Fasching:Hauptsache, der Gaudiwurm rollt

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Das Faschingswochenende in den Stadtvierteln und im Würmtal ist vielfältig: In Oberföhring und Planegg zeigen sich Spott und Politikverdruss, vom Marien- bis zum Pfanzeltplatz bevorzugen die Narren wärmende Tierkostüme

Von Julian Raff und Rainer Rutz

Angst vor Frost kennt niemand, der ein rechter Narr sein will - das zeigte sich am Wochenende auf dem Marienplatz, bei den Gaudiwurm-Ereignissen in Oberföhring und Planegg, beim vielfachen Faschingstreiben - gleich ob am Laimer Anger oder dem Perlacher Pfanzeltplatz. Während sich Prinzessin Ann-Marie I. und ihr Prinz Michael II. beim Auftritt auf der Bühne des Laimer Angers in ihren dünnen Leibchen vor allem durch die Bewegung warm hielten, machten sich die Zuschauer unter dicken Schichten Kostüme, Tierfell-Outfits, mehreren Lagen Schminke oder eben begeistertem Schunkeln warme Gedanken.

Der Begeisterung tat der kalte Februar keinen Abbruch. Das zeigte sich in Planegg, wo 40 Wagen alles bisher Dagewesene in den Schatten stellten. Die Planegger sind ja mittlerweile in der ganzen Region bekannt - und auch ein bisschen berüchtigt - für ihre alle zwei Jahre stattfindenden Faschingsumzüge. Unzählige Kleindarsteller, etliche Musikgruppen und Tausende Bürger jeden Alters drängelten sich am Sonntagnachmittag in der Bahnhofstraße, als sich der Zug von Krailling im leichten Schneegestöber unüberhörbar näherte: Starnberger, Fürstenfeldbrucker, Oberschleißheimer, Gräfelfinger und Lochhamer, Laimer, Stockdorfer, Kraillinger und natürlich Planegger Attraktionen rollten pausenlos heran, Tausende Bonbons und andere Leckereien prasselten aufs Volk nieder, dass es eine reine Gaudi war. Anfangs wurden eher bundespolitische Themen aufs Korn genommen - "Erdbeeren statt Saubeeren" - ein Seitenhieb auf den Glyphosat-Skandal. Gegen Ende kam doch noch die Kommunalpolitik zu Wort - und das waren die besten Wagen. Gleich dreimal war die Freiwillige Feuerwehr Planegg vertreten, sie schoss mit ihren Ideen den Vogel ab: Ein als Präsident Donald Trump hergerichteter Bürgermeister Heinrich Hofmann (SPD) grinste vom Wagen und gab die Parole aus: "Make Planegg great again". Dass die U-Bahn bis zum Marktplatz fahren wird in ferner Zukunft, war demnach "ein Fake". Die Planegger SPD schlug vor, die U-Bahn zum Bahnhofsplatz "mit der Seilbahn" zu verlängern, "das geht ratzfatz". Manche Motive waren schwer oder gar nicht zu verstehen - egal: Hauptsache, der Gaudiwurm rollte.

Schlag zwölf, zum offiziellen Beginn, blieb der närrische Auflauf auf dem Altperlacher Pfanzeltplatz noch überschaubar, fürs Maskentreiben sorgte der ausrichtende Burschenverein da noch weitgehend selbst. Kein Grund zur Panik für Vorstand Patrick Kirschniok. Die Gaudi war noch jedes Mal im Lauf des Nachmittags in Fahrt - und der Verein letztlich auf seine Kosten gekommen. Zwei Stunden später drängten sich die Perlacher dann tatsächlich dicht auf ihrem hübschen Dorfplatz zu Livemusik, Bier und Bratwurscht, wobei die Maskenpracht und -dichte vielleicht nicht ganz an andere Münchner Hotspots heranreichte. Die Perlacher feiern ihren Fasching doch mehr als winterliches Straßenfest, was jedoch Stimmung und Zulauf wenig Abbruch tat. Gut herumgesprochen hat sich der Termin im südöstlichen Landkreis von Neubiberg bis Brunnthal. Nur die Neuperlacher ziehen nicht so recht, was Kirschniok etwas schade fand. Auf die 3000 Besucher vergangener Zeiten bringt es die Gaudi nicht mehr, ungefähr halb so viele Narrische kommen aber auch, wenn der Lockruf der Berge so laut klingt wie dieses Jahr. Bei der Verkleidung gab es Klassiker wie Hexenhut oder Star-Wars-Outfit, ansonsten wies der Trend klar in Richtung flauschig wärmendes Ganzkörper-Tierkostüm, von Haifischgrau bis Einhornbunt.

Viel Getier, manches sogar mit politischer Botschaft kreuchte und fleuchte auch rund um den Johanneskirchner Gaudiwurm. Der Zug vom Maibaum zum Oberföhringer Bürgerpark machte Bogenhausen-Nord mal wieder zur Faschingshochburg im Münchner Osten, mit Prinzenpaaren, Kamellen- und Bonbonregen, politischen Themenwagen und anderen fast schon rheinischen Attributen. Den animalischen Kostümtrend hatten dabei die "Staffelseer"-Trachtler aufgegriffen: Unter dem Motto "Wir wollen hier nicht weg" protestierten Eulen, Kühe, Schweine, Shaun das Schaf und andere Anwohner des Johanneskirchner und Daglfinger Restgrüns gegen die Bauwut im Münchner Nordosten. Vor der Vertreibung sehen sich auch die Familien der Elterninitiative im alten Oberföhringer Schulhaus, die den Zug nutzten, um lokalen Politverdruss zu äußern. Letzterer herrscht freilich bundesweit dieser Tage, ein missmutiges "Gro-Ko-Dil" durfte also nicht fehlen. Einen eher sinnfreien, doch augenfälligen Tierspaß inszenierten die Oberföhringer Feuerwehrler mit ihren per Miniventilator aufblasbaren Hightech-Pinguinkostümen. Im akustischen Fundus fand sich sogar textlich passendes Liedgut. Den Faschingsschlager "Ich bin ein Pinguin" dürften bis dahin wohl nur Hardcore-Narren gekannt haben.

© SZ vom 12.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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