Fernsehen:Wolfgang Nadvornik steht wieder vor der Kamera

Fernsehen: Zurück im Spiel: Am Wochenende moderiert Wolfgang Nadvornik den Supercup zwischen FC Bayern und Dortmund. Nachdem er seinen Job verloren hatte, gab er Tennisstunden.

Zurück im Spiel: Am Wochenende moderiert Wolfgang Nadvornik den Supercup zwischen FC Bayern und Dortmund. Nachdem er seinen Job verloren hatte, gab er Tennisstunden.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Er war der Kinderstar unter den Sportmoderatoren. Dann verlor er die Bodenhaftung - und seinen Job. Etwas Besseres hätte ihm nicht passieren können.

Von Philipp Crone

Wolfgang Nadvornik sieht nicht nur aus wie ein Tennislehrer mit seinem athletischen Körper und der Bräune vieler Sandplatz-Nachmittage im Gesicht. Er ist auch einer. Und er ist jetzt auch wieder Moderator. So wie bis vor sechs Jahren, bis zu seinen Verkehrsdelikten, einer falschen Schlagzeile in einer Boulevard-Zeitung und einem beispiellosen Absturz.

Nadvornik sitzt in einem Büro im Lehel, gerade war er mitten im Satz über "VW", was nicht die Automarke ist, sondern die Abkürzung von Manfred Vorderwülbecke, seinem Vorbild und Mentor als Moderator und Kommentator beim Fernsehen. Das Telefon klingelt, Nadvorniks 17-jähriger Sohn ist dran. Es geht ein paar Mal hin und her, dann legt Nadvornik auf und setzt den Satz fort. Reden kann er wie kein zweiter. Aber kann er auch moderieren? Das war schon immer die Frage.

Um Nadvornik herum arbeiten in hochpolierten Großraumbüros die Kollegen von Eurosport. Der Sender hat unter dem Dach des Medien-Unternehmens Discovery nicht nur die Olympia-Rechte erworben, sondern überträgt auch 45 Bundesligaspiele in dieser Saison, mit Nadvornik als Moderator.

Einmal Superstar und zurück, das ist die Geschichte des zweifachen Vaters aus dem oberbayerischen Waldkraiburg. Und es ist ein Lehrstück über das Wesen des schillernden Berufs des Moderators. Nadvornik sagt: "Ich bin damals auf den fliegenden Teppich aufgestiegen, geflogen und geschwebt." Und dann abgestürzt.

Wenn Nadvornik in der Discovery-Redaktion sitzt, muss ihn niemand zum Reden bringen. Der Mann könnte sein Leben wahrscheinlich aus dem Stand und ohne eine falsche Formulierung in ein Hörbuch gießen. Diese Geschichte beginnt schon einmal mit einer traurigen Nachricht.

Er weiß genau, was eine bewegende Geschichte ist

Nadvorniks Mutter ist mit ihrem Vater nach dem Krieg aus der Tschechoslowakei nach Altötting geflohen, "die Krügerrand-Münzen in den Rock eingenäht". Nadvornik ist drei Jahre alt, als sich die Eltern trennen. Den Vater sieht er kaum, aber mit seinem ein Jahr älteren Bruder Peter verbindet ihn viel. Die Kinder spielen viel, meistens Tennis, mit 13 verbringen sie die meiste Zeit alleine; die Mutter arbeitet, sie ist Deutschlehrerin wie ihr Ex-Mann. Dann der zweite Verlust: Peter, "mein bester Freund und einziger Halt", kommt aufs Internat. Wolfgang, ein schmächtiger Knabe, ist auf sich gestellt.

Nadvornik hat zu viele Interviews geführt und Menschen nach ihrem Leben gefragt, um nicht genau zu wissen, was eine bewegende Geschichte ist. Und als Fernsehmann kann er Dinge auf den Punkt bringen. "Ich wollte Tennisprofi werden." Der schmale Knabe aus dem Dorf will auffallen. Und weil er gut im Tennis ist, wählt er diesen Sport. "Ich hatte nie eine Trainerstunde", stattdessen sei er mit dem BMX-Rad zum Tennisverein gefahren und habe mit einer schon grauen Filzkugel stundenlang gegen die Tenniswand geschlagen, auch im Winter, nachdem er den Schnee weggeschippt hatte, während nebenan die Wohlhabenden ihre Stunden nahmen. Die wollte der junge Nadvornik auf dem Platz schlagen.

Manfred Vorderwülbecke verschafft ihm die ersten Jobs

1986 sagt er der Mutter, dass er in Kalifornien auf die High-School und zum Tennis gehen würde. Die ist einverstanden, zu der Zeit hat sie bereits einen neuen Lebensgefährten: Manfred Vorderwülbecke, der Nadvornik auch schon bei manchen Hilfsjobs zum Fernsehen mitnimmt. Aber noch will der ja Tennis-Ass werden. Und in den USA wird der Knabe zum Mann. Als er ein Jahr später mit 15 Kilo mehr und 15 Zentimeter größer, langen Haaren wie sein Vorbild Björn Borg, perfektem Englisch und endlich ein paar Bartstoppeln zurückkommt, ist er zum ersten Mal jemand. Er wird zum Schülersprecher gewählt. "Ich wusste nicht, was ich da machen muss, ich wusste nur, dass es wichtig und angesehen ist."

Zwei Jahre später, Nadvornik spielt wieder viel Tennis und verdient sich Geld dazu, indem er bei Vorderwülbecke assistiert, der nächste - der schwerste - Rückschlag. Sein Bruder Peter fährt auf der B 12 bei Hohenlinden mit dem Auto, als ein Lastwagen auf der entgegenkommenden Spur überholt. Peter ist tot. "Die Kerze an der Stelle brennt heute noch, 29 Jahre danach", sagt Wolfgang Nadvornik. Und sein Sohn Mika heißt mit zweitem Namen Peter.

