Explodierende Immobilienpreise:Von Fantasiepreisen und irrwitziger Dynamik

Der Immobilienmarkt läuft nicht nur in München heiß, viele sehen die Schuld dafür bei den Maklern. Vier von ihnen erzählen, wer ihrer Meinung nach die Preise wirklich treibt.

Von Michael Tibudd

Am Münchner Immobilienmarkt spielen sich aberwitzige Szenen ab. Praktisch jeder, der schon einmal eine Wohnung gesucht hat, ob zur Miete oder zum Kaufen, kann wilde Geschichten erzählen: Von absurden Preisen, unverschämten Maklern und hartem Konkurrenzkampf mit anderen Interessenten. Aber auch die viel gescholtenen Makler schütteln mitunter den Kopf über die Vorgänge. Vier von ihnen haben der SZ Geschichten aus ihrem Alltag erzählt.

Günther Gültling und Neurieder Preise

Explodierende Immobilienpreise: Günther Gültling aus Neuried

Günther Gültling aus Neuried

Baujahr 1974, 130 Quadratmeter Wohnfläche, ein Mini-Garten - allzu besondere Vorzüge hat jenes Haus in Neuried südwestlich vom Münchner Stadtrand nicht, das Günther Gültling zuletzt vermarkten sollte - zumal es kaum saniert war, Heizung und Dämmung befanden sich im ursprünglichen Zustand. Als Kenner der Gegend stellte Gültling dem Eigentümer 380.000 Euro in Aussicht, vielleicht 420.000, "wegen der verrückten Marktsituation". Den Auftrag bekam dann aber ein anderer Makler, der 500.000 Euro in Aussicht gestellt hatte, "wir mussten uns sogar Betrug vorwerfen lassen", sagt Gültling.

Er erfuhr vom Käufer noch, dass er nun nicht unter 600.000 Euro verkaufen wolle, es gebe in München gerade so viele Interessenten, die alles kauften. Acht Monate später, hat Gültling erfahren, ist das Haus immer noch nicht verkauft. "Der Eigentümer wartet nun aufs nächste Jahr, da würden die Preise noch weiter steigen." Gültlings Fazit: "Viele Verkäufer lassen sich von dem Boom blenden und glauben, Fantasiepreise abrufen zu können."

Martin Schäfer und Münchner Gesetze

Einen Käufer hat die Vier-Zimmer-Altbauwohnung in der Nähe des Romanplatzes irgendwann gefunden. Es ging um ein renovierungsbedürftiges Objekt mit 160 Quadratmetern, für das die Eigentümer zunächst sogar bescheidene Vorstellungen hatten: "Die Erbengemeinschaft schlug 600.000 Euro vor", sagt Schäfer. Seiner Einschätzung nach waren 700.000 Euro realistisch. "Nach zwei bis drei Wochen hatten wir Interessenten, die bereit waren, sogar 720.000 Euro plus Nebenkosten zu zahlen", sagt Schäfer. "Da wollten die Erben plötzlich 740.000 Euro."

Explodierende Immobilienpreise: Martin Schäfer

Martin Schäfer

Weitere Interessenten folgten, und es ging bald in 10.000er-Schritten nach oben. Bei 800.000 Euro stieg Schäfer als Vermittler aus, "eine Absicht der Verkäufer, wirklich zu verkaufen, war nicht mehr erkennbar". Dennoch - die Bereitschaft von Interessenten, wirklich viel Geld zu bezahlen, überraschte alle Beteiligten. Die Episode spielte sich schon Anfang 2010 ab. "Zu dem Zeitpunkt habe ich erkannt, dass der Immobilienmarkt in München seinen eigenen Gesetzen folgt."

Stefan Gruber und die D-Mark

Explodierende Immobilienpreise: Stefan Gruber aus Obermenzing

Stefan Gruber aus Obermenzing

Irgendwann in diesem Jahr war der Punkt erreicht: "Was so eine Wohnung früher in D-Mark wert war, bekommt man heute in Euro", sagt Stefan Gruber. Er kann das an einem sanierten Altbau in Neuhausen beobachten, in dem ihm mehrere Wohnungen selbst gehören. "1999 habe ich da Wohnungen für 5200 Mark pro Quadratmeter verkauft, jetzt gehen die sogar schon für 6000 Euro weg", sagt er. Altbau mit Parkettböden lösten bei vielen Emotionen aus, für die sie auch das nötige Geld auf den Tisch legten: "Wenn es gefällt, dann zahlen die Leute."

Das ist gut für ihn - und für genügend Leute offenbar kein Problem. "In den Familien wird eben viel umgeschichtet", sagt Gruber - warum für eine Mini-Rendite Geld bei der Bank anlegen, wenn man auch dafür im Altbau wohnen kann. So sehr teurer Wohnraum als Problem beklagt wird, viele können ihn sich leisten. "Das Geld ist da, besonders bei jungen Erben."

Thomas Blasig und der anonyme Markt

Percha Makler Blasig

Thomas Blasig aus Percha bei Starnberg

(Foto: Georgine Treybal)

"Wenn Sie ein ruhiges Wochenende haben möchten, dann nehmen Sie das Angebot" - auf diese Ansage, so meint Thomas Blasig, Makler aus Starnberg, hätte er tatsächlich eingehen sollen bei diesem Inserat, das er an einem Freitagnachmittag aufgab. Für das in München Maxhof gelegene Objekt kann auch er eine Geschichte von einem Markt mit irrwitziger Dynamik erzählen. 100 Anfragen binnen 24 Stunden, Anrufe bis Samstag, 23 Uhr, zehn schriftliche Kaufangebote nach den ersten Besichtigungen und schließlich einen Familienvater, der sie alle einfach so überbot, "als Erbe musste er den Kaufpreis nicht finanzieren", sagt Blasig.

Die Erkenntnis des Starnberger Maklers: Der anonyme "böse Markt", der vermeintlich die Preise in die Höhe treibe, besteht aus ganz gewöhnlichen Menschen, die beim Verkauf ihrer Immobilie das große Geld wittern - und anderen, die auch bereit sind, dafür hohe Preise zu zahlen.

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