Europaweite Ermittlungen:"Die Fälschungen waren sehr gut"

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Ein gefälschter tschechischer Reisepass, der bei Durchsuchungen in ganz Europa sichergestellt wurde. (Foto: dpa)

Zwei Kilo Drogen, Schusswaffen, Schmuckstücke - und Ausweise: Bei einer europaweiten Fahndung haben Polizisten 138 Wohnungen nach gefälschten Pässen durchsucht - und mehr als die Hälfte der Tatverdächtigen festgenommen.

Von Susi Wimmer

"Ein ziemlicher Aufwand, für so ein kleines Delikt", sagt Robert Crepinko von Europol aus Den Haag und grinst: Mehr als 1000 Polizisten durchkämmten am Dienstag europaweit 138 Wohnungen auf der Suche nach verfälschten oder gefälschten Ausweisen und Führerscheinen.

Wenn man allerdings wie Chefermittler Crepinko weiß, dass die Ausweise den mutmaßlichen Tätern und organisierten Banden dazu dienten, um unter falscher Identität in Europa auf Beutezüge zu gehen, Einbrüche zu verüben oder Ladendiebstähle im großen Stil zu begehen, dann rechtfertigt sich der Aufwand. 100 von 180 Tatverdächtigen nahm die Polizei fest, sie stellte mehr als 25 000 Euro Bargeld sicher, zwei Kilo Drogen, Autos, Schusswaffen und mehr als 300 Schmuckstücke, die aus Einbrüchen stammen dürften.

Auch Wohnungen in Spanien und Schweden durchsucht

"Wenn es um kriminelle Verflechtungen geht, dann funktioniert Europa", meint Torsten Wittke, Leiter der Abteilung Organisierte Kriminalität am Landeskriminalamt (LKA) in München. Die Personalausweise, Reisepässe und Führerscheine stammten aus einer Fälscherwerkstatt in Moldawien, vermittelt wurden sie von einem Autohändler aus Kolbermoor im Landkreis Rosenheim, bestimmt waren sie für Georgier, die sich so in europäischen Ländern eine zweite Identität verschafften. "Aber", sagt Wittke, "Europa funktioniert auch, wenn es um die Zusammenarbeit der Polizeien geht." Die Beamten durchsuchten Wohnungen und Büros in Deutschland, Österreich, Spanien, Frankreich, Schweden, Griechenland und Portugal.

Die Geschichte mit den Fälschungen für ganz Europa beginnt schon im Jahr 2010. Damals ließ das LKA eine europaweit tätige georgische Mafiagruppierung auffliegen. Die Männer klauten auf Bestellung, hauptsächlich hochwertige Kosmetikartikel, Spirituosen und Zigaretten, und das in großem Stil. Ganze Lkw-Ladungen an Diebesgut verließen Europa, die Köpfe der Bande gingen strukturiert und organisiert vor, die Mitglieder des Netzes mussten sogar Schutzgelder an die Paten bezahlen. In der Folge richteten die Ermittler ihr Augenmerk auf Aktivitäten georgischer Täter.

Obdachlosen werden die Reisepässe abgekauft

Als 2012 wiederum drei georgische Wohnungseinbrecher in München geschnappt wurden, schaltete sich das Landeskriminalamt mit ein. "Wir wollten wissen, woher die falschen Pässe der Männer stammten", erklärt Torsten Wittke. Die Fahnder stießen auf den Autohändler aus Kolbermoor, einen gebürtigen Georgier, der sich selbst eine komplett neue tschechische Identität mit Pässen und Führerschein gekauft hatte, und der seine Landsleute an die Fälscherwerkstatt vermittelte, die von einem moldawischen Ehenpaar betrieben wurde.

Gute Kenntnisse über die Fälschungsmerkmale von Papieren und eine gute Druckerei, erklärt Wittke, seien nötig, um Pässe herzustellen. Die 34-jährige Moldawierin und ihr 40-jähriger Mann waren Experten. Teilweise kauften sie Obdachlosen ihre Reisepässe ab und verfälschten sie, indem sie einfach auf die Seite mit dem Foto eine neue klebten, oder sie druckten die Papiere komplett neu.

"Die Fälschungen waren sehr gut", sagt Wittke, bei normalen Polizeikontrollen nicht zu erkennen. 250 Euro kostete ein Personalausweis, 500 ein Führerschein und für 1500 Euro gab's einen Reisepass. Bei einer Kontrolle am Flughafen, so Kriminaldirektor Wittke, wären die Fälschungen sicher aufgeflogen. "Aber die Täter benötigten die zweite Identität ja nicht zum Ausreisen."

Bei der Razzia haben Polizisten in sieben Ländern 100 Tatverdächtige vorläufig festgenommen. (Foto: dpa)

Im Gegenteil: Die Georgier waren darauf aus, in EU-Ländern zu bleiben. Teils handelte es sich um Männer, die hier als Studenten ein Aufenthaltsrecht hatten. Als dieses aber auslief, verschafften sie sich eine neue Identität. Andere nutzten die Pässe, um Landsleute nach Europa zu lotsen. Und mit den gefälschten Identitäten betätigten sich die Männer als Ladendiebe, Wohnungseinbrecher oder Bankbetrüger.

Nach Erkenntnissen der Ermittler waren es hauptsächlich tschechische und bulgarische Identitätspapiere, die aus Moldawien gen Europa verschickt wurden. Innerhalb eines halben Jahres gingen über 300 Postsendungen auf den Weg, von denen die Polizei Kenntnis erlangte. "Über das Dunkelfeld kann man nur spekulieren", sagt Wittke.

Ermittler aus Kanada, Australien oder den Balkanstaaten

Um den international vernetzten Banden Herr zu werden, vernetzte sich auch die Polizei. Europol wurde eingeschaltet, Namen von Verdächtigen mitgeteilt und die Behörde konnte dann im Gegenzug sagen, ob gegen den Betreffenden in anderen Ländern schon etwas vorliegt. In Den Haag sitzen außerdem Verbindungsbeamte aus allen 28 EU-Staaten, zusätzlich noch Abgesandte von Drittstaaten wie Kanada, Australien oder den Balkanstaaten. "Da geht der Beamte aus Spanien nur zwei Türen weiter, und da sitzt der Kollege aus Schweden", erzählt Robert Crepinko. Es fanden aber auch einige Treffen der Ermittler aus allen beteiligten Ländern in Den Haag und München statt.

Und so ist Robert Crepinko guter Dinge, dass man auch noch an das Fälscherpaar aus Moldawien herankommt. "Die Kooperation mit den Behörden dort läuft", sagt der Mann von Europol.

© SZ vom 11.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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