Familienunternehmen:Gastro-Imperium Reinbold: Der Vater sagt an - die Söhne auch

Familienunternehmen: "Ich hatte zu meinem Vater noch ein richtiges Vater-Sohn-Verhältnis, heute sind eher Freundschaften zwischen meinen Söhnen und mir - solange es mir passt", sagt Eduard Reinbold mit Ludwig (l.) und Mathias.

"Ich hatte zu meinem Vater noch ein richtiges Vater-Sohn-Verhältnis, heute sind eher Freundschaften zwischen meinen Söhnen und mir - solange es mir passt", sagt Eduard Reinbold mit Ludwig (l.) und Mathias.

(Foto: Stephan Rumpf)

Edi Reinbold gehört zu den wichtigsten Wirten der Stadt. Inzwischen führen seine beiden Söhne die Geschicke der Gaststätten und des Schützenzelts auf der Wiesn - eigentlich.

Von Philipp Crone

Eduard Reinbold kommt nicht einfach dazu, Eduard Reinbold tritt auf. Der 74 Jahre alte Wiesnwirt ist eine gute halbe Stunde zu spät an einem Vormittag Anfang Februar. Seine Söhne Mathias und Ludwig sitzen an einem der Rundtische im Franziskaner an der Oper, sie waren verabredet. Reinbold begrüßt eine Kellnerin und legt ihr den Arm um die Schultern, so kommt er an den Tisch der Söhne.

Den Auftritt, den muss man als Münchner Großgastronom genauso beherrschen wie eine gute Schweinsbratenkruste. In der Hinsicht können die Kinder noch lernen vom Vater. Über einen Unternehmer, der so geschickt führt, dass sogar seine Söhne glauben, sie hätten wirklich schon die Zügel in der Hand. Oder haben sie den Vater doch im Griff?

Mathias und Ludwig sitzen sich gegenüber, sie warten auf den Papa, und da die Büros der beiden in Schwabing und am Max-Joseph-Platz liegen, gibt es viel auszutauschen, wenn sie sich mal sehen. Ludwig, 29, im Anzug, ist der Hotelier. Er führt das Hotel Drei Löwen, das ebenso wie das Regent-Hotel, das Reinbold senior verpachtet hat, zum Familien-Imperium gehört wie das Schützen-Zelt auf dem Oktoberfest und der Franziskaner, den Bruder Mathias führt.

Und jetzt ist auch noch der Löwenbräukeller dazugekommen. Wann der von Wirte-Kollege Schottenhamel übernommen wird? Da können die Söhne später gleich noch eine Lektion im Fach "Umgang mit der Presse" mitnehmen. Doch bis der Vater kommt und die Söhne still werden, geht es am Tisch eher zu wie bei einem Studentenstammtisch als wie im Büro eines Millionen-Unternehmens.

Ludwig sagt: "Ich kann mich noch gut erinnern, dass für uns als Kinder klar war: Alle fahren so wie wir mit der Kutsche auf die Wiesn." Mathias Reinbold sagt: "Mit dem Alter haben wir schnell gemerkt, dass das ein großes Privileg ist, aber auch eine riesige Verantwortung." Der 30-jährige Mathias hat den gleichen Münchner Sprech in der Stimme wie sein Vater, etwas weicher, aber wie bei jedem guten Wirt schwingt bei aller Freundlichkeit immer etwas leicht Drohendes mit, jederzeit hart sein zu können. Es ist nur ein Hauch, aber einer, den Kellner und Kollegen raushören.

Freundlich und drohend zugleich

Mathias Reinbold hat beim Kommen gesehen, dass nicht genug gestreut wurde vor dem Eingang. Er sagt es beiläufig zum Verantwortlichen. Schwierig wird es erst später, wenn der Schichtleiter vom Vater kritisiert wird, vor dessen Chef, dem Sohn.

Aber bislang sind sie ja noch zu zweit. "Unterschiedliche Generationen, unterschiedliche Meinungen", sagt Mathias Reinbold. Vorsichtig genug formuliert. Ludwig sagt mit einem Lachen: "Wenn unser Vater Termineinladungen verschickt, kann man da ja, nein oder vielleicht anklicken." Sie schauen sich an und lachen los. "Dass wir da immer ja klicken, ist klar."

