Filmfest München 2011:Von Promis und Prügeln

John Malkovich, Charlotte Rampling oder Jungstar Alexander Fehling: Die Leitung des Münchner Filmfests verrät, wo man welche Stars trifft - und zeigte den Film, der das zweitgrößte deutsche Filmfestival am Freitag eröffnet: ein anrührender Cannes-Gewinner.

Ruth Schneeberger

Der zwölfährige Cyril ist kein Junge, den man auf Anhieb lieb hat: Rothaarig, widerborstig, eher verbissen als niedlich und in keiner Weise zugänglich erscheint das Kind, das da so wieselflink auf seinem Fahrrad durch den Film der Gebrüder Dardenne rast. The Kid with a Bike hat vor einem Monat in Cannes den Grand Prix der Jury gewonnen - und die Münchner können sich nun davon überzeugen, ob zu Recht: Der Film eröffnet am Freitagabend das 29. Münchner Filmfest im Mathäser.

Kid with a Bike

Vorübergehendes Glück: "Der Junge mit dem Fahrrad" eröffnet das Filmfest am Freitagabend in München. Auch Hauptdarsteller Thomas Duret (links, im Bild mit Cécile de France) und die Regie-Brüder Dardenne kommen nach München.

(Foto: Filmfest München)

Am Ende, so viel darf schon verraten werden, muss man den Jungen trotzdem lieben - gerade für seine Widerstandskraft, seine kindlichen Verfehlungen und körperlichen Hilferufe, seine Irrungen und Wirrungen auf der Suche nach Liebe, nach Zugehörigkeit und einer Familie, nach seinem Platz in der Gesellschaft und auf der Welt.

Denn Cyril, so viel wird schon am Anfang klar, wurde von seinem Vater verstoßen - aus Mangel an Liebe, an Zeit, an Geld und an Interesse. Und es ist den vielfach ausgezeichneten belgischen Regie-Brüdern Jean-Pierre und Luc Dardenne zu verdanken, dass sie die 87 folgenden Filmminuten trotz aller Vorwürfe, sie würden sich im immer selben Stil an Vorzeige-Prekariatsgeschichten für wohlgesonnenes bürgerliches Publikum abarbeiten, an keiner Stelle mit Kitsch, dafür mit umsomehr Kraft füllen.

Es ist die Kraft ihres kindlichen Darstellers (Thomas Doret), der da so ungestüm, so scheinbar ungeliebt, voller Trotz und Hilflosigkeit durch den Film wütet - an manchen Stellen verdichtet sich der Eindruck, die Kraft des Lebens selbst sei hier am Werk: Es geht immer voran, immer weiter, wie von einer Naturgewalt getrieben, mal auf der rechten, dann wieder auf der falschen Spur, mal getrieben, mal selbst antreibend, mal geprügelt, mal prügelnd, in jedem Falle unaufhaltbar.

Mit der Entscheidung, den sozialkritischen Film zu zeigen, der so schmerzhaft daherkommt, dass er einigen Kritikern unglaubwürdig holzschnittartig vorkommt, setzt die Festivalleitung, darunter der scheidende Leiter Andreas Ströhl, dem Münchner Publikum ein so schwer verdauliches wie wertvolles Stück vor, auf das sich der Zuschauer einlassen muss: Wenn der Vater dem Jungen unmissverständlich mitteilt, dass er nichts mehr mit ihm zu tun haben will, dann muss auch der Zuschauer erst einmal schlucken, dass es sich dabei um keine Notwendigkeit, aber doch um eine realistische Möglichkeit handelt, dass ein Kind auf dieser Welt ganz alleine dasteht.

Nach der nicht öffentlichen Filmfesteröffnung und Deutschlandpremiere an diesem Freitag wird Der Junge mit dem Fahrrad am Samstag, 25. Juni, um 19.30 Uhr und am Sonntag, 26. Juni, um 23 Uhr, jeweils im Carl-Orff-Saal des Gasteig gezeigt.

Lesen Sie weiter auf Seite 2, wo und wann die Prominenz sich blicken lässt - und welche Parties man nicht verpassen sollte.

