Filmfest-Bilanz:Alles Kino

Welche Eindrücke bleiben vom Filmfest? Eine Komödie in der Lagerhalle, ein bescheidener Regisseur und handliche Brückenteile

An diesem Samstag geht das 34. Münchner Filmfest zu Ende. Es gab Lob und Kritik, Triumphe und Pannen, kleine Begegnungen und rauschende Partys: zehn Festivaltage in sechs kurzen Schlaglichtern.

Dass Kino nicht ausschließlich im Kino stattfinden muss, zeigen die Open-Air-Festivals, die Filmerlebnisse an Seen, auf Plätzen oder anderen ungewöhnlichen Orten ermöglichen. Zwar geht das Filmfest größtenteils in den Lichtspielhäusern über die Bühne, aber eben nicht nur. Ein ungewöhnliches Experiment wagen die Organisatoren mit dem sogenannten "Film. Volk. Fest" am ersten Festivalsamstag. In Zusammenarbeit mit dem Szene-Veranstalter Otger Holleschek laden sie zur Filmnacht mit Party in die ehemaligen Fabrikhallen der Paulaner-Brauerei. Da sitzt man dann auf Bierbänken, fühlt sich, wie man sich eben so fühlt in einem düsteren Großlager, und freut sich auf die Vorführung von Oliver Rihs schriller Midlife-Komödie "Affenkönig". Die Urlaubs-, Sex- und Partybilder von komischen Menschen beim Savoir-vivre in der Provence sind berauschend. Die Akustik ist es nicht. Und so müssen viele der zahlreich erschienenen Gäste die englischen Untertitel lesen, um den deutschsprachigen Film zu verstehen. Aber man ist ja international beim Filmfest. Außerdem gibt es Bier, und zwar kistenweise.

Nico Hofmann, Produzent und Dozent einer Regie-Klasse an der Filmhochschule Ludwigsburg, hat am Montagabend ein großes Lob für die Film-Auswahl des diesjährigen Filmfests zu vergeben: "Mittlerweile wollen viele Filmemacher, die früher noch zu den Festivals nach Toronto oder Montreal gegangen sind, ihre Filme in München zeigen." Das Niveau sei unheimlich gestiegen, "das liest man auch in den Branchenmagazinen wie Variety oder Hollywood-Reporter". Der Zuspruch aus der Branche, die Zahl der Gäste und die mediale Wahrnehmung, "das hat sich alles wunderbar entwickelt".

Die Zeiten, in denen Helmut Dietl mit erfolgsgeilen Filmfuzzis abgerechnet hat ("Ich hab' ein gutes Gefühl!"), sind zwar längst vorbei, an Erfolgsstorys mangelt es trotzdem nicht. Egal, ob in der Käfer-Schänke zur Casting-Nacht oder im Lenbach-Palais beim Shocking Shorts Award: Überall hört man die gleichen Geschichten von "spannenden Projekten" und "tollen Erfolgen". Man könnte fast meinen, die Filmbranche sei eine Insel der Glückseligen. Umso erfrischender, wenn einmal jemand Klartext spricht: Die Filme des US-Regisseurs Todd Solondz ("Wiener Dog") laufen zwar auf der ganzen Welt, angeben will er aber nicht damit: "Ich gehe bei jedem meiner Filme davon aus, dass es mein letzter sein wird", sagt er im Interview. "Ich habe einfach schon das Geld zu vieler Menschen verloren."

Brückenpfeiler oder Silhouette? Das ist am Donnerstagabend die entscheidende Frage. Draußen tobt ein Sommergewitter, drinnen hagelt es Preise: Im Cuvilliés-Theater werden handliche Brückenteile an Burghart Klaußner und Regisseure wie Tobias Lindholm oder Kai Wessel vergeben. Ihre Filme laufen zwar gar nicht auf dem Filmfest, der "Friedenspreis des Deutschen Films - Die Brücke" gehört aber trotzdem dazu. Und sei es nur, weil man hier Menschen trifft, denen man auch an allen anderen Filmfesttagen begegnet. Zur gleichen Zeit wird an der HFF der "Sophie-Opel-Preis" vergeben. Für seinen Autowerbespot bekommt der Student David Helmut einen Scheck sowie eine schicke Skulptur, die der Silhouette der Unternehmensgründerin nachempfunden ist. Zumindest in Sachen Trophäendesign liegt er damit ganz klar vorne.

Das Besondere an Festivals ist ja, dass der Besucher nicht nur Filme sieht, sondern auch deren Macher dazu befragen kann. Bei den Premieren betreten zuweilen so viele Menschen die Bühne, die vorher im Publikum saßen, dass der Saal auf einmal sichtbar leerer wird. Und auch wenn sich die Bereitschaft der Gäste, Fragen zu stellen, bei vielen Veranstaltungen in Grenzen hält, so ist das Interesse am Austausch doch spürbar. Bei "Morris From America" zum Beispiel, einer deutsch-amerikanischen Koproduktion, die im Arri gezeigt wird, ist ein älterer Herr so begeistert von der Art und Weise, wie Heidelberg im Film dargestellt wird, dass er den anwesenden Regisseur Chad Hartigan wortreich mit Lob überschüttet. Und eine junge Frau verabredet sich mit ihm direkt zum Wiedersehen in Los Angeles.

Auch die Reihe "Filmmakers live!" funktioniert nach diesem Schema, nur eben ohne Film. Bei den Gesprächsrunden im Gasteig, die für Besucher kostenlos sind, erklären Regisseure ihre Werke, und auch die Zuhörer haben Gelegenheit für Fragen. In der Regel bekommt das Publikum Hintergrundinformationen zu Filmen, die auf dem Festival laufen. Hin und wieder passiert es jedoch, dass Filmemacher Dampf ablassen, andere geben überraschende Tipps. Oliver Rihs zum Beispiel, Regisseur aus der Schweiz ("Affenkönig"), klagt über die wenigen Probentage, die es bei deutschsprachigen Produktionen gebe. Voller Neid blicke er diesbezüglich auf die US-Kollegen, selbst die aus der Independent-Szene. Sein Kollege Tarek Ehlail ("Volt") verblüfft einen Schauspieler im Publikum, der um Ratschläge für Bewerbungen bittet. Casting sei "Menschen-Tinder", sagt der Regisseur, "ein asozialer Prozess" und "ganz furchtbar". Sein Rat an Schauspieler: Einfach nachts beim Regisseur an der Haustür klingeln und hartnäckig bleiben.

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