Feierstunde:Mutige Hilfe für Juden

Lesezeit: 2 min

Yad Vashem ehrt postum drei "Gerechte unter den Völkern"

Von Jakob Wetzel

Es ging gut, immer wieder - dabei forderte Franz Herda sein Glück geradezu heraus. Einmal etwa, am 20. November 1941, kam ein Gestapo-Mann zu einer "Judenwohnung" in München-Bogenhausen. Die Bewohner sollten mit einem Omnibus in ein Lager an der Knorrstraße in Milbertshofen gebracht und von dort nach Kaunas in Litauen deportiert werden. In der Wohnung lebte auch Albertine Gimpel, eine Bekannte Herdas. Sie rief ihren Freund zu Hilfe; und der stellte sich kurzerhand vor den Gestapo-Mann und behauptete, der zuständige Oberregierungsrat habe Gimpel vom Transport ausgeschlossen. Der Auftritt machte Eindruck, Gimpel blieb, der Zug fuhr ohne sie. Fünf Tage später wurden die Deportierten bei Kaunas erschossen.

Herda, von Beruf Kunstmaler, setzte sich auch für andere jüdische Münchner ein, für wie viele genau, ist schwer zu ermitteln. Mal diskutierte er mit der Gestapo, um einen Juden aus dem Konzentrationslager Dachau zu befreien; dann half er, Essen ins Sammellager zu schmuggeln. Und er beherbergte Verfolgte in seinem Atelier an der Gabelsbergerstraße 36 in der Maxvorstadt. Einmal seien sie dort überrascht worden, erinnerte sich später Herdas Schwiegersohn Richard Marx. Zwei Juden hätten sich eilig in Schränken versteckt. Doch es sei nur der Verdunkelungsbeauftragte gewesen. Es dringe Licht aus dem Fenster, sagte dieser - und ging wieder.

Franz Herda ist 1965 gestorben. Am Montagabend hat ihn die Jerusalemer Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in München postum als "Gerechten unter den Völkern" geehrt, ebenso wie seine Tochter Vera Manthey sowie die Bäuerin Sophie Gasteiger aus Tinnerting bei Traunstein. Gasteiger hatte einer Jüdin einige Wochen lang Unterschlupf auf ihrem Hof gewährt und sie später in anderen Verstecken mit Essen versorgt. Manthey hatte mit ihrem Vater Juden geholfen zu überleben. Auch die beiden Frauen sind bereits gestorben; der israelische Gesandte Mordechai Ish-Shalom übergab die Medaillen und Urkunden daher an Angehörige, die zur Feierstunde im Hubert-Burda-Saal der Münchner Kultusgemeinde gekommen waren.

Die drei "Gerechten" würden zeigen, dass es auch damals dem Einzelnen möglich gewesen sei, "Hilfe zu leisten und Gutes zu tun - mit Mut, Willen, Verstand und unverrückbaren Grundüberzeugungen", erklärte Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle. Sie wünsche sich, dass dieses Denken vielen heute zum Vorbild gereiche, sagte Charlotte Knobloch, die Präsidentin der Kultusgemeinde. "Wir haben immer eine Wahl." Und es dürfe keinen Schlussstrich in der Erinnerung geben: Nur die Geschichte könne die heutige Generation für neues Unrecht sensibilisieren, ob es nun im Nahen Osten geschehe oder vor Europas Küsten im Mittelmeer. "Über die Geschichte nachzudenken, bedeutet, über die Zukunft zu entscheiden", sagte Knobloch. "Schauen Sie hin, hören Sie hin, stehen Sie auf, für unsere Werte, für Ihre Zukunft."

Den Titel des "Gerechten unter den Völkern" vergibt Yad Vashem seit mehr als 50 Jahren im Auftrag des Staates Israel und des jüdischen Volkes. Die Kriterien sind streng: Die Geehrten dürfen selbst keine Juden sein und müssen während des Holocaust nachweislich ihr Leben oder ihre Freiheit aufs Spiel gesetzt haben, um Juden zu retten - und zwar ohne dafür eine Gegenleistung zu erwarten, welcher Art auch immer. Die Namen der geehrten Personen stehen auf einer Ehrenmauer im "Garten der Gerechten" in Yad Vashem in Jerusalem. Am 1. Januar 2015 trugen nach Angaben der Gedenkstätte 25 685 Menschen den Ehrentitel eines "Gerechten unter den Völkern". 569 von ihnen waren Deutsche.

Drei weitere sind nun Sophie Gasteiger, Vera Manthey und Franz Herda. Es gibt viele weitere Berichte, wie letzterer verfolgten Juden half, nicht selten brachte er sich dadurch selbst in Gefahr. Dabei hätte er fliehen können: Der Künstler war zwar deutscher Weltkriegsveteran, hatte aber einen US-amerikanischen Pass. Er war 1887 in Brooklyn geboren worden. Mit dem Pass hätte er jederzeit in die USA emigrieren können. 1941 forderten ihn die Behörden gar auf, das Land zu verlassen. Doch Herda blieb. Er wollte helfen.

© SZ vom 28.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: