Facebook-Gruppe:Groß in München

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Vier Zentimeter fehlen Marian Lüdecke zur Zwei-Meter-Marke, das macht es nicht leichter, passende Hemden und Hosen zu finden. (Foto: Stephan Rumpf)

Wo bekomme ich Schuhe in Größe 50? Wie lerne ich große Frauen kennen? Marian Lüdecke kennt alle Probleme, die lang gewachsene Menschen haben. Er misst fast zwei Meter und hat eine Facebook-Community gegründet, die fast 900 Mitglieder zählt - trotz strenger Kriterien.

Von Martin Mühlfenzl

Ganz gleich, wo Marian Lüdecke mit seinem Stammtisch in der Öffentlichkeit auftaucht, ziehen er und seine Bekannte die Blicke auf sich. Nicht selten weichen die Leute in der Menge zurück. Und dann kommen in der Regel die Fragen: "Von welchem Basketballverein seid ihr? Oder: Seid ihr ein Volleyballklub?", sagt Lüdecke. "Aber an solche Sprüche sind wir alle gewöhnt."

Lüdecke und seine Bekannten und Freunde sind freilich keine Exzentriker, die Großveranstaltungen wie das Oktoberfest oder die Auer Dult zur bühnenreifen Inszenierung nutzen wollen. Sie sind nur eines: ziemlich groß. Vor allem aus der Sicht des Durchschnittsdeutschen. Der Mikrozensus 2009 des Bundesamtes für Statistik weist für erwachsene Männer im Alter von 35 Jahren und jünger eine durchschnittliche Körpergröße von 1,80 Meter aus - bei den Frauen liegt diese bei 1,68. "Da befinden wir uns doch deutlich drüber", sagt Marian Lüdecke und lacht. "Deshalb haben wir uns zu einer Gruppe zusammengefunden."

Einer Gruppe, die es in kürzester Zeit auf nahezu 900 Mitglieder gebracht hat. "Groß in München", nennt sich die von Lüdecke ins Leben gerufene Facebook-Community. Und groß bedeutet wirklich groß: Die Aufnahmekriterien setzen bei Männern ein Längenmaß von 1,90 Meter voraus, bei den Frauen sind es 180 Zentimeter.

Ein weiteres Kriterium ist das Alter: Lüdecke hat für die Gruppe eine Beschränkung eingeführt. Die Mitglieder dürfen nicht älter als 35 Jahre sein. Aus gutem Grund, sagt der aus München stammende Gründer und Administrator der rasant wachsenden Seite: "Es gibt schon andere Möglichkeiten für große Menschen, sich zusammen zu schließen. Aber das sind Angebote, die sich speziell an ältere Leute richten, oder wo halt meistens eher ältere aktiv sind."

Das Internetforum "grosseleute.de" etwa gehört zu den Diskussionsseiten, die sich schon länger mit den Problemen, Fragen und Anregungen von Großen beschäftigen. Lüdecke wollte speziell ein Angebot für jüngere, groß gewachsene Menschen schaffen. Er selbst ist auch erst 23 Jahre alt. "Genau das war der Beweggrund für mich. Ich habe viel mit Bekannten, die auch sehr groß sind, gesprochen. Und etliche meinten, es gibt kein Forum für Jüngere." Lüdecke ist 1,96 Meter groß.

Nach zwei Monaten bereits 400 Mitglieder

Seit Mitte Juli existiert die Seite, nach nur zwei Monaten hatte sie bereits 400 Mitglieder. An diesem Montag waren es 867, aber die Gruppe wächst täglich. Sie hat auch bereits einen Ableger: Lüdecke hat nach dem für ihn überraschenden Erfolg in München "Groß in Nürnberg" gegründet.

Das Gros der Mitglieder kommt aber aus der Landeshauptstadt; Mundpropaganda und die Informationsflüsse auf Facebook durch das intensive "Liken" - denn Werbung macht die Seite nicht - sorgen aber dafür, dass auch viele Große aus dem Umland und dem Voralpenland der Gruppe beitreten. Lüdecke hat Facebook ganz bewusst als Plattform gewählt. Es ist das Kommunikationstool seiner Generation, nirgendwo sonst vernetzen sich junge Menschen derart intensiv wie in diesem Social Network.