In der Münchner Gesellschaft wird der Senior nur "Edi" genannt, "wir sagen Papa", sagt Mathias und schaut zu Ludwig rüber, der grinst und sagt: "Nein, Herr Vater!"

"Der Vater hat uns alles offen gelassen"

Eduard Reinbold hatte früh im elterlichen Betrieb mitgearbeitet, als er 25 war, starb überraschend sein Vater, er musste übernehmen. Die Wirte-Kollegen meinten, dass er nicht durchhalten würde. Sie irrten sich. Reinbold expandierte, er spionierte auf der ganzen Welt, brachte die Spareribs mit nach München, arbeitete Tag und Nacht, und erzog seine Kinder genauso. Mit 15 und 16 gingen sie auf eine Hotelfachschule nach Innsbruck, um schneller fertig zu sein. Abitur, dann Ausbildung? Abitur und gleichzeitig Ausbildung.

In den Ferien musste jeder Schüler ein zweimonatiges Praktikum absolvieren. Mathias, der ältere, ging zu Alfons Schuhbeck, natürlich vom Vater organisiert. Ein Mitschüler kam mit, sie arbeiteten in der Küche. Der Schüler, der nicht Reinbold hieß, musste die ganze Zeit Würstchen schneiden, Reinbold durfte vorne an der Anreiche mit dem Küchenchef arbeiten. "Klar wurde ich da bevorzugt, aber wir haben es auch anders erlebt", sagt er und schaut zu Ludwig rüber, der sich in seinem Anzug strafft. Ludwig wollte auch so ein gemütliches Praktikum machen, geriet aber an einen Chef, der sich nichts nachsagen lassen wollte und den Bruder ganz besonders hart ran nahm. Er arbeitete von früh bis spät. "Hat aber auch nicht geschadet."

Aschermittwochs-Fischessen im Franzikaner in München, 2017

Ludwig Reinbold (l.), Edi Reinbold und Mathias Reinbold beim traditionellen Fischessen am Aschermittwoch im Lokal "Zum Franziskaner" an der Oper.

(Foto: Stephan Rumpf)

Wollten die beiden nicht vielleicht doch eher Arzt und Anwalt werden? "Der Vater hat uns alles offen gelassen", sagt Mathias. Aber klar ist, "wenn man damit aufwächst, dann wächst man da auch mit rein". Die Brüder gehen sehr rücksichtsvoll miteinander um, fallen sich nicht ein einziges Mal ins Wort. Was vor allem auffällt, wenn später der Vater dabei sitzt, der grundsätzlich spricht, wenn er sprechen will, egal, ob gerade ein anderer redet. So ist das eben in einem Geschäft, in dem die Hierarchie klar ist. Die Söhne sind das Zweierteam, das dem Vater auf eine familiär freundliche Art etwas entgegensetzt.

Auftritt Eduard Reinbold. Und wie dieser Mann eine Zusammenkunft bestimmen und beherrschen kann, ohne dabei unsympathisch zu wirken, ist schon große Gastronomenkunst. Er setzt sich dazu, lobt Mathias für eine nun funktionierende Digitalanzeige der Speisen im Lokal, um dann ganz langsam die kleine Karte mit dem Valentinstag-Angebot in die Hand zu nehmen und ihm klar zu machen, dass der Preis, auch wenn er für zwei ist, nicht gut kommuniziert ist. Wirkt zu teuer.

Die Kinder kennen die Übersetzungen Vater-Deutsch. Wenn der Senior sagt: "Das würde ich so machen", heißt das: Mach es so. "Wir haben die Aufgabengebiete klar verteilt", sagt Ludwig, "sonst gibt es schnell Probleme mit den Mitarbeitern."

Der Senior stellt die Regeln auf

Eduard Reinbold sieht die Handys der Söhne und sagt: "Wer das Handy auf dem Tisch hat, zahlt die Rechnung." Und wer die Regeln aufstellt, ist er. Mini-Lektion für Mathias, den Franziskaner-Chef: "Am Samstag, 100 Leute, Weißwurstfrühstück." Was soll er verlangen? Sie überlegen, überwiegend weibliche Gäste, die trinken eh nicht so viel. Mathias schlägt einen höheren Preis vor, Eduard legt ihn dann niedriger fest. "Großzügigkeit ist alles", sagt er am Ende der kleinen Prüfung.

