Feldmoching/Hasenbergl:"Laden zu vermieten"

Die Siedlung am Lerchenauer See hungert aus. Ein Geschäft nach dem anderen hat dicht gemacht, inzwischen gibt es nur noch einen Discounter. Das Problem besteht bereits länger, doch gelöst wird es offenbar nicht

Von Simon Schramm, Feldmoching/Hasenbergl

Vor welchem Problem die Siedlung am Lerchenauer See steht, ist kaum zum übersehen, wenn man sich für einen Nachmittag an den Platz neben der Kapernaumkirche begibt. Der Platz, eine Art Zentrum des Viertels, ist den meisten Münchnern wohl eher unbekannt - sofern sie nicht immer mal wieder im Sommer zum Baden an besagten See gehen. Die Schwierigkeiten der Siedlung aber kennt so mancher Münchner, der nicht in der Innenstadt wohnt. Auf die Frage "Wo befindet sich hier eigentlich ein Supermarkt?" antwortet ein 82-Jährige Rentner: "Da hinten gibt es einen Discounter". Er zeigt dabei Richtung Norden, irgendwo hinter den Lerchenauer See. "Früher gab es hier im Viertel drei Supermärkte", sagt er. Seit 1964 wohne er in der Siedlung. "Das hat alles zugemacht. Der Weg zum Discounter ist für mich kein Problem, oder ich fahre ins OEZ. Aber Bekannte von mir schimpfen schon."

Ein einzelner Discounter ist zu wenig für die in den Sechzigerjahren entstandene Siedlung. Mögliche Standorte für eine neues Geschäft stehen schon zur Verfügung, zum Beispiel eben an jenem Zentrum. Doch dort, hinter den meisten Schaufenstern, ist es dunkel und leer. Vor Jahren gab es dort noch einen Drogeriemarkt, nachdem er geschlossen hat, wollte kein neuer Anbieter einziehen. "Eine Hausaufgabenhilfe sollten sie da reinbauen", ruft eine junge Frau im Vorbeigehen. Eine 66-jährige Bewohnerin schleppt eilig zwei volle Plastiktüten mit sich. "Bei mir geht's noch, der Weg zum Discounter", sagt sie. Aber das, was man eingekauft habe, müsse man dann auch nach Hause tragen. "Für Ältere ist das schwierig, die brauchen dann ja zwei Stunden nach Hause." Sie ergänzt: "Wenn es hier einen Metzger geben würde, das wäre schon schön."

Feldmoching/Hasenbergl: Eher öde: Geschäftiges Leben gibt es weder im Wohngebiet noch im Einkaufszentrum der Siedlung am Lerchenauer See.

Eher öde: Geschäftiges Leben gibt es weder im Wohngebiet noch im Einkaufszentrum der Siedlung am Lerchenauer See.

(Foto: Robert Haas)

Das Problem mit der Nahversorgung plagt die Siedlung schon lange. Zu der Schwierigkeit, an Waren zu kommen, könnte für die Bewohner nun eine zweite dazukommen: Die Waren überhaupt bar zu bezahlen. Denn wie in vielen anderen kleineren Orten in ganz Deutschland soll eine örtliche Bankfiliale verschwinden. Die Hypo-Vereinsbank plant, Mitte April ihre Filiale in der Himmelschlüsselstraße zu schließen. Manche Kunden, die die Filiale noch nutzen, berichten, dass sie darüber bereits per Brief informiert wurden. "Dann muss ich jetzt nach Moosach ausweichen", sagt eine Rentnerin. "Ich bin mobil. Man hat sich daran gewöhnt, dass es hier nichts gibt." Genauso wird eine selbständig arbeitende Anwohnerin aus der Fasanerie verfahren, die in der Siedlung am See aufgewachsen ist. "Die Filiale gibt es schon lange. Ich habe in der Bank eine Lehre gemacht. Es ist schon bescheuert, wenn hier im Viertel Läden leer stehen, die Bank schließt und nichts Neues kommt. In einer kleinen Siedlung wäre das okay, aber hier mit den vielen Wohnblöcken. Das ist schade, vor allem für Ältere."

"Wir haben uns daran gewöhnt", "man arrangiert sich" - diese Sätze fallen oft bei Bewohnern der Siedlung, wenn sie von der fehlenden Versorgung in ihrem Viertel berichten. Sie verweisen auf größere Supermärkte im Umkreis, die für nichtmobile Bewohner allerdings keine Lösung darstellen, auch wenn das Viertel per Nahverkehr gut erreichbar ist. Die Siedlung hungert aus, auch ein einzelner Laden im Wohnviertel steht seit Jahren leer. Am zentralen Platz gibt es zwar Bäcker, Kiosk, Dönerladen, Friseur und weitere einzelne Läden, zudem findet dort regelmäßig ein kleinerer Markt mit speziellem Angebot statt - eine ordentliche Vollversorgung in unmittelbarer Nähe der Wohnsiedlung fehlt dennoch. Von der Schließung der Bankfiliale werden auch Kunden in den Nachbarvierteln der Siedlung betroffen sein.

Feldmoching/Hasenbergl: Beim Friseursalon sieht es lebendig aus, allerdings reicht "Sexy Hair" wohl kaum zum Leben.

Beim Friseursalon sieht es lebendig aus, allerdings reicht "Sexy Hair" wohl kaum zum Leben.

(Foto: Robert Haas)

Wie aber gegen dieses Aushungern vorgehen? Im Fall der Bank hat ein Anwohner den Bezirksausschuss nun gebeten, über Stadtrat und Landtag die Bank zu kontaktieren und zumindest eine Rest-Lösung zu ermöglichen. Zum einen wird die Bank gefragt, ob am ursprünglichen Standort zumindest eine Selbstbedienungs-Zone bleiben kann. Viele Banken gehen dazu über, nur noch solche Zonen mit Automat übrig zu lassen.

Als alternativer Standort für eine SB-Zone wird auch der Bereich der Postfiliale am Ladenzentrum genannt. Dort gibt es einen Automat der Postbank, die Filiale ist aber nach Ladenschluss nicht mehr betretbar. Falls keine der beiden Optionen realisiert wird, müssen die Kunden wohl immer ausweichen. Wer zu später Tageszeit Bargeld benötigt, muss sich dann beispielsweise zu Banken der Cash-Group in den Nachbarvierteln begeben.

Im Fall der mangelnden Nahversorgung ist für die Bewohner der Siedlung wohl immer noch keine Lösung in Sicht. Schon im vergangenen Sommer hatte der Bezirksausschuss das Referat für Arbeit und Wirtschaft gebeten, künftige Mieter der leer stehenden Geschäfte zu unterstützen: Erfolglos, es hatten sich kein Interessenten gefunden. Im Fenster des leeren Ladens in der Siedlung hängt nach wie vor das Angebotsschild: "Ladenfläche zu vermieten!"

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