Existenzgründer:Stadt der Ideen

Trotz rückläufiger Zahlen bleibt München eine Gründer-Hochburg - auch wegen der guten Infrastruktur

Von Günther Knoll

Ein Online-Handel mit allem, was Babys und Kleinkinder brauchen, eine App für Fitnessübungen und entsprechende Ernährung oder eine, mit der sich Heizung und Klimaanlage zu Hause steuern lässt: Ideen muss man halt haben. Und die hat die Münchner Gründerszene reichlich, wie viele erfolgreiche Start-ups wie etwa Freeletics, Windeln.de oder Tado beweisen. Doch offenbar ist es in der Stadt nicht mehr ganz so attraktiv, mit eigenen Geschäftsideen auch sein eigener Herr zu werden. Zum fünften Mal in Folge ist im vergangenen Jahr die Zahl der Existenzgründungen gesunken: 13 061 Gewerbeanmeldungen wurden 2016 in München verzeichnet, 17,8 Prozent weniger als im Vorjahr. 12 448 davon waren Firmenneugründungen, auch da gab es einen Rückgang von 14,1 Prozent.

Die Industrie-und Handelskammer für München und Oberbayern hat deshalb Alarm geschlagen. Ihr Präsident Eberhard Sasse fordert mehr Unterstützung für Münchens Gründer, denn "Start-ups und neue Unternehmen beflügeln Innovationen und Dynamik", sie seien "unerlässlich für unseren zukünftigen wirtschaftlichen Erfolg". Wichtig sei ein besseres Gründungsklima mit weniger Bürokratie und einfacheren Steuerregeln. Allerdings ist Sasse auch klar, woran der Gründergeist in der Landeshauptstadt am meisten zu leiden hat: Es ist ausgerechnet Münchens Wohlstand. Die andauernd gute Wirtschaftslage bewirke, dass auf dem Arbeitsmarkt "praktisch Vollbeschäftigung" herrsche, sagt Sasse. Deshalb sinke das Interesse an unternehmerischer Selbständigkeit, das ja auch mit Risiken verbunden sei. Dazu kommt, dass die bayerische Landeshauptstadt ein teures Pflaster ist, auch wenn es sich um Lohnkosten, Büromieten und ähnliches handelt.

Trotzdem besteht kein Grund zur Schwarzmalerei. Münchens Zweiter Bürgermeister Josef Schmid, der auch das Referat für Arbeit und Wirtschaft leitet, ist davon überzeugt, dass "München die besten Voraussetzungen hat, zu einem der wichtigsten Startup-Zentren Europas zu werden". Und es gibt Experten, die sogar von einem "zweiten Silicon Valley" sprechen. Denn die Stadt verfügt über ein hohes Innovationspotenzial: mit LMU und TU zwei Exzellenzhochschulen, etliche führende Forschungs- und Entwicklungsinstitute der Max-Planck- oder der Fraunhofer-Gesellschaft. Auch Unternehmen wie BMW oder Google betreiben am Standort München gezielt Forschung in eigenen Zentren. Solche großen Unternehmen sind es auch, die jungen Forschern mit erfolgversprechenden Ideen Mut zur Selbstständigkeit machen, indem sie diese fördern, beziehungsweise mit ihnen Geschäftspartnerschaften eingehen. Solch etablierte Unternehmen sind für Start-ups ideale Referenzkunden.

Starthilfe geben auch die vielen Beratungsstellen und Gründerzenten in der Stadt. Zentale Anlaufstelle ist das Münchner Existenzgründungs-Büro (MEB), das die Wirtschaftsförderung der Stadt und die Industrie- und Handelskammer seit 1998 gemeinsam betreiben. Auch an den Münchner Hochschulen wird mit verschiedenen Einrichtungen der Gründergeist eifrig gefördert. Die Technische Universität etwa betreibt ein Zentrum für Innovation und Gründung, "Unternehmer-TUM" genannt, dazu ein europaweit einzigartiges Entrepreneurship Center, das technologieorientierten Unternehmensgründern ein lückenloses Angebot bietet - von der ersten Idee bis zur Wachstumsphase. Seit 1990 wurden aus der TUM weit mehr als 700 Unternehmen ausgegründet, allein im vergangenen Jahr waren es mehr als 50 Start-ups. "Damit nehmen wir eine führende Rolle in Europa ein", sagt Helmut Schönenberger, der Geschäftsführer der UnternehmerTUM. Die Zahl der Technologiegründungen sei kontinuierlich gestiegen.

Die Stadt und die Technische Universität wollen diesen Gründergeist auch weithin sichtbar machen: Geplant ist ein neues großes Innovations- und Gründerzentrum, in dem Start-ups, etablierte Unternehmen, Kreative und Wissenschaftler im Dialog mit Stadtplanern, Architekten und der Öffentlichkeit an innovativen Produkten, intelligenten Technologien und Dienstleistungen für die Stadt der Zukunft arbeiten. Den entsprechenden Beschluss hat der Stadtrat schon verabschiedet, die Pläne sollen noch in diesem Jahr vorgestellt werden. Bürgermeister Schmid verspricht der Start-up-Szene München ein "beeindruckendes Zuhause".

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