Das verpachtete Regent-Hotel überlegen die drei demnächst wieder selbst zu führen. Eigentlich denkt nur der Senior darüber nach. Wenn sich Vater und Söhne mal nicht einig sind, wird abgestimmt. "Meine Kinder haben je eine Stimme, ich habe zwei", sagt der Vater. Wenn er nicht will, wird auch nichts verändert. Bei einem Patt bleibt alles, wie es ist. Also so, wie er es früher mal entschieden hat.

Die Söhne haben je eine Stimme, der Vater zwei

Beim Löwenbräukeller spricht der Vater auch meistens von Ich, eher selten von Wir. Aber die Söhne akzeptieren das, weil sie wissen, dass der 74-Jährige noch immer die richtigen Entscheidungen trifft. Etwa die, den Löwenbräukeller zu übernehmen. Am 1. April 2018 wird es so weit sein. Keinen Tag wollen sie zusperren, sagt Eduard Reinbold, aber die vielen leeren Flächen, die es dort derzeit gibt, besser bespielen. "Richtig?", fragt der Vater, "Ja", sagen die Söhne.

Eduard Reinbold sagt: "Ich hatte zu meinem Vater noch ein richtiges Vater-Sohn-Verhältnis, heute sind das eher Freundschaften zwischen meinen Söhnen und mir - solange es mir passt." Er lächelt. Aber er stehe beim Geschäft schon noch oben drüber. "Ein Glück, dass wir uns so gut verstehen."

Der Vater will, dass die Söhne von ihm lernen, er selbst lernt aber auch von ihnen. Er ist auf Facebook, fragt, ob man Blogger einladen solle. Dass Eduard Reinbold früher wochenlang Einladungen verschickte und auf Antwortfaxe mit dem Speisenwunsch der Gäste etwa für das Aschermittwochsfischessen wartete, während Sohn Mathias heute eine Facebook-Einladung raushaut und zwei Stunden später 500 Gäste angemeldet sind, das bewundert der Vater. Aber er würde es nicht so sagen. Und er genießt den Wettstreit mit den Kindern. Noch immer Sieger sein, sogar beim Digitalen, da gewinnt er doppelt. Zum einen den Wettkampf, zum anderen macht es die Kinder besser und sein Geschäft erfolgreicher.

Mathias sei der Theoretiker, sagt Reinbold senior, "am Anfang etwas scheu dem Gast gegenüber". Er schaut dem Schichtleiter böse hinterher, mit dessen Arbeit er an diesem Vormittag nicht zufrieden ist. Dann sagt er noch: "Da ist er ja." Das hört der Angesprochene, Mathias Reinbold allerdings dreht den Kopf nicht, er will nicht eingreifen müssen, um den Kollegen nicht vor dem Team zu tadeln. Dafür steckt er einen kleinen Hierarchie-Hieb ein.

Ludwig war anders als Mathias, der ging gleich auf die Leute zu, sagt Reinbold. "Und als er zu aufmüpfig wurde, habe ich ihn für ein Jahr nach Dubai geschickt." In das Land, in dem Hierarchie so gelebt wird und spürbar ist wie nirgendwo sonst. Harte Hand, strenge Erziehung, noch mit 29 und 30. Aber die Söhne mögen ihren Vater offenbar genau so, wie er ist. Und wenn der Vater dann sein Lächeln aufsetzt, das immer zwischen Freude und Fressen liegt, ein echtes Unternehmerlächeln eben, dann sind sie gerne Untergebene.

Die Söhne nehmen nicht alles hin

Und trotzdem entsteht immer auch der Eindruck, als ob die Söhne den Papa irgendwie doch im Griff hätten. Indem sie mal die wissbegierigen Wirteschüler geben, aber eben auch manchmal mit einem schnellen Spruch zurückschießen und klar machen: An uns kommst du nicht vorbei. Wir nehmen nicht alles hin. Der Vater sagt: "Manchmal sind sie froh, dass ich da bin, und manchmal sind sie froh, wenn ich weg bin."

Wann Reinbold gemerkt habe, dass seine Söhne für sein Geschäft geeignet sind? "In dem Moment, als sie auf die Welt kamen." Ach, so etwas kann doch kein Mensch sofort merken. Mathias und Ludwig Reinbold sehen sich an, dann lachen sie laut und rufen: "Er schon!"

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