Junge und alte Schweden

Für diejenigen, die weniger auf Sozialkritik als auf Prominenz aus aus sind, hat die Festivalleitung am Dienstagmittag einen kleinen Filmfest-Fahrplan verkündet: Wer wissen möchte, wie man in Hollywood "Hunderte von Filmen macht, ohne dabei einen Cent zu verlieren", so der Titel seiner Autobiographie, der kann sich am Samstag, 25. Juni, 20 Uhr, auf eine Podiumsdiskussion mit dem 85-jährigen US-Regisseur Roger Corman im Gasteig einlassen.

Filmfest Muenchen

Nicht nur zur Eröffnung ist das Fahrrad ein Thema: Vom 24. Juni bis 2. Juli sind in München 237 Filme aus 52 Ländern in den Innenstadt-Kinos rund um den Gasteig zu sehen.

(Foto: dapd)

Das diesjährige Promi-Zugpferd John Malkovich wird am Montag, 27. Juni, um 18 Uhr in der Black Box des Gasteig zur Podiusmdiskussion zur Verfügung stehen und anschließend von Veronica Ferres den CineMerit verliehen bekommen.

Kollegin Charlotte Rampling wird am Dienstag, 28. Juni, 17 Uhr, im Filmtheater am Sendlinger Tor mit einer Dokumentation geehrt: Charlotte Rampling - The Look. Die britische Schauspielerin selbst stellt sich am Mittwoch, 29. Juni, in der Black Box im Gasteig den Fragen des Publikums.

Was die deutschen Schauspieler angeht, so haben unter anderen Iris Berben, Hannah Herzsprung, Senta Berger, Suzanne von Borsody, Anna Loos, Alexander Fehling, Stipe Erceg, Ken Duken und August Zirner ihr Kommen angekündigt - die Musiker Konstantin Wecker und Hannes Wader kommen nicht nur zur Premiere ihres Filmes Wader/Wecker - Vater Land, sondern auch, "um ein bisschen Musik zu machen", so Ströhl. Ganz offensichtlich ist das Münchner Filmfest in Glanz und Gloria nicht mit der Berlinale in der Haupstadt zu vergleichen, aber:

Wer mit Filmschaffenden über den künstlerischen Wert ihrer Arbeit debattieren, ein Autogramm ergattern oder einfach nur ein gemeinsames Foto schießen möchte, wird bei ingesamt 237 Filmen aus 52 Ländern, darunter allein 200 deutschen Erstaufführungen, vom 24. Juni bis zum 2. Juli 2011 in München die Gelegenheit dazu haben. Die Filme laufen vom Vormittag bis spät in die Nacht. Das Programm liegt von nun an in den teilnehmenden Kinos und am Gasteig aus.

Damit jedoch bei allem Interesse an Promi-Jagd auf der einen und an Filmen auf der anderen Seite das Feiern nicht zu kurz kommt, betonte Andreas Ströhl, dem von 2012 an Diana Iljine nachfolgt, zum Auftakt seines achten und letzten Münchner Filmfests, dass ihm noch nie ein Länder-Schwerpunkt schon im Vorfeld so viel Spaß bereitet habe: "Die Schweden sind extrem gut drauf".

Weshalb die Abschlussparty am 2. Juli, 20 Uhr, im Gasteig mit schwedischem Folk-Rock der Bands "I'm Kingfisher" und "Hellsingland Underground" begangen wird - und für Sonntag, 26. Juni, 22 Uhr, im zweiten Stock des Gasteig ein bayerisch-schwedisches Schmankerl geplant ist: In der "Schweden-Lounge" wird gezeigt, was passiert, wenn Schweden deutsche Schlager singen. "Das ist etwas, was wir alle in unserer Kindheit nicht hören wollten", verspricht Ströhl einen schaurig-schönen Abend bei freiem Eintritt.

Weitere Infos zu Parties, Promis und dem Filmangebot demnächst auf sueddeutsche.de und unter www.filmfest-muenchen.de.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: