Ex-Nazi als Koch:Ist er ein Aussteiger oder nicht?

Restaurant Max Pett

Das vegane Restaurant Max Pett an der Pettenkoferstraße genießt gastronomisch einen guten Ruf. Doch jetzt hat es ein Imageproblem.

(Foto: Stephan Rumpf)

Er lebte in einer Nazi-WG und stand bei der Kommunalwahl auf der Liste der rechtsextremen Bürgerinitiative Ausländerstopp: Jetzt ist der Mann Koch im veganen Restaurant Max Pett. Er sagt, er ist aus der Szene ausgestiegen. Doch es bleiben Zweifel.

Von Sebastian Krass

Es ist eine schöne Geschichte, die Daniel T. erzählt: Im "Max Pett" habe für ihn ein neues Leben begonnen. Als er vor gut einem Jahr anfing, dort als Koch zu arbeiten, habe er zum ersten Mal erlebt, "wie Menschen jeglicher Herkunft harmonisch und im Einklang miteinander leben können", schreibt T. auf Facebook. Das Leben, das Daniel T. früher führte und das er auch nach der Anstellung im Max Pett in seiner Freizeit noch führte, war so ziemlich das Gegenteil von harmonischem Leben im Einklang miteinander. Daniel T. wurde wegen des Baus von Sprengsätzen und wegen Volksverhetzung verurteilt, und er lebte bis zum Frühjahr dieses Jahres in einer als "braunes Haus" berüchtigten Nazi-WG in Obermenzing.

Durch das Max Pett mit seiner veganen Philosophie und die Menschen, die dort arbeiten, habe er seine "gesamte Einstellung den Menschen gegenüber geändert", schreibt T. Er habe sich aus der rechten Szene verabschiedet, sei ein Aussteiger. Ein Restaurant mit hohem moralischen Anspruch als Ort der Läuterung eines gewaltbereiten Neonazis - das ist die Geschichte, die T. erzählt. Aber entspricht sie der Realität?

Diskussionen im Internet, samt Boykottaufrufen

Es ist durchaus möglich. Nur gibt es Zweifel. Denn so einfach, wie T. es schildert, funktioniert ein Ausstieg eigentlich nicht. "Die Sorte von Neonazis, mit denen er zu tun hatte, das sind übellaunige Menschen. Da kann man nicht kommen und gehen, wie man will", sagt Bernd Wagner, Mitbegründer von Exit, der bekanntesten deutschen Hilfsorganisation für Menschen, die aus der rechtsradikalen Szene aussteigen wollen. Zudem kursiert im Internet eine schwerwiegende Beschuldigung: T. soll nach dem Auszug aus dem "braunen Haus" eine Wohnung in der Westendstraße gemietet haben - und dort noch in diesem Sommer auch Vanessa Becker, einer Führungsfigur der hiesigen Neonaziszene, Obdach geboten haben.

Der Verdacht, dass es mit T.s Ausstieg nicht so weit her sein könnte, wie er sagt, ist ein Problem, auch für seine Arbeitgeber. Ende Juni erschien auf der links-autonomen Internetseite "Indymedia" ein Text, in dem T.s Anstellung im Max Pett öffentlich gemacht wurde, verbunden mit der Warnung vor dem "Einsickern von Nazis in alternative Lebensräume und Strukturen". Daraufhin entzündeten sich wilde Diskussionen im Internet, samt Boykottaufrufen. Und diese Diskussionen blieben nicht in einem kleinen Zirkel, sondern erreichten durch die multiplizierende Wirkung von Facebook Tausende Menschen. Die Beiträge von Leuten aus dem Max Pett trugen nicht dazu bei, die Lage zu beruhigen, im Gegenteil.

So veröffentlichte Indymedia eine Mail der Max-Pett-Betreiberin Anna Lena Hoening. Sie schreibt dort, die Indymedia-Anfrage habe "einigen Wirbel bei uns" ausgelöst. Man habe die Information über T.s Vergangenheit "kaum glauben" können, dann aber ein "sehr eingehendes Gespräch" mit ihm geführt. Er habe "eine zweite Chance" verdient, "gerade weil ich weiß (...), dass Daniel mittlerweile einer veganen und lebensfreundlichen Gesinnung nachgeht". Das wurde von manchen so verstanden, als finde man beim Max Pett: Ein Veganer muss ja ein guter Mensch sein. Mitte Juli wurde das Max Pett, gelegen an der Pettenkoferstraße, mit dem Slogan "Kein Raum für Nazis?" und dem Antifa-Zeichen besprüht.

Die öffentliche Debatte hat sich inzwischen beruhigt. Doch das Problem ist noch in der Welt. In der linken Szene erzählt man sich zum Beispiel, viele, die früher gern ins Max Pett gingen, mieden das Lokal nun. Und auch sonst dürfte vielen Menschen, die die Facebook-Diskussionen gesehen haben, beim Namen "Max Pett" die Assoziation "Nazi-Koch" kommen. Internetdiskussionen können nicht nur kurzfristig unbarmherzig sein, sie können auch langfristig erheblichen Schaden auslösen.

