Festivals:Magisches Dreieck

Festivals: Aus Palästina kommen die Arabic-Dancefloor-Pop-Rapper "47 Soul", zum Theatron-Pfingstfestival in den Olympiapark.

Aus Palästina kommen die Arabic-Dancefloor-Pop-Rapper "47 Soul", zum Theatron-Pfingstfestival in den Olympiapark.

(Foto: Victor Frankowski)

Olympiapark, Gasteig und Glockenbachwerkstatt sind an Pfingsten Spielplätze für den Pop

Von Michael Zirnstein

Glaubt man dem jüngsten Brandbrief der Musikerinitiative Stereokultur, steht es schlecht um den Pop-Corpus München. Daran habe auch der Antrag der CSU zur ganzheitlichen Stärkung des Musikkreislaufs nichts geändert und auch nicht die Beteuerung des Kultur-Chefarztes Hans Georg Küppers: Es geht uns doch blendend. Patient bleibt Patient, finden die Stereokultur-Leute und suchen weiter "Verbündete, die an der selben Krankheit leiden", um gemeinsam "den politischen Kampf anders zu organisieren und weiterzutragen". Das Ansinnen und den Einsatz der Szene-Vertreter und ihr Engagement in allen Ehren - aber am langen Pfingstwochenende zumindest präsentiert sich der Pop-Standort München vor Gesundheit strotzend von seiner besten Seite. Auf gleich drei Festivals wird es etwa 60 Konzerte mit Künstlern von Nah und Fern geben. Da werden die Pop-Freunde ganz schön ins Schwitzen kommen, um vom Gasteig ins Theatron und in die Glockenbachwerkstatt zu gelangen. Auch Bewegung tut gut und viel hilft bekanntlich viel.

Theatron Pfingstfestival

Beim Pfingstfestival im Theatron zeigt die Stadt München wieder, wie vernetzt ihre Pop-Förderung aufgestellt ist: Seit 18 Jahren veranstaltet das Jugendkulturwerk dieses "Umsonst und draußen"-Ereignis auf der Bühne am Olympiasee mit Hilfe der Musiktechnik des Kulturreferats und der städtischen Olympiapark GmbH, nicht nur als Ergänzung zum großen Theatron-Musiksommer, sondern mit eigenem scharfen Profil. Dass "talentierte Newcomer" aus der Independent-Alternative-Elektro-Ecke auf die Bühne kommen, dafür sorgt von Jahr zu Jahr Thomas Lechner von der Agentur Queerbeat, die beste Kontakte zur Szene im In- und Ausland pflegt. So treffen hier von diesem Samstag bis Pfingstmontag Münchner Songwriter-Lieblinge wie Paul Kowol alias Paul, Cornelia Breinbauer alias Tiger Tiger oder Maria Rui auf weitgereiste Aufsteiger wie Hearts Hearts, Cari Cari und Leyya aus Wien, die Berliner Hipster Boiband und Jungstötter, die Decibelles aus Lyon, Afterpartees aus den Niederlanden, Common Holly aus Montreal und die Arabic-Dancefloor-Pop-Rapper 47 Soul (20. Mai). Deren Herkunft wird mit "Palästina" angegeben, ein Statement. Dass "Inhalte und Glamour", Politik und Party beim Pfingsttheatron zusammengehen, darauf hat Thomas Lechner seit jeher ein Auge - auch durch die Auswahl von Künstlern aus der globalen schwul-lesbischen Gemeinde: diesmal etwa der Kanadier Sam Vance Law (20. Mai) mit seiner Kammerpop-Platte "Homotopia", ein "schwules Manifest und musikalisches Wunderwerk". Und der fast schon in München beheimatete New Yorker Hochtöner Scott Matthew (21. Mai), der auf seiner sechsten Platte "Ode To Others" wieder "Leid zu Lied" macht.

