Fernwärme in München:Abschied vom "Jahrhundertprojekt"

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Die Stadtwerke München verzichten auf eine Modernisierung. Sie bauen das Fernwärmenetz zwar weiter aus, die alten Dampfleitungen werden aber nicht mehr umgerüstet.

Michael Tibudd

Es sollte ein "Jahrhundertprojekt" für Münchens Infrastruktur werden, jetzt verzögert es sich zumindest um ein weiteres Jahrzehnt: Die Stadtwerke München (SWM) wollen über das Jahr 2011 hinaus vorerst nicht mehr das bestehende Fernwärmenetz umbauen. Bisher bekannten Plänen zufolge sollte im Jahr 2020 das komplette Fernwärmenetz von der veralteten Dampf- auf die moderne Heißwassertechnik umgestellt sein. "Diesen Prozess setzen wir aus", sagte SWM-Technikchef Stephan Schwarz der SZ. Das ist dabei nicht das Ende der Investitionen ins Fernwärmenetz. Statt der Umrüstung des alten Netzes wollen die SWM nun bis 2020 in weiteren Gebieten der Stadt neue Leitungen verlegen. Gedacht ist dabei insbesondere an den entstehenden Stadtteil Freiham und die Verbindung von der Innenstadt dorthin.

Fernwärmebaustellen wird es künftig in der Innenstadt weniger geben. (Foto: Foto: Heddergott)

Was zunächst nach einer willkürlichen Entscheidung klingt, begründen die Stadtwerke mit der Gesetzgebung der früheren Bundesregierung: Im zweiten Gesetz zur Kraft-Wärme-Kopplung aus dem Jahr 2008 formulierte diese den Ausbau der Fernwärme als Ziel - was der Staat mit einer entsprechenden Förderung auch voranbringen will. Bis ins Jahr 2020 können Versorgungsunternehmen deswegen mit einer Unterstützung von bis zu 20 Prozent bei den Investitionen in neue Leitungen rechnen. Für die Umrüstung bestehender Leitungen, wie sie in München seit 2002 betrieben wird, gibt es nichts. "Es gibt keine Not, das restliche Netz unmittelbar umzustellen", sagt Schwarz. Das heißt aber auch, dass die Stadtwerke in weiten Teilen der Innenstadt auf unbestimmte Zeit die Macken der alten Dampfleitungen in Kauf nehmen wollen. In diesen ist der Wärmeverlust größer, außerdem müssen sie öfter und aufwendiger gewartet werden.

"Deutlich mehr als 200 Millionen Euro" wollen die Stadtwerke nun nach Angaben von Schwarz bis 2020 in den Ausbau des Netzes investieren - für den freilich durchgehend die effizienteren Heißwasserleitungen verlegt werden. Der Strategiewechsel habe dabei nicht nur mit der Förderung durch den Bund zu tun. Es habe sich auch ein unerwartet großes Interesse an neuen Leitungen entwickelt. Nicht nur in Freiham, in dem neu entstehenden Stadtteil war ohnehin eine Versorgung mit Fernwärme geplant. Auch entlang der Neubaugebiete an der Bahnlinie habe es eine hohe Nachfrage gegeben, so dass nun sogar eine durchgehende Fernwärmeverbindung zwischen der Innenstadt und dem Freihamer Netz geplant ist. Ursprünglich sollte es in Freiham ein abgetrenntes Inselnetz geben.

Strategiewechsel hin oder her: Bis 2011 sollen noch zwei Gebiete in der Innenstadt umgerüstet werden. 2010 ein Sektor etwa zwischen der Fußgängerzone und der Brienner Straße, im Jahr darauf die nördlich angrenzenden Straßenzüge. "Wir brauchen einen sinnvollen Abschluss", sagt Schwarz dazu - erst mit dieser Umrüstung sind weite Teile westlich einer Achse Ludwigstraße im Norden und Thalkirchener Straße im Süden tatsächlich modernisiert. Östlich davon wird es hingegen unbestimmte Zeit die alten Dampfleitungen geben.

Nicht zuletzt diesen Zustand kritisiert Marian Offman. Der energiepolitische Sprecher der Stadtrats-CSU hält es für falsch, "nur wegen finanzieller Unterstützung vom Bund" weiten Teilen der Innenstadt ein System zu verwehren, das Energie spart. Er vermutet vielmehr, dass die Stadtwerke aufgrund technischer Schwierigkeiten bei der Umrüstung eben davon absehen. Außerdem befürchtet er, die Stadtwerke wollten sich mit dem Ausbau der Fernwärme vor allem ihr Versorgungsmonopol in diesen Gebieten sichern. Denn anders als etwa bei der Belieferung mit Gas gibt es bei der Fernwärme keine Konkurrenz.

© SZ vom 04.11.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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