Fastenprediger Michael Lerchenberg:Das Orakel vom Nockherberg

Michael Lerchenberg war das Alter Ego des früheren Ministerpräsidenten Edmund Stoiber. Jetzt hat er einen neuen Job auf dem Nockherberg: Als Fastenprediger.

Michael Ruhland

Er ist Schauspieler, Drehbuchautor, Regisseur und seit 2004 Intendant der Luisenburg-Festspiele Wunsiedel. Eine Rolle war ihm auf den Leib geschrieben: Michael Lerchenberg brillierte 23 Jahre lang als Stoibers Alter Ego im Nockherberg-Singspiel.

Fastenprediger Michael Lerchenberg: Michael Lerchenberg ist Fastenprediger auf dem Nockherberg.

Michael Lerchenberg ist Fastenprediger auf dem Nockherberg.

(Foto: Foto: Robert Haas)

Am kommenden Donnerstag schlüpft Lerchenberg beim Salvator-Anstich in die Rolle des Fastenpredigers. Die Rede hat er zusammen mit dem Münchner Kabarettisten Christian Springer alias "Fonsi" gezimmert. Ein Gespräch über das Derblecken.

SZ: Herr Lerchenberg, die bayerische Politik war seit Becksteins Amtsantritt fad wie selten zuvor. Jetzt gerät die Regierung wegen des Landesbank-Desasters erstmals unter Druck. Müssen Sie die Fastenpredigt umschreiben?

Lerchenberg: Es trifft uns nicht ganz unvorbereitet. Wenn alle Geld verlieren, wieso sollte die Bayerische Landesbank ausgerechnet keines verlieren, wo sie doch dauernd bei halbseidenen Spielchen welches verloren hat? Das Thema wird in der Rede natürlich entsprechend vertieft. Es ist gute Nockherberg-Tradition, dass wir bis zum Aufführungstag aktuelle Dinge einarbeiten. Wenn es von einer derartigen politischen Brisanz ist, dann erwartet man das auch von uns.

SZ: Huber hat Ihnen damit gewissermaßen noch ein Geschenk gemacht.

Lerchenberg: Durch diese Zuspitzung ist die Aufmerksamkeit auf den Nockherberg fast nochmal etwas größer. Wir waren aber nicht in der Situation zu sagen: "Mein Gott, jetzt ist es ohne Stoiber in Bayern so langweilig, dass uns gar nichts einfällt."

Letztendlich ist ja das Thema Kreuth in der CSU intern noch gar nicht aufgearbeitet. Der nicht enden wollende Rücktritt von Stoiber bis in den Herbst hinein ist auch noch nicht so lange her. Das ganze Kabinett ist in eine Schreckensstarre gefallen. Die belauern sich alle, keiner kommt aus der Deckung. Wir haben mit Sicherheit keine sehr laute Phase der bayerischen Politik, aber nichtsdestotrotz eine sehr spannende.

SZ: So ein bisschen Sarkozy/Bruni in Bayern wäre doch fürs Predigen toll. Selbst Seehofer hat sich wieder in die Riege der Tugendhaften eingereiht.

Lerchenberg: Ich weiß nicht, ob es so spannend ist zu erzählen, was ein Politiker privat macht und mit wem er es wo und wann treibt. Es sind eher die politischen Themen, die wichtig sind - bloß dass die Antworten auf diese brennenden Themen nicht kommen oder nur sehr zögerlich und wachsweich.

Das Orakel vom Nockherberg

SZ: Es wirkt wie ein Treppenwitz: Während Stoiber die politische Bühne weitgehend räumen musste, stehen Sie als sein langjähriges Double nunmehr zentral im Rampenlicht. Welches Gefühl haben Sie dabei?

Lerchenberg: Schon ein komisches. Für mich war das Kapitel Nockherberg abgeschlossen. Ich sah mich als Gast und Zuhörer. Im ersten Moment bin ich richtig erschrocken. Der Nockherberg steht derart im Fokus, gerade auch die Rede.

Interessanterweise hat mich Stoiber in einem persönlichen Gespräch bestätigt, als ich sagte - die SPD wird das jetzt furchtbar ärgern, aber es nutzt ja nichts -: "Die einzige ernstzunehmende Oppositionsveranstaltung in Bayern ist der Nockherberg." Welcher SPD-Politiker in Bayern hat denn so eine Einschaltquote und Öffentlichkeit wie der Bruder Barnabas?

SZ: Und die Wirkung dürfte auch größer sein als die einer Philippika im Landtag.

Lerchenberg: Wenn man genau hinschaut, sieht man, wie sich Politiker mit einer gewissen Anstandsfrist verändern. Es braucht mir keiner sagen, dass der Nockherberg an ihnen spurlos vorübergeht....

SZ: ...manche gehen so weit zu behaupten, dass, wer auf dem Nockherberg nicht vorkommt, auch keine politische Karriere macht.

Lerchenberg: Der Nockherberg hat, ohne dass er das beabsichtigt, eine orakelhafte Wirkung. Ich habe das ja über Jahrzehnte beobachten können. Ich weiß noch, wie im Spiel die Merkel aufgetaucht ist. Die Autoren entschieden das, obwohl sie damals noch nicht mal CDU-Bundesvorsitzende war. Es gab immer noch einen Herrn Kohl und einen Herrn Schäuble, trotzdem hat man sich für die Merkel entschieden. Und plötzlich war sie die Nummer eins.

Oder die Stoiber-Figur: Als Stoiber vor 24 Jahren in der Staatskanzlei aufgetaucht ist, war er ein kleiner Staatssekretär. Da gab es ganz andere, die eigentlich im Ranking vor ihm waren. Stoiber ist aufgetaucht und kein Tandler, kein Zimmermann, kein Waigel. Vielleicht liegt das Orakelhafte an den Bierdünsten.

