Klaus Lemke muss einen Moment überlegen, was bei dem 75-jährigen Filmemacher eher selten ist. Meistens kommen andere kaum zu Wort in seiner Gegenwart. Was Glamour ist? Pause, Mütze zurechtrücken. "Glamour ist, wenn man hingeht und so tut, als ob man wirklich das ist, was man gerne wäre."
Nach dieser Definition ist die Eröffnung des 34. Münchner Filmfests am Donnerstagabend im Mathäserkino geradezu hochglamourös. Denn was man gerne wäre: das Festival Nummer eins im Land, mit den schillerndsten Gästen, möglichst aus Hollywood, und den tollsten Filmen.
Und wer, wenn nicht die Münchner, können besser so tun, als ob sie etwas wären, was sie nicht sind. "Wir haben diesen herrlichen Münchner Größenwahn", sagt Lemke und zitiert sich selbst: "Diese Stadt ist eben eine Ganztagslüge, aber eine, die sich lohnt." Selten trifft dieser Satz mehr zu als zum Filmfest.
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Einsamer Musiklehrer will das Leben seiner Tochter mit einem Furzkissen verbessern: Maren Ades gefeierte Komödie "Toni Erdmann" zeigt, was dem deutschen Kino fehlt.
Vielleicht war es auch ein wenig Größenwahn, als die Filmfestchefin Diana Iljine zu ihrem Amtsantritt ankündigte, wieder mehr Glamour auf die doch in Glitzersicht eher müde Sommerveranstaltung zu bringen. Fünf Jahre später kann man sagen: So wenig Stargäste gab es noch nie, und so viel Lob für die Filmauswahl auch noch nie.
Dafür steht beispielhaft auch der erste Abend. Ein Eröffnungsfilm mit schleppendem Beginn, in Cannes bei der Weltpremiere sehr gefeiert, und dazu die sehr überschaubare Zahl an über die Stadt hinaus bekannten Gästen auf dem roten Teppich, der sich durch die Ladenzeile des Multiplex-Gebäudes bis zur Rolltreppe zieht.
Dazu erstmals in diesem Jahr ein Moderator, der die zuletzt regelmäßig recht holprigen Grußworte zu einem ansprechenden Ganzen vereinen soll. Mit dem Comedian Harry G als Moderator gibt es auch hier eine wunderbar glamouröse Lösung im Sinne von Lemke: Einer, der so tut, als ob er wirklich lustig und komisch wäre.
Wirklich unterhaltsam ist Maren Ades Komödie "Toni Erdmann" nach dem ruhigen Auftakt. Eine Komödie über die Beziehung eines Vaters zu seiner Tochter, die zu Beginn arg eingerostet ist - die Filmdauer mit fast drei Stunden ist zwar durchaus eine Zumutung, aber eine, die sich lohnt. Etwa wegen Vaters Furzkissen für die feine Business-Frau. Der Unterhaltungsgrad auf der Leinwand ist da doch deutlich höher als auf dem zuvor ausgerollten roten Teppich.
Regisseurin Maren Ade und Hauptdarsteller Sandra Hüller und Peter Simonischek sind kein Vergleich zu George Clooney auf der Berlinale im Januar mit seinem Eröffnungsfilm "Hail Caesar". Da kann Iljine ihren einzigen Stargast, die Oscarpreisträgerin Ellen Burstyn, noch so sehr anpreisen. Hollywood-Gäste sind einfach teuer, zu teuer für das Münchner Filmfest, und Berlin hat das Glück, dass Clooney diese Stadt so liebt.
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Für Filmemacher Lemke ist die Lösung des Problems ganz einfach: "Das Filmfest muss sich seine Stars eben einfach wieder selbst machen." Ein Festival, das regelmäßig filmische Geheimtipps produziert wie etwa "Oh Boy" oder "Love Streaks", könne doch die Berlinale "leicht überholen", sagt Lemke, der seinen neuen Film "Unterwäschelügen" vorstellt, in dem "natürlich gefickt wird".
Der Eröffnungsfilm endet gegen 22 Uhr in einer Nacktparty, die selbst Lemke nicht besser inszenieren könnte, der Eröffnungsabend hingegen ganz gediegen im Ballsaal des Bayerischen Hofes. Da ist von fehlender Prominenz dann nicht mehr die Rede. Denn das ist ja wiederum auch das Schöne an der mediterranen Münchner Hybris: Wenn man sich selbst für den Größten hält, vermisst man richtige Größen auch weniger. München, Stadt des Glamours.