Filmcasino am Odeonsplatz:Die Jagd nach dem Juwel

Das Filmcasino am Odeonsplatz steht vor dem Aus. Pacha-Wirt Constantin Wahl will daraus einen gehobenen Gastronomie-Betrieb machen.

Anne Goebel

Die elektronische Ansage am Telefon von Louis Anschütz vermeldet immer noch, der Anrufer habe die Verwaltung des "Filmcasinos" erreicht. Das ist nicht mehr korrekt. Aber verübeln kann ihm das niemand nach so vielen Jahren. Irgendwie stimmt es ja auch noch, ein bisschen jedenfalls. Und wer würde ein Schmuckstück leichten Herzens aus der Hand geben?

Filmcasino am Odeonsplatz, 2005

Zukunft ungewiss: Das Filmcasino am Odeonsplatz.

(Foto: sz.lokales)

Das Filmcasino am Odeonsplatz ist eines der schönsten Kinos in München. Louis Anschütz ist ein passionierter Kinobetreiber, der mit dem legendären Türkendolch, mit Studio Isabella und seit 1998 mit dem Prachtexemplar am Odeonsplatz die Filmtheaterlandschaft der Stadt mitgeprägt hat.

Dass es Anschütz nie richtig gelungen ist, seinem Gespür für gute Unterhaltung einen wirtschaftlich dauerhaft erfolgreichen Rahmen zu verschaffen, das muss man wohl so hinschreiben. Insolvenzverwalter, drohende Schließung, oft gab es keine besonders guten Schlagzeilen über das Filmcasino, wo früher mal Stars zu Gast waren.

Das endgültige Aus drohte zum 31. Mai. Insofern ist es erst einmal eine gute Nachricht, dass der Kinobetrieb weiterläuft, im Moment mit dem Film "Die Eleganz der Madame Michel". Allerdings weiß niemand, wie lange noch. Auch Anschütz nicht, er ist nur noch Berater der neuen Betreiber.

Zuständig für das Programm, aber ohne klare Perspektive. Und im Hintergrund ist ein Kampf im Gange. Kulturfreunde, die das Kino erhalten wollen. Ein Appell des Oberbürgermeisters. Begehrliche Szenarien, was an so einem Standort herauszuholen wäre. Im Mittelpunkt: eine millionenschwere Immobilie in wunderschöner Lage. Eine sehr münchnerische Geschichte also.

Einer der Protagonisten heißt Constantin Wahl, er ist Mitbetreiber des "Pacha"-Clubs und steht mit Geschäftspartnern hinter einer Betreibergesellschaft, die als Mieter auf Anschütz folgt. Seinen Namen liest Wahl gerade nicht so gerne in der Zeitung in Zusammenhang mit dem Filmcasino. Das ist verständlich, nachdem der Boulevard ihn als eine Art Kinokiller skizzierte, der aus dem Filmcasino, Liebling des cinephilen Bildungsbürgertums, einen lärmenden Tanztempel machen wolle.

Dabei, korrigierte Wahl, schwebe ihm eine gehobene Designgastronomie vor. Die Adresse, ein nobles Palais am Odeonsplatz, wäre dafür richtig. Allerdings hat sich gerade ein unschönes Detail aufgetan: Mit Gartenplätzen könnte Wahl seinen Gästen nicht dienen, weil das Freischankareal aufgeteilt ist zwischen Café Tambosi und Schumann's. "Für eine zusätzliche Gastronomie gäbe es keine Plätze mehr", so die Schlösser- und Seenverwaltung. Eine Erweiterung der Freischankfläche sei "auf keinen Fall möglich".

Nachtclubbetreiber als Retter?

Diese Abfuhr wiederum ist möglicherweise der Grund für die kühle Ironie, mit der Charles Schumann die Gefechte um das Casino kommentiert. Er hat sein Lokal, das in unmittelbarer Nachbarschaft liegt, seit dem Umzug aus der Maximilianstraße längst am neuen Platz etabliert und muss nicht mehr an Konzepten feilen. Fürchtet er die Konkurrenz der Pacha-Macher? "Was ist schon eine Konkurrenz für uns?" Würde das ein anderes Publikum auch in seine Bar bringen? "Ich möchte nicht mit Türsteher arbeiten müssen." Punkt.

Wobei, ganz so kalt lässt es ihn dann doch nicht. Sollte nebenan der Plan einer Kombination aus Kino und Speiselokal in die engere Wahl kommen, dann, sagt Schumann, "dann könnte ich mir vorstellen, den gastronomischen Part zu übernehmen". Er dürfte nicht der einzige Szenekenner sein, der vorsorglich die Fühler ausstreckt.

Oder es gelingt am Ende doch, das Filmcasino als reines Kino zu erhalten? Ein Haus mit einer Leinwand ist ein Risikogeschäft in Zeiten von DVD-Konkurrenz und rigoroser Verleihpolitik. Dass aber das Verschwinden des traditionsreichen Theaters ein herber Verlust wäre, bezweifelt niemand. Andreas Rost, im Kulturreferat zuständig für Film, müsste einen neuerlichen Fall von Kinosterben beklagen.

Oberbürgermeister Christian Ude hat einen Brief an den Hausbesitzer geschrieben mit dem Appell, diese "unverwechselbare Kulturstätte" zu erhalten. Immerhin hat Carl Groß, der Eigentümer, lange fast mäzenatisch die stolpernden Finanzen des Kinobetriebs durchgehen lassen. Was den Protest der Münchner Kinogänger betrifft, ist Louis Anschütz allerdings skeptisch geworden. "Gejammert wird immer hinterher, wenn es zu spät ist", sagt er. Er kennt das, vom Türkendolch. Den musste er 2001 dichtmachen.

Aber womöglich findet Constantin Wahl mit seiner Betreibergesellschaft ja Gefallen an dem, was eine Übergangslösung sein sollte: Kinomacher zu sein. Der Nachtclubprofi als Retter eines Lichtspieltheaters. Wäre ein schöner Film.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: