmen die Nachricht freilich emotionslos zur Kenntnis. Es gibt offenbar auch einen Gewöhnungseffekt bei wiederkehrenden Glücksnachrichten. Auch Kämmerer Held ist, nachdem er sich ein kleines bisschen Euphorie gegönnt hatte, sofort wieder vom Gas gegangen und hat auf die Bremse gedrückt. Dicke Einnahmen seien, auch wenn sie immer wieder kommen, keine Selbstverständlichkeit. Und deshalb forderte Held trotz der so herrlich sprudelnden Einnahmen wie immer strikte Ausgabendisziplin: Der Haushalt müsse von "freiwillige Maßnahmen, die nicht absolut notwendig sein, freigehalten werden".

Nur kein Übermut

"Übermütig sollten wir nicht werden", betont Monika Riedinger, die als Kämmerin seit 2003 den Etat der 7700-Einwohner-Gemeinde Bergkirchen verwaltet. Zwar kann Bergkirchen seit Jahren auf überdurchschnittlich gute Einnahmen vertrauen, aber gerade die Gewerbesteuer "ist ein Wackelkandidat, lässt sich nie korrekt prognostizieren", so Riedinger. Eine unerwartete Entwicklung irgendwo in der Welt - "schon fehlen mehrere 100 000 Euro Gewerbesteuer." Die Kämmerin nimmt diese Unsicherheit sportlich. Wie der Etat 2017 genau aussieht, lässt sich jetzt noch nicht sagen. Die Haushaltsplanung startet ohnehin nicht vor November, die ersten Vorberatungen des Gemeinderats gibt es Anfang des kommenden Jahres. Dann geht es um die zentrale Frage: "Was wollen wir, was davon können wir uns leisten?" Auf jeden Fall müssen Schulden getilgt werden und ganz oben auf der Agenda für Investitionen steht eine Schul-Mensa, die 2,5 Millionen Euro kostet.

Teurer Badespaß

Der Umbau des Erlebnisbads "Trimini" drückt in Kochel am See gewaltig auf den Gemeindesäckel: Der touristisch geprägte Ort nimmt Kredite von drei Millionen Euro auf - damit verdoppelt sich der Schuldenstand zum Vorjahr. Bei der Pro-Kopf-Verschuldung liegt die 4000-Einwohner-Gemeinde damit erheblich über dem Landesdurchschnitt. Auch in die Infrastruktur - Straßenbau und Radwege, Erschließung, Sanierung der Ortskanalisation - muss die Gemeinde viel investieren. Die nach dem "Trimini" größten Ausgaben sind aber die Kreisumlage sowie die Personalkosten. Erst im dritten Entwurf ist es gelungen, für das laufende Jahr ein tragfähiges Finanzierungskonzept zu erarbeiten; ein erster Haushaltsentwurf wies laut Bürgermeister Thomas Holz (CSU) noch eine Unterdeckung von 6,8 Millionen Euro auf. Um die Lücke zu schließen, muss die Gemeinde nicht nur neue Schulden machen, sondern auch die Rücklagen halbieren: Gut 1,5 Millionen werden entnommen.

Entspannung

Es gab zuletzt sicher angenehmere Jobs als den des Moosburger Kämmerers Hans Walther. Ein Kredit von 9,8 Millionen Euro und 2,2 Millionen Euro aus dem Vermögen, um den laufenden Betrieb finanzieren zu können - das waren die Eckdaten 2016. Inzwischen lässt es sich im Moosburger Rathaus aber "schon wieder entspannter arbeiten", sagt Walther, der gerade am Etat für das kommende Jahr arbeitet. Letztlich musste er nur 7,5 Millionen Euro an Krediten aufnehmen und auch die Prognosen für 2017 heben die Laune des Kämmerers. So wird die 18 000-Einwohner-Stadt weniger Kreisumlage zahlen müssen und höhere Schlüsselzuweisungen bekommen. Ob jetzt etwas Luft für größere Projekte wie die Planungen für ein neues Hallenbad bleibt, vermag Walther nicht zu sagen. Die Haushaltsberatungen beginnen ja erst. "Das ist Sache des Stadtrats", sagt er. Ein größerer Posten ist aber bereits fix. Zwei bis drei Millionen fließen im neuen Jahr in den Sozialen Wohnungsbau und den Bau einer Obdachlosenunterkunft.

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