Lüdecke war von Anfang an klar, dass er keinen Verein gründen wollte, der vielleicht auch noch Geld kostet, sagt Lüdecke. "Es ist ja auch eine Zeitfrage. Für die Mitglieder und für mich." Der Münchner arbeitet bei einer Reederei, die von Bayern aus Frachträume auf Schiffen vermietet. Ein Job, der mit viel zeitlichem Aufwand verbunden ist. "Ich komme eigentlich nur am Abend oder am Wochenende dazu, die Bewerbungen zu bearbeiten oder die Seite zu aktualisieren", sagt er.

Die Mitglieder danken es dem Administrator mit regen Diskussionen auf der Seite. Sie tauschen sich dabei über ganz alltägliche Dinge und Gegebenheiten aus, die groß gewachsenen Menschen den Alltag erschweren können. Das sind Fragen wie: Wo bekomme ich als Mann Schuhe der Größe 50 her? Wo gibt es schicke Frauenschuhe in Größe 44? Welches Geschäft verkauft Hemden, die auch einem Mann mit einer Körperlänge von mehr als 200 Zentimetern passen?

"Das sind die Grundprobleme, die auch ich ab und zu habe. Obwohl ich nicht in der obersten Liga mitspiele", sagt Lüdecke. Das bislang größte Mitglied der Gruppe misst 2,08 Meter und könnte rein körperlich mit jedem Spieler eines Basketballbundesligisten mithalten. Sein weibliches Pendant bringt es immerhin auf 1,92 Meter.

Das Positive an der Gruppe "Groß in München" ist, dass sie dem Status einer reinen Online-Plattform längst entwachsen ist. Die Großen verstecken sich nicht im stillen Kämmerlein vor ihren Laptops, sondern haben die Gruppe mit Leben im sogenannten Reallife gefüllt. Jeweils am zweiten Tag eines jeden Monats treffen sich die Mitglieder zu ihrem Stammtisch - meist in der Münchner Bar "35 Millimeter" - wobei die Wahl der Location eher auf ihre zentrale Lage, denn wegen des Namens getroffen wurde.

Mittlerweile finden sich dort meist mehr als 50 Mitglieder ein. "Wir sind kein reines Diskussionsforum, sondern verstehen uns als echte Freizeitgruppe, in der die Mitglieder gerne etwas miteinander unternehmen", sagt Lüdecke. Und wo man gerne Zeit miteinander verbringt, wird auch unweigerlich miteinander geflirtet. "Das ist doch cool. Ich kenne jetzt schon drei Pärchen, die sich bei unseren Events gefunden haben. Und wenn es noch mehr werden - umso besser."

Denn natürlich gibt es neben den ganz banalen Problemen - wie zu niedrige Türrahmen und zu beengte Flugzeugsitze - auch soziale Komponenten, die groß gewachsene Menschen vor besondere Herausforderungen stellen. "Für eine Frau mit 1,90 ist es sehr viel schwerer, jemand passenden kennen zu lernen. Das ist einfach so", sagt Lüdecke. "Und auch bei meiner Körpergröße ist die Auswahl etwas überschaubarer. Er selbst hat seine Freundin aber bereits vor der Gründung der Gruppe getroffen.

Sie wachsen immer weiter

Neben dem regelmäßigen Stammtisch organisiert Lüdecke auch Bergwanderungen, Bowlingabende, zusätzliche Treffen in Bars oder Kneipen und einen Ausflug aufs Oktoberfest. Der Bedarf ist scheinbar vorhanden - ebenso wie die Bereitschaft, immer wieder daran teilzunehmen. "Ich muss mich selbst aber gar nicht so sehr einmischen. Es ist in der Gruppe eine gewisse Dynamik entstanden. Die Leute kommunizieren viel und organisieren sich auch selbst", sagt Lüdecke.

Ausbauen will er den Status der Gruppe auch deshalb nicht. Facebook sei der perfekte Tummelplatz für Menschen, die gemeinsame Interessen haben, sich schnell über Aktivitäten informieren oder verabreden wollen. "Wenn wir das formeller machen, geht diese Lockerheit verloren", meint Lüdecke. Deshalb auch die Altersbegrenzung: "Ich glaube, dass 35 Jahre der richtige Schnitt ist. Darunter findet sich die perfekte Mischung." Doch was kommt später, wenn Mitglieder die Altersgrenze durchbrechen? "Vielleicht gründen wir dann eine Gruppe mit dem Zusatz Ü 35", sagt Lüdecke. Aber das sei schon sehr weit gedacht.

Schließlich stehen die Großen erst am Anfang. Und so komisch es klingen mag: Sie wachsen immer weiter.

© SZ vom 29.10.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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