Im März stand Daniel T. noch auf der Stadtratsliste der rechtsextremen BIA

Wie also steht es um das Max Pett und seinen Koch Daniel T.? Hat das Lokal Umsatzeinbußen? Ist ein Veganer nach Ansicht der Max-Pett-Chefs automatisch ein guter Mensch? Was macht sie so sicher, dass T. tatsächlich den Absprung aus der rechten Szene geschafft hat? Und: Was ist, wenn sie sich täuschen? Teilte T. seine Wohnung mit Vanessa Becker? Die Betreiber des Max Pett und T. selbst haben im Internet mehrmals dazu eingeladen, mit Fragen vorbeizukommen. Das Angebot gelte immer noch, sagt Hoening, allerdings nicht für Medienvertreter.

Schriftliche Fragen lassen Hoening und ihr Partner Peter Ludik ebenso wie Daniel T. unbeantwortet. Nur von Ludik kommen schließlich doch kurze, allerdings eher irritierende Statements. "Mich persönlich interessiert diese Aufteilung in links und rechts überhaupt nicht", schreibt Ludik. Und in einer weiteren Mail: "Gerade junge Menschen, die noch nicht so wissen, was sie wollen, die noch unreif sind und Vorbilder suchen, schlittern dann leicht in so eine Ecke. Daniel hätte genauso gut die andere Seite einschlagen können."

Auf Facebook versucht er seine Vergangenheit zu erklären

Ist T. also Verführter, der in jungen Jahren in falsche Gesellschaft geriet? Als er 2011 in Aachen zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt wurde, war T. immerhin 25 Jahre alt. Er war angeklagt, weil er und ein Kumpan zu einer Demonstration zum 1. Mai in Berlin mit Sprengsätzen angereist waren, mit dem Hintergedanken, Linke und Polizei anzugreifen. Zudem sollen sie die Mauer eines jüdischen Friedhofs mit der Hetzparole "Juden den Gashahn aufdrehen" beschmiert haben.

Nach der Verurteilung zog T. nach München und fand schnell Anschluss in der hiesigen Nazi-Szene. Er soll sich noch 2013 öffentlich mit den Angeklagten des NSU-Prozesses solidarisiert haben. Zudem kandidierte T. bei der Kommunalwahl 2014 auf der Liste der rechtsextremen "Bürgerinitiative Ausländerstopp" (BIA), wie auch Vanessa Becker.

Sprengsätze als "Maßnahme zum Selbstschutz und zum Distanzaufbau"

In seiner Stellungnahme auf Facebook versucht T. auch, seine Vergangenheit und seinen Ausstieg zu erklären. Seine "letzte politische Aktion" datiere auf November 2013. Zu der Zeit habe er sich auch für die BIA nominieren lassen, das aber dann "schlicht und einfach aus dem Sinn verloren". Zu den Sprengsätzen schreibt er: Grund für deren Herstellung sei "nicht der Angriff von Demonstranten" gewesen, sie seien "eine Maßnahme zum Selbstschutz und zum Distanzaufbau" gewesen.

Dass er noch bis zum Frühjahr 2014 im "braunen Haus" wohnte, erklärt T. damit, dass man "das Mietverhältnis fair kündigen" wollte, samt Fristwahrung. In Wirklichkeit wollte die Vermieterin die Nazis schon lang aus dem Haus haben und kündigte ihnen schließlich zum 1. Juni.

"Die Erklärung ist mir zu läppisch"

Bernd Wagner von Exit ist ganz und gar nicht überzeugt davon, wie T. sich öffentlich erklärt: "Ich will dem jungen Menschen nichts verbauen. Aber die Erklärung ist mir zu läppisch, da scheint beim Lesen noch eine eminente Nähe zur Szene durch", sagt Wagner. Er findet, von T. müsse "deutlich mehr kommen, unter anderem eine öffentliche Erklärung, in der er ernsthaft sich mit den Inhalten auseinandersetzt, die er vertreten hat, und in der er sich in aller Entschiedenheit davon distanziert".

T. hat sich nach Auskunft Wagners bisher nicht bei Exit gemeldet. Auch bei der Aussteigerhilfe Bayern hat T. bisher keine Unterstützung erbeten, wie deren Initiator Felix Benneckenstein, selbst ehemaliger Neonazi, sagt. Er habe kurz Kontakt zu T. gehabt: "Aber er lehnt Aussteigerhilfe ab." Den von ihm verkündeten Ausstieg versucht T. demnach auf eigene Faust, mit Unterstützung des Max Pett.

Auch das Max Pett könnte sich Ratschläge holen, wie es mit der Situation umgehen sollte. Das Ansinnen, einem Straftäter bei der Resozialisierung zu helfen, indem man ihm Arbeit gibt, ist ja an sich ehrenwert. Nur, was tun, wenn dem ganzen Betrieb plötzlich Schaden droht? Die städtische Fachstelle gegen Rechtsextremismus wäre so eine Anlaufstelle, die explizit auch Wirten Beratung anbietet. "Auf uns ist das Lokal noch nicht zugekommen", sagt Thomas von Nahmen, Mitarbeiter der Fachstelle.

Wie ließe sich die Situation auflösen? Sollte das Max Pett sich von T. trennen? Nicht unbedingt, findet Bernd Wagner von Exit. "Das Lokal kann ihn gern weiter beschäftigen - wenn er seine Hausaufgaben macht." Aber er warnt auch: "Ohne eine öffentliche Erklärung und weitere deutliche Signale, etwa die ernsthafte Zusammenarbeit mit einer Aussteigerorganisation, kann die Geschichte für das Lokal und den jungen Mann noch zu viel größeren Problemen führen." Wenn sich aber herausstellt, dass T.s Geschichte tatsächlich stimmt, dann wäre es nicht nur eine schöne, sondern eine wirklich gute Geschichte.

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