Nadvornik erzählt von sich so routiniert, als würde er ein Regionalligaspiel anmoderieren. Immer der nächste Ball, immer der nächste Satz.

Vorderwülbecke schickt Nadvornik wegen seines guten Englisch zu Interviews, notiert sich die Informationen und schreibt seitenlange Moderationen. Und Nadvornik sagt zu seinem Mentor: "Das kann ich besser. Ich kann es so sagen, wie ich es erzähle." Ob eine Kamera läuft oder nicht. Das ist bis heute so. Nadvornik redet, ob nun Marcell Jansen neben ihm steht oder Per Mertesacker, die er einmal verwechselt hat, was einen erstaunlich großen Schwung Häme nach sich zog. Heute weiß der 47-Jährige: "Beim Fernsehen will jeder deinen Job." Und die meisten würden einem nicht ehrlich sagen, was sie von einem halten.

Damals mit Vorderwülbecke, im Jahr 1991, war er derjenige, der den Job von seinem Mentor wollte. Aber erst einmal ging er zum Geld verdienen auf Promo-Touren für alle möglichen Firmen, arbeitete als Tennislehrer und wurde angesprochen, ob er nicht für ISA-TV in Altötting arbeiten wolle. "Ich habe angefangen, ohne zu wissen, was ich tue." Er absolvierte ein Radio-Volontariat und eine Ausbildung bei der Bayerischen Akademie für Fernsehen, später klopfte Nadvornik beim BR an, seine Bewerbungen wurden abgelehnt, vielleicht auch, weil es private Verknüpfungen mit Vorderwülbecke gab, meint er.

Wie eine Mode, die alle haben wollen

Es kam ein neuer Sportchef, Werner Rabe, der Nadvornik förderte, bis der 2002 im Januar zum ersten mal die Vorzeige-Sendung "Blickpunkt Sport" moderieren durfte. "Ein Riesentalent", sagt Rabe noch heute, "der eine zweite Chance verdient hat." Es ging schnell. Manchmal sind junge Moderatoren wie eine Mode, alle wollen sie haben. Blickpunkt, Sportschau, Tagesthemen, Nadvornik redete und redete. Und merkte nicht, wie er anfing zu schweben.

Als er zum ersten Mal von Fans auf der Straße erkannt wurde, da war plötzlich vieles anders. "Das macht dich verrückt, es löst einen Rausch in dir aus. Frauen interessieren sich für einen, und du willst mehr davon." Vorderwülbecke und Harry Valérien, "das waren Stars", die hätten Narrenfreiheit gehabt. Und Nadvornik war plötzlich auf dem Weg, auch einer zu werden. "Du verlierst den Blick für die Realität, weil dich jeder lobt."

Einmal Traumleben und zurück

Die Leute würden einem Klamotten zum Anziehen vor der Kamera geben, einem ein Auto hinstellen, "und man kommt in einen Kreis, in dem ohnehin fast alle erzählen, wie toll sie sind - bis sie es selbst glauben". Auch Nadvornik glaubte es, bis er seine BR-Kollegen mit Überheblichkeit nervte und mit seinen schlechten Vorbereitungen. Der junge Moderator glaubte, er könne sich alles erlauben, halb naiv, halb größenwahnsinnig.

Es habe gedauert, bis er das erste Mal reflektiert habe, sagt der 47-Jährige heute. Vielleicht bis zum Jahr 2011, als er von der Polizei angehalten wurde, weil er ohne Fahrerlaubnis und mit Handy am Ohr gefahren ist. Er sollte wegen wiederholter Verkehrsdelikte vor Gericht erscheinen, sein Anwalt versäumte es aber, dem Gericht mitzuteilen, dass Nadvornik bei dem angesetzten Termin moderieren müsse. Der Richter sagte, beim nächsten Mal werde er den Moderator von der Polizei abholen lassen, was er aber nicht tat. In einer Boulevard-Zeitung stand am Abend allerdings die Schlagzeile: Haftbefehl für Nadvornik.

Auch wenn Nadvornik später vor Gericht gegen die Zeitung gewann: Der Sender setzte ihn ab. Gerade ging es noch darum, ob er die Bundesliga-Sportschau moderiert, und im nächsten Moment war er arbeitslos. Nadvornik versuchte, woanders unterzukommen, niemand wollte ihn, 2014 gab er zum ersten Mal wieder Tennisstunden.

Was eine Erniedrigung hätte sein können, wurde seine Rettung. Kinder und Jugendliche, die sich mit einem ehrlichen "Hallo Wolfi!" auf ihn freuten, in einer Welt, in der nur der Ball im Feld zählt. In der es Lob nur für den gibt, der gut ist.

Jetzt ist Nadvornik wieder zurück, am Samstag moderierte er den Supercup zwischen Bayern und Dortmund, dann viele der 45 Spiele, die Eurosport überträgt, und dann natürlich Olympia. Seit Längerem ist er in zweiter Ehe verheiratet, seine Frau ist 40, sie wollen noch einmal Kinder. Seine Frau habe ihm in der schweren Zeit sehr geholfen, sagt er.

Es klingt alles wie ein Happy End. Vor lauter Reden ist es aber schwer zu erkennen, ob diese Geschichte von der Läuterung des früheren Starmoderators nun wirklich so ist oder eine gut komponierte eigene Heldensaga.

"Ich könnte jetzt wieder auf den Teppich aufsteigen", sagt Nadvornik. Und: "Ich bin jetzt so, wie ich bin."

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