Klangfest im Gasteig

Das "Klangfest" am Samstag im Gasteig ist mehr als ein Gratis-Konzert-Festival. Die Regional Gruppe Süd des Verbands unabhängiger Musik-Unternehmen organisiert es zusammen mit dem Kulturreferat bereits zum neunten Mal als Plattform für die geballte "musikkreative Kraft der Metropolregion München". Auf einem Podium diskutieren Teilnehmerinnen unter dem Motto "Frau Macht Musik" über Chancen und Schwierigkeiten von Frauen, die in der Musikbranche Geld verdienen wollen. Im CD-Salon präsentieren unabhängige Musiklabels ihren Alltag und ihre Aufgaben: Vom Sternschnuppe-Kindermusikverlag über die Jazzer von Act bis zum Musikspezialitäten-Anbieter Trikont schicken auf die vier Bühnen ihre Musiker, die nach den Konzerten auch noch Journalisten und Publikum Rede und Antwort stehen. Bei allem Branchen-Geplauder steht freilich für jährlich 13 000 Besucher die Musik im Mittelpunkt, die das breite hiesige Schaffen demonstriert von der Soul-Funk-Band Bittenbinder über den Minimal-Piano-Jazz von Chris Gall und den Songwriter Gampe bis zur Weltmusik von Jodelfisch und dem Blues von Organ Explosion. Dazu gesellen sich Gäste wie Liedermacher und Scharfrichter-Preisträger Jo Strauss, der Reggae-Weltbürger Dactah Chando und Enkhjargal Erkhembayar, die mit ihrem Projekt Enji zu den ersten Absolventinnen der vom Goethe-Institut initiierten und vom Bassisten Martin Zenker geleiteten Ausbildungsstätte für Jazz- und Popularmusik in Ulan Bator in der Mongolei zählt.

Noise Mobility Festival

Von anderen lernen - das kann die Popstadt München auch beim 8. Noise Mobility Festival in der Glockenbachwerkstatt. In einem Vortrag mit anschließender Diskussion kann man hier am Samstag erfahren, ob die Musikszene Kroatiens und ost- sowie südosteuropäische Netzwerke "neue Wege für Musikschaffende" bieten. Asmir Šabić, der in der Glockenbachwerkstatt auch die Horizonte öffnende Reihe "Majmusical Monday" veranstaltet, legt bei seinem Festival wieder Wert darauf, zu zeigen, wie "facettenreich die europäische Subkultur" ist. Drei Tage lang können sich die Besucher an musikalischen Experimenten reiben oder berauschen: von der "Erforschung transkontinentaler und queerer Potenziale der Popmusik" durch die Münchner Performer Eshna-Tron über die italienischen Avantgardisten Sudoku Killer bis zu den kroatischen Jazz-Rockern Franz Kafka Ensemble (19. Mai); von den Münchner Indierockern The Silver Dollars wie von Pariser Noise-Step (BOB Cooper) oder Psycho-Dub aus Österreich (Melt Downer) am Samstag; von den Regensburger Postrockern New Colossus wie von den Rocksymphonien der Montrealer Band Appalachees (21. Mai). Dazu gibt es täglich eine Ausstellung mit Collagen von Iris Springer und den legendären Do-It-Yourself-Flohmarkt, auf dem Münchner Indie-Künstler sich präsentieren, austauschen und Kooperationen schmieden. Auch die Initiative Stereokultur wirbt neue Kampfgenossen an, hier in der Glockenbachwerkstatt, wo sie sich vor einem halben Jahr zum Ziel setzte, die Münchner Popwelt zu bereichern.

Theatron Pfingsfestival, Sa. bis Mo., 19. bis 21. Mai, 16 bis 23 Uhr, Seebühne im Olympiapark; Klangfest, Sa., 19. Mai, 13 bis 24 Uhr, Gasteig; Noise Mobility Festival, 19. bis 21. Mai, täglich von 15 bis 3 Uhr, Glockenbachwerkstatt

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: