FC-Bayern-Ausstellung:Auf den Spuren der Spieler

In der "FC Bayern Erlebniswelt" eröffnet im Sommer eine Ausstellung zur Geschichte des Vereins

Von Franziska Gerlach, Schwabing/Freimann

"Kasperlzug", sagt ein Junge im Kapuzenpullover verächtlich. Er meint damit die Parade, die zu Ehren des Hitler-Putsches vor vielen Jahrzehnten durch München marschierte. Die Schüler applaudieren ihrem Klassenkameraden für dieses Rollenspiel. Der Junge spielt hier jemand anderen, und zwar den Fußballspieler Sigmund Haringer, der im Jahr 1932 mit dem FC Bayern München den Deutschen Meistertitel holte. Und offenbar nicht zu kuschen gedachte vor den Nationalsozialisten.

Der hatte Mumm, würde man heute vielleicht sagen. Und wie sich gerade bei der Abschlusspräsentation zeigt, als die Zweierteams die Ergebnisse der Gruppenarbeit präsentieren, ist Haringer nicht der einzige couragierte Spieler der Vereinsgeschichte, den die Schüler der Klasse 9 c an diesem Vormittag in der "FC Bayern Erlebniswelt" kennenlernen, dem Museum des FC Bayern in Fröttmaninger Stadion. Da wäre zum Beispiel Konrad "Conny" Heidkamp, ein früherer Spieler und Trainer, der gegen Ende des Krieges die Pokale des Vereins kurzerhand vergraben hatte, um sie vor den Nationalsozialisten zu retten, die sie gerne zu Waffen und Munition eingeschmolzen hätten.

FC-Bayern-Ausstellung: Auf Tuchfühlung mit der Historie: Die Schau präsentiert Informationen zu berühmten Vereins-Persönlichkeiten, etwa dem früheren Präsidenten Kurt Landauer.

Auf Tuchfühlung mit der Historie: Die Schau präsentiert Informationen zu berühmten Vereins-Persönlichkeiten, etwa dem früheren Präsidenten Kurt Landauer.

(Foto: Stephan Rumpf)

Aber der Reihe nach: Die 9 c ist bereits die zweite neunte Klasse des Ludwigsgymnasiums, welche die neue Führung mit dem Titel "Der FC Bayern und der Nationalsozialismus" testet. Der Verein hat diese in Zusammenarbeit mit dem Museumspädagogischen Zentrum (MPZ) erarbeitet; vom Frühsommer an soll sie angeboten werden. Wobei der Titel fast ein wenig zu kurz greift.

Denn die Gründung des Vereins im Jahr 1900 ist hier genauso Thema wie die Gegenwart. Es geht etwa um den Fanclub "Queerpass", der 2006 von homosexuellen Fans gegründet wurde. Vor allem aber die großen und kleinen Anekdoten der Vereinsgeschichte haben Eingang gefunden in das Programm. Zu erfahren ist zum Beispiel, dass Konrad "Conny" Heidkamp nach dem Bombenangriff sogar aufs Fahrrad gestiegen sei und nachgesehen habe, ob es den Spielern auch allen gut geht.

Das erzählt Fabian Rabe den Schülern, die ein wenig abseits in die Gruppenarbeit vertieften sind. Der 34 Jahre alte Münchner hat die Ausstellung zur Geschichte des FC Bayern in der Erlebniswelt mitkonzipiert. Dem Grundgedanken des Vereins zufolge sei es einerlei, so Rabes Auffassung, woher man komme oder welcher Religion man angehöre. "Es geht um den Sport." Er sagt aber auch ganz klar: "Es ist falsch zu sagen, dass der FC Bayern ein Ort des Widerstandes war."

FC-Bayern-Ausstellung: Die 9 c ist bereits die zweite neunte Klasse des Ludwigsgymnasiums, welche die neue Führung mit dem Titel "Der FC Bayern und der Nationalsozialismus" testet.

Die 9 c ist bereits die zweite neunte Klasse des Ludwigsgymnasiums, welche die neue Führung mit dem Titel "Der FC Bayern und der Nationalsozialismus" testet.

