Fahrradtaxis in München:Mit Taferln gegen den Rikscha-Tod

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"Save our Rikschas": Ganz so bedroht, wie der Rettungsring suggeriert, sind die Rikscha-Unternehmen wohl nicht. Doch eng ist es für sie geworden. (Foto: N/A)

Die Fahrrad-Rikschas waren der Stadt am Marienplatz im Weg. Seit dem Wochenende werden sie in einen speziellen Wartebereich gezwängt. Die Rikscha-Unternehmer protestieren, die Busfahrer manövrieren grantelnd vorbei, nur die Touristen bemerken nichts.

Von Tom Soyer

Rikschas sind vor gut 140 Jahren in Japan erfunden worden, weil Europäern die alten japanischen Sänften zu eng waren. Es ist wie ein Treppenwitz der Geschichte, dass das vermeintlich asiatische Transportmittel nun seit 15 Jahren als Fahrrad-Rikscha auch in München Erfolg - aber deshalb nun ein geradezu japanisches Problem hat: Es ist zu eng geworden am Marienplatz.

Seit Samstag dürfen die Münchner Berufsradler ihre Gefährte nicht mehr an der Marienplatz-Furt abstellen und dort auf Kundenfang gehen. Dafür haben sie eine neue Parkschlange direkt neben dem Marienplatz, an den Hugendubel-Arkaden, erhalten - und sind zutiefst unglücklich mit dieser vom Kreisverwaltungsreferat (KVR) verfügten Lösung.

Samstagmittag, vom Alten Peter dringt das Zwölf-Uhr-Läuten herunter in die seltsam mehrfachgenutzte Verkehrsfläche zwischen Rindermarkt und Marienplatz. Direkt vor den Hugendubel-Arkaden markieren dottergelbe Linien jenen neuen Bereich, in dem sich die Rikschas aufstellen dürfen, um Kundschaft zu erwarten. Die meisten Passanten haben dabei die nagelneuen Verkehrszeichen noch nicht bemerkt, die es so in München noch gar nicht und mutmaßlich in Mitteleuropa höchst selten gibt: Halteverbotszeichen mit dem Zusatzschild "ausgenommen Rikschas". Internationales Flair, irgendwie.

Dominic Staat, mit 50 solchen Fahrzeugen und seiner Firma "Pedalhelden" seit 15 Jahren der Platzhirsch in München, ist sauer, dass ihn das KVR vom geschäftsträchtigen Marienplatz dorthin abgedrängt hat. Gemeinsam mit den Brüdern Alexander und Maximilian Zwez vom Rikscha-Konkurrenten "Lederhosen-Express" verteilt er Flyer ans - zögerlich interessierte - Publikum. "Save Our Rikschas" steht darauf, das "O" ist dabei wie ein Rettungsring ausgeführt, und einen solchen hat er sich aus Fahrradschläuchen, rotem und weißem Klebeband noch rasch selbst gebastelt und umgehängt, um seinen Unmut zu demonstrieren. Seine Konkurrenten haben sich ebenfalls das "SOS"-Taferl umgehängt, alle Rikschas wurden damit ausgestattet - viel stummer Protest gegen die KVR-Verfügung.

Zwei bis zehn Rikschas stehen um die Mittagszeit nun ständig in der neuen Parkreihe, die vierköpfige Familie aus Holland findet die Droschken - entgegen den düsteren Prophezeiungen Dominic Staats - dann aber ebenso wie ein arabisches Paar, das einer der Zwez-Brüder mit seiner alm-mäßig dekorierten Rikscha auf eine Hofgarten-Runde mitnimmt. Lorena Franco, Studentin der Sportwissenschaften in München, jobbt in ihren Semesterferien auf einer Rikscha, ist mit ihren Einkünften sehr zufrieden und lässt gerade wieder eine ältere Mutter mit ihrer Tochter zusteigen. Neun Euro pro Person kostet die Sightseeing-Fahrt zum Chinesischen Turm, die sie gerade aushandelt, während ein Polizei-Streifenwagen langsam vorbeirollt. Zwei Beamte blicken etwas ungläubig auf die Rikscha-Schlange, sichtlich überrascht von der neuen KVR-Beschilderung.

Ein beträchtlicher Asphaltstreifen fürs europäisch-japanische Verkehrsmittel

Weniger lustig finden Chauffeure der städtischen Gelenkbusse die Neuerung, weil sie sich den engen Straßenraum zwischen Schuster-Parkhaus-Schlange und Marienplatz nun nicht nur mit Taxis, Radlern und Fußgänger teilen müssen, sondern auch noch links einen beträchtlichen Asphaltstreifen dauerhaft ans europäisch-japanische Verkehrsmittel abtreten müssen. Je nach Gemüt, lächelt der eine Busfahrer milde beim zentimetergenauen Vorbeimanövrieren, andere kommentieren die Neuregelung mit anschwellender Zornesfalte. Man hört sie förmlich granteln: Hat's jetzt des aa no braucht?

Das KVR meint: ja. Weil die Nord-Süd-Furt am Marienplatz wegen der Bauarbeiten im Marienplatz-Untergeschoss noch bis 2015 immer wieder verlegt werden muss und die Rikschas dort nun störten. Die Rikscha-Unternehmer hätten lieber zwei kleine Haltezonen direkt auf dem Marienplatz behalten, bauen derzeit über ein paar Radlhauptstadt-Politiker Druck auf und grummeln. Max Zwez resümiert so: "Wir sind ein absolut ernst zu nehmendes Gewerbe, wir sind Markenbotschafter für die Stadt - und werden behandelt wie die Hütchenspieler!" Seit Samstag allerdings mit Exklusiv-Verkehrszeichen.

© SZ vom 12.08.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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