Fantasy-Serie:Münchner Forscher erklären "Game of Thrones"

Fantasy-Serie: Daenerys Targaryen (Emilia Clarke) mit ihrem Heer auf dem Weg nach Westeros: Noch ist Ser Jorah (Iain Glen, re.) ihr engster Berater.

Daenerys Targaryen (Emilia Clarke) mit ihrem Heer auf dem Weg nach Westeros: Noch ist Ser Jorah (Iain Glen, re.) ihr engster Berater.

(Foto: HBO)

Eine Tagung beleuchtet die Erfolgsserie aus Sicht der Kulturwissenschaft. Sieben gute Gründe, sie zu besuchen, auch wenn man sonst kein Fantasy-Fan ist.

Von Barbara Hordych

Vor Kurzem wurden die bedeutendsten Fernsehpreise der USA, die Emmys, verliehen - und die HBO-Fantasyserie "Game of Thrones" (GoT) nach George R.R. Martins Romanzyklus "A Song of Ice and Fire" (ASoIaF) räumte dabei groß ab: Sie erhielt zwölf der Trophäen, für die beste Drama-Serie, für die Drehbücher von David Benioff und D.B. Weiss sowie für die Regie von David Nutter. An diesem Freitag startet "Winter Is Coming", eine Tagung mit 27 Vorträgen, die das Phänomen ASoIF und GoT aus kulturwissenschaftlichen Perspektiven beleuchten. Organisator ist der Münchner Germanist Markus May, der sechs gute Gründe nennt, warum sich auch Nicht-Fantasy-Fans und Nicht-Wissenschaftler vom 9. bis 11. Oktober auf den Weg zu Schloss Blutenburg machen sollten (Internationale Jugendbibliothek, Eintritt frei).

Die Krise kapieren

Eine so komplexe Alternativwelt wie die von "A Song of Ice and Fire" und der Fernsehserie "Game of Thrones" reflektiert immer auch zeitgenössische Befindlichkeiten. Sie ist die Erzählung einer sich ausweitenden Krisensituation, mit Bezügen zur gegenwärtigen politischen und gesellschaftlichen Situation in Amerika.

Erwartungen vergessen

In den Büchern wie in der Serie wird mit der Brechung von Erwartungen gearbeitet. Eine neue Form des Realismus - nichts ist mehr sicher. Ein gutes Beispiel dafür ist das Schicksal von Ned Stark, dem Oberhaupt einer von sieben verschiedenen Dynastien, die um den "Eisernen Thron" konkurrieren. Er ist die zentrale Hauptfigur im ersten Band von ASoIaF und in der ersten Staffel von GoT - und er wird öffentlich hingerichtet! Das dürfte man sich in keinem Hollywood-Film erlauben, das wäre so, als wenn man Iron Man Robert Downey Jr. ermorden würde.

Machiavelli in Farbe

In puncto Gewalt hat die Realität die Fantasy sogar schon überholt: Bei den öffentlichen Hinrichtungen der ISIS-Terroristen hat das Internet lediglich den Marktplatz als Plattform ersetzt. Solche Handlungen galten und gelten schon immer der Demonstration der Macht. Frei nach Machiavelli: Wenn der Fürst geliebt wird, ist das gut. Wenn er gefürchtet wird, ist es noch besser (Peter Seyferth: Realistische Fantastik: Macht in ASoIaF, Fr., 9. Okt., 15 Uhr).

Shakespeare in Blutrot

Motive wie der Kampf verschiedener Dynastien um die Vorherrschaft eines "vereinigten Königreichs" verweisen auf die englische Geschichte im Zeitalter des "Rosenkriegs", die schon Shakespeare in seinen Königsdramen verarbeitet hat. In diesem Kontext operiert Autor Martin ganz bewusst mit phonetischen Anspielungen: So sind die Namen der rivalisierenden Familien Stark und Lannister deutlich von den Häusern York und Lancaster inspiriert (Stefan Donecker: Power in a king's blood. Genealogie als Schlüsselmotiv in ASoIaF, Fr., 9. Okt., 9.45 Uhr).

Die Macht der Unmoral

Bücher und Serie zeichnen sich durch die Konzentration auf die Psychologie und Motivation der Charaktere aus. Die sich sogar entwickeln dürfen. Womit das naiv-schlichte Schema von Gut und Böse, das so häufig in der Fantasy anzutreffen ist, verweigert wird. Eine Figur wie Jamie Lannister lernen Leser und Zuschauer kennen, als er einen kleinen Jungen der Stark-Familie aus dem Fenster stürzt. Wie böse! Aber er entwickelt und wandelt sich im Laufe der Zeit. Auch eine Figur wie Cersei Lannister, deren Kinder auch noch aus einer inzestuösen Beziehung mit ihrem Bruder Jamie stammen, ist ambivalent: Sie intrigiert und schreckt auch vor Morden nicht zurück, aber wie schon ihr kleinwüchsiger Bruder Tyrion zu ihr sagt: Eines muss man dir lassen - du liebst deine Kinder.

Die Waffen der Frauen

Normalerweise sind sie im eher maskulin dominierten Fantasy-Genre oft Staffage. Bei ASoIaF greifen sie jedoch aktiv ins Geschehen ein, entwickeln sich zu "strong players". So wird beispielsweise die silberblonde Daenerys irgendwo im Osten an eine Art Hunnenkönig, Drogo, "verschachert". Sie scheint also nur eine Schachfigur in der Machtpolitik der anderen zu sein. Doch dann entwickelt sich eine wirkliche Liebesgeschichte zwischen ihr und diesem "Barbaren" (wieder so eine lieb gewonnene Figur, von der man sich plötzlich verabschieden muss). Aber in der Folge beginnt Daenerys, sich ein Heer aus Söldnern zusammenzustellen, um auf ihrem Weg in den Westen, nach Westeros, die Sklaven zu befreien. Durchaus eine Reflexion der amerikanischen Erfahrungen im Irak und in Afghanistan: Sobald sie mit ihrem Heer weitergezogen ist, fallen die "befreiten" Länder in ihre traditionellen Strukturen zurück (Corinna Dörrich: Bilder von Ritterschaft und die Waffen der Frauen, Sa., 10. Okt., 9.45 Uhr).

Der Organisator

LMU-Privatdozent Markus May, der das Programm mit seinen Doktoranden organisiert hat, ist der siebte Grund, die Tagung zu besuchen: Ein leidenschaftlicher Forscher zur Phantastik, den man bei seinem Vortrag "The Gods are blind. And men see only what they wish - Zur Funktion der Mystifikationen und Rätsel in ASoIaF", erleben kann (So., 11. Okt., 9.45 Uhr).

Anmerkung: Markus May hat einen Doktorgrad, ist aber kein Professor. Eine frühere Version des Textes wurde entsprechend korrigiert.

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