Fahrradunfälle in München:"Radwege bringen keine Sicherheit"

Nach den zwei tödlichen Fahrradunfällen fordert ADFC-Experte Hubert Ströhle eine neue Verkehrsplanung. Die Polizei mahnt zur Vorsicht.

Susi Wimmer

Innerhalb einer Woche sind in München zwei Radfahrer von Lastwagen überrollt und getötet worden. Beide waren auf ausgewiesenen Radwegen unterwegs, beiden wurde der "tote Winkel" im Lkw-Spiegel zum Verhängnis. Radwege seien keine dauerhafte Lösung, sagt Hubert Ströhle vom ADFC. "Sie sind für die Radfahrer gefährlicher als die Straße."

Fahrradunfälle in München: Autofahrer übersehen oft Radfahrer, obwohl diese auf markierten Wegen fahren - hier an der Ecke Sonnen-/Herzogspitalstraße.

Autofahrer übersehen oft Radfahrer, obwohl diese auf markierten Wegen fahren - hier an der Ecke Sonnen-/Herzogspitalstraße.

(Foto: Foto: Andreas Heddergott)

Vergangene Woche erfasste ein abbiegender Lkw eine 47-jährige Radlerin an der Offenbachstraße in Pasing, an diesem Mittwoch geriet ein 49-jähriger Münchner in Steinhausen an der Truderinger Straße unter die Räder eines Lastwagens. Beide Lkw-Fahrer hatten die Radler schlichtweg nicht gesehen. "Der Lkw-Fahrer trägt als Abbiegender natürlich die Schuld", sagt Hans-Jürgen Notka, Verkehrschef der Polizei.

"Die Verkehrsplanung ist zu Auto-lastig"

Trotzdem appelliert er an die Vernunft der Radfahrer, doch besser vorausschauend und vorsichtig zu fahren. "Als ungeschützter Verkehrsteilnehmer zieht der Radfahrer den Kürzeren. Hier geht es nicht darum, Recht zu haben, sondern um den Schutz des Lebens." Denn auch mit speziellen Spiegeln - "der Lkw-Fahrer hat mittlerweile schon sechs Stück davon - sei das Problem des "toten Winkels" immer noch nicht aus der Welt. "Hier sind technische Neuerungen gefragt", meint Notka.

1265 Radfahrer waren in den ersten sechs Monaten des Jahres 2008 im Bereich des Polizeipräsidiums München in Unfälle verwickelt - 58,4 Prozent von ihnen schuldhaft. Bis zum gestrigen Tag ließen fünf Radfahrer ihr Leben.

"Fünf zu viel", sagt Hubert Ströhle, stellvertretender Landesgeschäftsführer des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC). Er sieht ein Problem darin, "dass die Verkehrsplanung bei uns einfach zu Auto-lastig ist". Fußgänger und Radfahrer würden da nur am Rande berücksichtigt. Radwege werden laut Ströhle beispielsweise als Manövriermasse angesehen. "Da kann man parken, die Mülltonnen hinstellen oder Hundehalter führen dort ihre Vierbeiner Gassi." Abgesehen davon sieht Ströhle in den Radwegen auch nicht die ideale Lösung. "Mittlerweile weiß man, dass die Radwege nicht das bringen, was man sich erhofft hat: nämlich Sicherheit."

Umsetzen neuer Ideen sei eine Frage des Geldes

Auf den abgetrennten Radwegen kämen die Radler für viele Autofahrer "plötzlich aus dem Nichts". Farbig markierte Radwege auf der Straße, wie beispielsweise am Oberanger, hält Ströhle "für eine gute Geschichte". Da hätten die Radler eine reservierte Fläche und blieben gleichzeitig im Gesichtsfeld der Autofahrer. Das "Trennungsdenken", dass jeder Verkehrsteilnehmer seine separate Spur für sich habe, "das funktioniert in der Stadt nicht", meint Hubert Ströhle. In den Niederlanden oder auch in der Stadt Münster gebe es großflächige Räume, wo langsamer gefahren werden müsse und wo Straßenbahnen, Autos und Radler ein sicheres Miteinander gefunden hätten.

Erwiesen sei aber auch, dass ab einem Fahrradanteil von mehr als 20 Prozent im gesamten Straßenverkehr die Unfallzahlen sinken. "Da ist der Radler Teil des normalen Verkehrs." In München schaffen die Radfahrer gerade einmal zehn Prozent, die Stadt will die Zahl auf 15 Prozent steigern. "Aber da braucht es eine gute Fahrradinfrastruktur, Abstellmöglichkeiten, Imagekampagnen", zählt der ADFC-Mann auf. Die Stadt sei neuen Ideen gegenüber aufgeschlossen, meint Ströhle, aber letztendlich sei alles "eine Frage des Geldes".

In Zeiten steigender Spritpreise wird die Zahl der Radfahrer weiter wachsen. Für die Polizei, wie Notka sagt, gibt es da in den Sommermonaten viel zu tun. "Massenhaft Verstöße" registrieren seine Leute. Hauptsächlich Rotlichtsünder, Radler die in der falschen Richtung unterwegs sind oder durch die Fußgängerzone fahren. Allein von Januar bis Mai 2008 beanstandete die Polizei 1699 Rotlichtverstöße. "Und das Tempo", räumt Radl-Sprecher Hubert Ströhle ein, berge ein immenses Gefahrenpotential. "Viele Radfahrer sind einfach zu schnell."

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