Fahrradstraßen in München:Vorfahrt für Radler

Radfahren in München, Fahrradstraßen

Vor gut zehn Jahren wurde die erste Fahrradstraße in München in Betrieb genommen - in Zukunft soll deren Zahl deutlich ansteigen.

(Foto: DPA/DPAWEB)

Radler haben auf immer mehr Straßen in München Vorfahrt: In den kommenden Wochen soll sich die Zahl der sogenannten Fahrradstraßen verdoppeln. Die Clemensstraße in Schwabing soll der längste Radweg der Stadt werden - Autos sind hier nur noch geduldet.

Von Dominik Hutter

Aus 22 mach 47: Die Zahl der Fahrradstraßen soll sich in den kommenden Wochen mehr als verdoppeln. Den Anfang der neuen Schilderoffensive macht die Clemensstraße in Schwabing, mit 1,6 Kilometer Länge zugleich die längste Fahrradstraße der Stadt - oder sogar "mindestens Deutschlands", wie Kreisverwaltungsreferent Wilfried Blume-Beyerle schwärmt. In den Fahrradstraßen sind Autofahrer nur noch geduldet. Aus Behördensicht ist die Clemensstraße seit Donnerstag ein Radweg, den die Autos ausnahmsweise mitnutzen dürfen.

In der Praxis bedeutet das: Radfahrer haben Vorrang und dürfen ganz legal das tun, was den Autofahrern normalerweise gehörig auf die Nerven geht - nebeneinander herfahren. Das gilt auch für größere Gruppen und bei Zuckeltempo, der restliche Verkehr muss seine Geschwindigkeit entsprechend anpassen.

Ohnehin darf in einer Fahrradstraße maximal mit Tempo 30 gefahren werden (was freilich in der Clemensstraße auch vorher schon der Fall war). Damit jeder gleich mitbekommt, was sich geändert hat, hat das Baureferat auf jede einzelne Kreuzung Fahrradstraßen-Piktogramme gepinselt. Eines bedeutet die neue Radler-Freiheit allerdings nicht: Vorfahrt. An sämtlichen Querstraßen gelten die üblichen Regelungen, also überwiegend rechts vor links.

Und weil Blume-Beyerle überzeugt ist, dass bisher nur die wenigsten Verkehrsteilnehmer mit dem Begriff Fahrradstraße etwas anfangen können, hat das Kreisverwaltungsreferat parallel eine Informationskampagne gestartet. Dafür wurde eine neue Broschüre erstellt, die an die betroffenen Anwohner verteilt wird, aber auch in der Stadtinformation im Rathaus oder bei Infoständen der "Radlhauptstadt" erhältlich ist.

Radfahren soll attraktiver werden

Der Clemensstraße folgen peu-à-peu 25 weitere Umwidmungen: die Ehrengutstraße im Dreimühlenviertel ist darunter, die Veterinärstraße an der Uni sowie die Preysingstraße in Haidhausen, die Gollierstraße im Westend sowie die Theresienhöhe. Oftmals werden nur Teile eines Straßenzugs zur Fahrradstraße erklärt. Sind erst einmal alle Schilder verschraubt, wird "München dem Anspruch Radlhauptstadt wieder ein Stück mehr gerecht", erklärt Blume-Beyerle. Denn dann gibt es keine andere deutsche Stadt mehr, die mehr Fahrradstraßen aufweist als München.

Die große Umwidmungsaktion dient dem Zweck, das Radfahren attraktiver und sicherer zu machen. München werde angesichts des enormen Zuzugs seine Verkehrsprobleme nur bewältigen, wenn der jetzige MVV- und Radlanteil am Verkehrsgeschehen zumindest gehalten werden kann. "Schon das ist eine Herausforderung", betont Blume-Beyerle, der gleichwohl hofft, dass in absehbarer Zeit zumindest ein Fünftel aller Wege per Fahrrad zurückgelegt wird. Derzeit liegt der Anteil bei etwa 17 Prozent.

Für Walter Klein, den Vorsitzenden des Westschwabinger Bezirksauschusses, spielen auch noch andere Aspekte eine Rolle: Lebensqualität etwa oder Entschleunigung im innerstädtischen Raum. Da könnten Fahrradstraßen einen wichtigen Beitrag leisten. Die Bezirksausschüsse spielen bei der Ausweisung von Fahrradstraßen eine wichtige Rolle - sie reichen die Vorschläge beim Kreisverwaltungsreferat ein. Die Behörde siebt dann aus: Hauptstraßen sind von vornherein tabu, und auch eine Buslinie oder Kopfsteinpflaster gelten als Ausschlusskriterien.

In der Pro-Velo-Politik der Stadt bilden die Fahrradstraßen nur ein kleines Rädchen, sie gelten als einfach zu realisieren und effektiv. Weitere Bausteine sind die Öffnung von Einbahnstraßen und die Aufhebung der Benutzungspflicht an diversen Stellen des Radwegenetzes. Derzeit dürfen Radler in 295 der 700 Einbahnstraßen gegen die Fahrtrichtung strampeln, die Zielmarke liegt bei etwa 350. Noch längst nicht abgeschlossen ist auch der Bau von Radwegen und -streifen. Wichtigster Kandidat in diesem Jahr ist die Kapuzinerstraße. Derzeit gibt es in München rund 750 Kilometer Radwege und -streifen.

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