SZ: Django Asül hat seine Sache 2007 nicht schlecht gemacht. Dennoch ging er einigen Politikern und wohl auch der Chefetage der Paulaner-Brauerei mit manchen "Schleimspur"-Sticheleien zu weit. Lastet nicht nun ein gehöriger Druck auf Ihnen?

Lerchenberg: Der Druck ist da. Die Erwartungshaltung ist zudem riesig, weil alle sehen wollen, was der Platzhirsch vom Nockherberg in der anderen Funktion daraus macht. Für Christian Springer und mich war aber von vornherein klar, dass wir unser eigenes Ding entwickeln.

SZ: Paulaner will aber den Bruder Barnabas wieder.

Lerchenberg: Die Rückbesinnung auf den Mönch war vordringlich, das stimmt. Es gibt wunderbare barocke Vorbilder der Bußpredigt - der Berühmteste ist Abraham a Santa Clara Ende des 17.Jahrhunderts. Es ist unglaublich, mit welcher Griffigkeit, Drastik und Aggressivität man vor 200, 300 Jahren in den Kirchen gepredigt hat. Darin steckt eine große Kraft, Wucht und Bildhaftigkeit. Wir nehmen diese rhetorische Form noch ernster als unsere Vorgänger.

SZ: Bruno Jonas brillierte in der Rolle des feingeistigen Mönchs, der den Honoratioren behutsam ironisch die Leviten gelesen hat. Wollen Sie ihn neu erfinden?

Lerchenberg: Der Bruno war der erste in der jüngeren Nockherberg-Geschichte, der die Mönchsfigur im theologischen Sinne ernst genommen hat. Er war aber weniger der Volksprediger als der intellektuelle Benediktiner. Bei uns ist die Figur sinnlicher, fleischlicher, derber. Der Mönch poltert auch mal, schimpft.

Das Orakel vom Nockherberg

SZ: Als Schauspieler müsste Ihnen die Mönchsrolle ja liegen. Sie können eine Verwandlung vollziehen.

Lerchenberg: Das ist auch gut so. Kostüm und Maske - das ist ein altes Theaterprinzip - schützen einen. Sie befreien mich, weil ich zu einer Bühnenfigur werde. Es ist also nicht der Lerchenberg am Rednerpult, der seine persönliche Meinung kundtut.

SZ: Der Vorteil einer Predigt ist, dass man hart ins Gericht gehen kann mit seinen Schäfchen, um mit Auferlegung einer kleinen Buße den reuigen Sündern die Absolution zu erteilen.

Lerchenberg: Der Aspekt der Buße ist ein wichtiger Bestandteil - es ist ja nun eine Fastenpredigt. Beckstein hat schon angekündigt, er trinke am Nockherberg nur Wasser als freiwillige Buße. Ich weiß aber nicht, ob das ausreicht. (lacht)

SZ: Was fällt Ihnen noch ein als Buße für Beckstein?

Lerchenberg: Es wäre für ihn wohl eine schreckliche Strafe, wenn er eine kurze Lederhosn und Wadlstrümpf anziehen und damit das Oktoberfest eröffnen müsste. Ich glaube, da würde er sterben.

SZ: Sie kennen Stoiber vielleicht besser als er sich selbst. Bekommt er nochmal sein Fett ab?

Lerchenberg: Er ist ja da. So wie er in Passau vor einem Jahr gesagt hat: "Ich bin nicht weg." Wenn man den politischen Aschermittwoch 2008 rückblickend sieht, kann man fast sagen: "Er ist dader denn je." Ich habe das Gefühl, innerlich zerreißt es den. Andererseits muss man ihm auch hoch anrechnen, dass er sich nicht überall einmischt.

SZ: Gut sitzende Pointen leben auch davon, dass man mit Insiderwissen aufwarten kann. Wie sind Sie vorgegangen?

Lerchenberg: Man beobachtet ungemein genau und sammelt. Man liest mehr denn je Zeitung und schaut sich politische Sendungen an. Wir mussten aber nicht irgendeinen Brauereigeheimdienst bemühen, um an Interna zu kommen. Das ist auch gar nicht so wichtig.

Der Mönch steht in gewisser Weise für Volkes Stimme: "Endlich einmal einer, der's ihnen richtig sagt." Dazu muss ich kein Insiderwissen aus der Staatskanzlei haben. Man muss nur einen wachen Geist haben und am Gefühl der Menschen sein.

SZ: Udes Herausforderer Seppi Schmid versucht, sich gegen den übermächtigen Oberbürgermeister zu profilieren. Dabei tappt er bisweilen in Fettnäpfchen und schießt auch übers Ziel hinaus. Wird er Thema sein?

Lerchenberg: Klar. Die Stadtpolitik ist immer Teil des Nockherbergs. Es ist letztlich ja eine Münchner Veranstaltung. Bei meinem ersten Nockherberg war Wahlkampf mit Kronawitter und Kiesl. Es stand die Stichwahl an, und ich sehe immer noch den Kiesl mit dem bumsroten Kopf unten sitzen, nachdem er in die Stichwahl musste.

Es kam damals die saudumme Ausrede, dass seine politischen Freunde alle beim Skifahren gewesen seien und er deshalb die erste Wahl verloren habe. Das war natürlich ein willkommenes Thema, und die Leute am Nockherberg haben gegrölt.

SZ: Richten Sie sich darauf ein, Dauerprediger zu werden?

Lerchenberg: Im Moment denke ich nicht darüber nach. Man wird sehen, wie es bei Publikum und Brauerei ankommt. Kontinuität wünscht sie sich aber schon.

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