(Foto: Stephan Rumpf)

Für die Führung sind zehn Arbeitsbögen entstanden. Denn die Gymnasiasten sollen sich nicht einfach nur von einem Vortrag berieseln lassen, sondern die Inhalte in der Ausstellung mithilfe von Fotos und Textdokumenten selbst erschließen. "Jede Gruppe erarbeitet ein Mosaiksteinchen", sagt Gabi Rudnicki vom MPZ. "Und am Ende ergibt sich dann idealerweise ein Gesamtbild." Schon seit 2013 kooperiert das MPZ mit dem FC Bayern; für Mittelschüler beinhaltet das Programm bereits Führungen. Sie dürfen den Biografien berühmter Spieler wie Klaus Augenthaler oder Sepp Maier nachspüren. Nur für Gymnasiasten gab es bislang nichts.

Lisa und Alina, beide 14 Jahre alt, sind mit Arbeitsbogen Nummer neun betraut. Die Jugendlichen kommen gut mit den Anforderungen klar. Gerade stehen sie vor einer Glasvitrine und machen sich Notizen. "Man lernt viel besser, wenn man es selbst machen muss", sagt Lisa und Alina nickt dazu. "Bei einer Führung schaltet man nach zehn Minuten ab." Ihre Aufgabe ist es, sich mit dem Julius-Hirsch-Preis zu beschäftigen. Die beiden lösen das souverän und finden heraus: Hirsch war ein Fußballspieler jüdischer Herkunft, 1943 deportiert und in Auschwitz ermordet. Der nach ihm benannte Preis wird für Engagement gegen Rassismus und für Toleranz verliehen; 2014 hat ihn zum Beispiel die Fangruppe "Schickeria" erhalten.

FC-Bayern-Ausstellung: Bei der Ausstellung haben die Teilnehmer einige Aufgaben zu lösen: Die Schüler des Ludwigsgymnasiums dürfen testen.

Bei der Ausstellung haben die Teilnehmer einige Aufgaben zu lösen: Die Schüler des Ludwigsgymnasiums dürfen testen.

(Foto: Stephan Rumpf)

Stimmt alles, im Hintergrund reckt MPZ-Mitarbeiterin Gabi Rudnicki den Daumen in die Höhe. Nur dass sich die "Schickeria" für das Andenken des früheren Vereinspräsidenten Kurt Landauer eingesetzt hatte, lassen die Mädchen unerwähnt. Als die Klasse gefragt wird, wen sie denn kennen vom FC Bayern, fallen natürlich die Namen der üblichen Verdächtigen: Philipp Lahm, Thomas Müller. Aber auch Franz Beckenbauer und Gerd Müller, die großen Spieler der Sechziger- und Siebzigerjahre, sind den Schülern ein Begriff. Dabei ist gerade jener Kurt Landauer der Grund, weshalb ausgerechnet die neunten Klassen des Ludwigsgymnasiums als Probanden eingeladen wurden. Denn dieser drückte dort ebenfalls die Schulbank. Landauer wurde 1938 im Gefolge der reichsweiten Novemberpogrome ins Konzentrationslager Dachau verbracht. Nach seiner Entlassung ging er 1939 ins Exil in die Schweiz. Obwohl die Nazis etliche seiner Familienmitglieder umbrachten, kehrte er nach dem Zweiten Weltkrieg nach München zurück und baute den FC Bayern wieder auf.

Der Ausstellungsmitgestalter Fabian Rabe glaubt: Gerade die Beschäftigung mit den Lebensgeschichten von Menschen wie Haringer, Landauer oder Heidkamp könne auch das Interesse für die deutsche Geschichte bei den Schülern wecken. "Das ist so viel bildlicher", sagt er. "Und vielleicht gehen die Kinder dann nach Hause und können dann daheim etwas erzählen, was eben doch nicht jeder weiß." Die neue Führung stachelt die Wissbegier der Schüler offenbar tatsächlich an. Bei der abschließenden Besprechung meldet sich ein Schüler: Alles in allem sei es sehr interessant gewesen, sagt er. Allerdings hätte er gern mehr Zeit für den Rest der Ausstellung gehabt. Das wird sofort als Verbesserungsvorschlag notiert. Denn dafür ist ein solcher Testlauf ja auch da.

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