Festwoche:Videos im Beichtstuhl

Eine ungewöhnliche Installation, Historisches auf Schautafeln, Bilder an der Wäscheleine: Die Pfarrkirche St. Anna, eine markante Ortsmarke im Lehel, wird 125 Jahre alt und feiert das eine Woche lang

Von Alfred Dürr, Lehel

Mächtig wie eine Trutzburg erhebt sie sich an einem der attraktivsten Orte Münchens. Die katholische Pfarrkirche St. Anna am St.-Anna-Platz im Lehel, den viele wegen seines geradezu mediterranen Lebensgefühls schätzen, prägt seit nunmehr 125 Jahren einen ganzen Stadtteil. Mit seinen 56 Metern Höhe überragt der Turm die Häuser ringsum. In den Jahren 1887 bis 1892 wurde der markante Sakralbau nach den Plänen des Architekten Gabriel von Seidel errichtet. Für die Gemeinde ist dieser Oktober ein Feiermonat, für den sie zwischen 14. und 23. Oktober ein spezielles Programm ausgearbeitet hat.

Es ist eine gute Gelegenheit für Bürger nicht nur aus dem Viertel, die Kirche aufzusuchen, die als herausragendes Beispiel des Historizismus in München gilt. Im Eingangsbereich stehen die ursprünglichen Modelle des Bauwerks. Auf Schautafeln und in Vitrinen werden historische Dokumente und Fotos gezeigt. Ein paar Schritte weiter gibt es einen Beichtstuhl, der es im wahrsten Sinn des Wortes in sich hat. Wer sich in die Kabine begibt, trifft auf eine Videoinstallation. In verschiedenen Filmsequenzen äußern sich Gemeindemitglieder über das Leben in ihrem Viertel.

Für den Gemeindepfarrer, Pater Hans-Georg Löffler, bietet das eine Möglichkeit, die Menschen im Lehel darzustellen. Aber es geht ihm außerdem um die Architektur und die Gestaltungselemente der Kirche. Studenten des Lehrstuhls für Raumkunst und Lichtgestaltung der Technischen Universität München präsentieren nicht weit von diesem Beichtstuhl entfernt auf Stellwänden ihre Lichtkonzepte. "Es ist eine Einladung, unsere Kirche mit anderen Augen zu sehen", sagt Löffler. Wer gerne schriftliche Unterlagen zu St. Anna haben will, greift zur informativen und gut gestalteten Jubiläumsbroschüre oder dem eigens für Kinder herausgegebenen Kirchenführer. Die 5. und 8. Klassen des St.-Anna- Gymnasiums beteiligen sich mit Bildern und Fotos aus dem Pfarreileben. Ihre Werke werden bunt gemischt auf einer Wäscheleine aufgehängt, die sich zwischen der Kirche, dem Kloster und dem Pfarrheim spannt.

Das Programm der Festwoche startet am Samstag, 14. Oktober, um 19 Uhr in der Kirche mit einer Lesung der Schauspielerin Juliane Köhler. Mit Anekdoten und Geschichten unternimmt sie einen Streifzug durch 125 Jahre. Am darauf folgenden Sonntag führt Professor Thomas Raff um 15 Uhr durch die Kirche. Am Dienstag, 17. Oktober, erkunden von 16 Uhr an Kinder das Gebäude. Pfadfinder organisieren danach für sie ein Fest auf dem Vorplatz.

Auf dem Plan stehen außerdem ein Erzählcafé (Mittwoch, 18. Oktober, 15 Uhr im Pfarrheim), meditativer Tanz (ebenfalls an diesem Mittwoch um 19.30 Uhr im Pfarrheim), ein Kinder-Bibeltag über die Heilige Anna (Donnerstag, 19. Oktober, 16 Uhr im Pfarrheim) und ein Orgelkonzert mit Stefan Moser (ebenfalls am Donnerstag um 20 Uhr in der Pfarrkirche). Für Freitag, 20. Oktober, ist von 19 Uhr an im Pfarrheim ein Hoagartn geplant, dem sich am Samstag, von 19 Uhr an auf dem St.-Anna-Platz ein Dämmerschoppen anschließt.

Architektur Hofgarten Lehel

Die Bürger mussten den Kirchenbau selbst bezahlen: St-Anna ist ein Wahrzeichen des Lehels.

(Foto: Florian Peljak)

Die Festwoche klingt aus mit einem Gottesdienst mit Kardinal Reinhard Marx am Sonntag, 22. Oktober, um 10 Uhr in der Kirche. Am Montag, 23. Oktober, 19.30 Uhr, macht Matthias Weniger in seinem Vortrag im Pfarrsaal die Zuhörer mit Gabriel von Seidl und der kunstgeschichtlichen Bedeutung seiner Architektur vertraut.

Gegenüber der Pfarrkirche St. Anna liegt die Klosterkirche. Diese war ursprünglich die Pfarrkirche des Lehels. Von Mitte des 19. Jahrhunderts an war sie allerdings zu klein geworden. Deshalb entschied man sich für einen Neubau. Im Gegensatz zu anderen Münchner Kirchenbauten des 19. Jahrhunderts, die durch Mäzene oder die Hilfe des Königs ermöglicht wurden, heißt es in der Chronik, sei St. Anna eine Kirche der Pfarrangehörigen, die mit unzähligen Einzelspenden das Geld für den Bau aufbringen mussten. Gabriel von Seidl hatte den Architektenwettbewerb gewonnen. Er orientierte sich mit seinem Projekt am neoromanischen Stil, der sich wiederum an die rheinische Romanik insbesondere der Kaiserdome anlehnte. Am Ende des Zweiten Weltkriegs wurde der Bau zerstört und in den Fünfzigerjahren wieder aufgebaut.

St. Anna und das barocke Franziskanerkloster geben dem Platz einen besonderen Rahmen. Ende der Achtzigerjahre wurde er nach den Plänen von Hermann Pfaff und Klaus J. Schulz umgestaltet - mit weniger Raum für die Autos, mehr Fläche zum Flanieren und für Freiluft-Gastronomie.

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