Fachkräftemangel:Alle Hebel in Bewegung setzen

Pflegekräfte Mangel: Krankenschwester in Münchner Kinderklinik

Auch in den Münchner Kliniken, wie hier im Haunerschen Kinderspital an der Lindwurmstraße, fehlen Pflegekräfte.

(Foto: Catherina Hess)

Der Berufsverband fordert verlässlichere Arbeitszeiten und mehr Geld, um ehemalige Pflegekräfte zur Rückkehr in den Job zu bewegen

Von Sven Loerzer

Zuerst sah es so aus, als ob der Mangel an Pflegekräften vor allem die Altenheime trifft. Doch inzwischen hat der Notstand auch die Krankenhäuser erfasst und gefährdet sogar die angemessene Versorgung medizinischer Notfälle in den Kinderkliniken. "Wir weisen seit vielen Jahren auf den sich zuspitzenden Pflegemangel gerade in Ballungsräumen hin", sagt Marliese Biederbeck, Geschäftsführerin des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe (DBfK) Südost. Fast alle Kliniken seien gleichermaßen betroffen. "Die Pflegenden wurden lange Zeit als Kostenfaktor gesehen, jetzt haben wir die Quittung. Der jahrelange Stellenabbau, um Gewinne zu steigern, habe zur Ausdünnung und damit zur chronischen Überlastung von Pflegefachkräften geführt. "Es zeigt sich jetzt, dass diese Politik kurzsichtig ist, denn ohne professionelle Pflege können die Häuser zusperren." Der Arbeitsmarkt sei leergefegt. Im März waren bei der Bundesagentur für Arbeit für München 214 offene Stellen, aber nur 61 arbeitslose Krankenpflegefachkräfte gemeldet. Bei der Altenpflege waren es 113 Fachkraftstellen und 34 Arbeitslose. Viele Stellen bleiben nicht selten ein halbes Jahr oder noch länger unbesetzt.

Um schnell für Linderung zu sorgen, sollten Rückkehrerprogramme aufgelegt werden, fordert Biederbeck. In einem ersten Schritt könnten Pflegefachkräfte, die in andere Berufe geflüchtet sind oder nur noch Teilzeit arbeiten, gezielt angesprochen werden. "Einrichtungen müssen jetzt alle Hebel in Bewegung setzen und Pflegende zur Rückkehr bewegen", sagt Biederbeck. "Das ist aus unserer Sicht die einzige Strategie, an der man wirkungsvoll ansetzen kann."

Es könne nicht sein, dass aus einer Klasse von 30 Auszubildenden nach 20 Jahren nur noch zwei in der Pflege verblieben sind. Die DBfK-Geschäftsführerin ist überzeugt davon, dass viele bereit wären, in die Pflege zurückzukehren, "wenn die Arbeitsbedingungen stimmen". Man müsse auch Frauen nach der Familienphase wieder für die Pflege gewinnen. Wenn aber nur noch Löcher zu stopfen sind und keine Zeit mehr für individuelle Betreuung bleibe, "dann treibt das viele aus dem Beruf". Verlässliche Dienstpläne und ausreichend Personal in den Häusern seien jedoch nicht alles. Das Gehalt sei im Vergleich zu der großen Verantwortung und Belastung insgesamt zu gering. "Pflegende müssen so viel Geld verdienen, dass sie sich das Leben in München leisten können", fordert Biederbeck. Es bräuchte mehr Personalwohnungen, nicht nur für Singles, sondern auch für Familien. "Wer Wohnraum, Kinderbetreuungsmöglichkeiten oder eine gute Work-Life-Balance garantieren kann, hat einen klaren Wettbewerbsvorteil."

Sowohl das Städtische Klinikum München als auch das Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität werben wegen des Notstands auch Fachpersonal aus dem Ausland an. Das Städtische Klinikum erwartet in diesem Jahr 70 neue Mitarbeiter von den Philippinen, aus Italien und Spanien. Letztlich aber würden Pflegefachkräfte, die im Ausland angeworben wurden, München oft wieder verlassen, warnt Geschäftsführerin Biederbeck. "Wenn die Bedingungen nicht stimmen, ziehen sie in attraktivere Länder wie Dänemark oder die Schweiz weiter", wo die Bezahlung besser sei. Langfristig müsse der Pflegeberuf in Deutschland aufgewertet werden, um ihn attraktiver zu machen. Im europäischen Ausland sieht das meist anders aus: Dort handelt es sich um eine akademische Ausbildung, daraus ergibt sich eine andere Verantwortung und auch ein anderes Ansehen.

Angesichts der prekären Situation in der Pflege widmet sich der Berufsverband an diesem Dienstag mit einem Kongress in Nürnberg zum Tag der Pflegenden am 12. Mai der Frage: "Wege aus der Pflegekrise - wie kann das gelingen?" Im Anschluss an die Referate von Experten können die 200 Teilnehmer diese Frage im Hinblick auf die Landtagswahl mit Politikern diskutieren.

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