Essen im Marstall-Zelt:Es geht auch knusprig

Marstall-Zelt

Wer mehr will als nur eine Unterlage fürs Bier, bekommt im Marstall solide Hauptspeisen und Brotzeitbrettl mit frischen Zutaten (im Bild).

(Foto: F. Peljak)

Backerl vom Milchkalb, Rahmkartoffeln in Zylinderform, Trüffelpflanzerl: Siegfried Able tritt mit dem Anspruch an, die Gastronomie auf der Wiesn zu retten - und überzeugt im Marstall mit gehobener bayerischer Küche.

Von Pep Rooney

Sechs Millionen Mass Bier werden während einer durchschnittlichen Wiesn ausgeschenkt. Und gerade jenen besonders eifrigen Trinkern, die gerne das gesunde Maß überschreiten, dürfte die Qualität der Wiesnverpflegung herzlich egal sein. Sie lassen es entweder beim Bier bewenden und verzichten auf feste Nahrung (das sind dann oft die, die auf dem Abhang unter der Bavaria oder in der Ausnüchterungszelle ihren Rausch ausschlafen), oder begnügen sich mit einer fetten Wurst, einer Steckerl-Makrele und einem kalorienreichen Schoko-Fruchtspieß als Unterlage.

So hat für viele das Volksfestessen halt auszusehen: eine Ernährung, die ihren Zweck erfüllt und den Rausch ein bisschen hinauszögert. Freilich bleibt jenen Kostverächtern verborgen, dass man auf dem Oktoberfest durchaus ordentlich speisen kann. Jedes Zelt verfügt über eine ausgewogene Speisekarte, und auch der neue Wiesn-Wirt Siegfried Able will den Leuten eine gute Qualität bieten. Dass er gesagt haben soll, er wolle die Küche auf der Wiesn retten, haben ihm die Mitbewerber allerdings ein bisschen krumm genommen. Aber abgesehen von allen Befindlichkeiten: Den Qualitätsanspruch hat der Wirt vor dem Oktoberfest mehrmals öffentlich formuliert - und bei einem Zelt mit mehr als 3000 Plätzen muss man solch hochgesteckte Ziele erst mal erreichen.

Mit der Dekoration des Zeltes und der Tische geht es schon los. Alles ist durchgestylt bis ins letzte Detail. Auf allen Tischen sind Tischdecken, das obligatorische Brotzeitbrettl (zwei Stück 109 Euro, automatisch bei Reservierungen dabei) wird auf ansehnlichen Mini-Biertischchen angerichtet. Das Auge isst halt mit, das weiß die Wirtsfamilie offensichtlich. Aber man ist hauptsächlich zum Essen da, da zählt eher das Herzblut und natürlich auch das Können der Küchenmannschaft unter der Leitung von Küchenchef Hubert Kayr. Nun, das Brotzeitbrettl: Die Mini-Fleischpflanzerl wiesen eine ideale Konsistenz auf und waren dezent gewürzt. Auch die Kollektion aus Schinken und Wurst war frisch, ebenso das Brot und die Brezen, alles war ansehnlich garniert. Der Obazde war schön cremig. Enttäuscht zeigt sich die Runde allerdings, dass das angekündigte Griebenschmalz auf beiden Platten fehlte.

Bei den Hauptspeisen erlebte man einige Höhen und Tiefen. So war auf dem Marstall-Bräupfandl (16,50 Euro) das Spanferkel-Haxerl beinahe geschmacksneutral und das Bratwürstl ordentlich bis unauffällig. Dafür schmeckte das Surfleisch saftig, auch Kraut und Soße überzeugten. Die halbe bayerische Bauernente vom Grill mit Apfelblaukraut und Kartoffelknödel (22,50 Euro) war einerseits "ein Kümmerling", wie der Opa gerne zu Tieren sagte, die nicht zu den größten zählen. Auch liegt der Verdacht nahe, dass es sich bei Vorder- und Hinterteil um zwei verschiedene Tiere handelte, denn während das Fleisch im hinteren Viertel etwas trocken und faserig geraten war, kam die Vorderpartie schön saftig, zart und mit Schmelz daher, wie eine Ente nun mal sein soll. An der knusprigen Haut war überhaupt nichts auszusetzen, auch die Soße war offensichtlich hausgemacht und hatte erfreulicherweise nichts von jenem künstlichen Packerlsoßen-Aroma, das man leider von vielen bayerischen Ausflugslokalen kennt.

Die Trüffelpflanzerl "König Ludwig" (20,50 Euro) kamen mit dreieinhalb Scheibchen Herbsttrüffel obendrauf, umrahmt von einer leicht sämigen Schwarzrieslingsauce. Die überbackenen Rahmkartoffeln machten auch optisch was her: Serviert wurden sie in Zylinderform. Für die Pflanzerl aus Kalbfleisch galt leider: Die Trüffelnote war einen Tick zu dominant. Der Vogerlsalat mit gebratenen Reherln, Kräutercroutons und Honigtomaten (12,50 Euro) war indes - bis auf die geschmacksfreien Tomaten - völlig okay. Das Mostbirnendressing war angenehm sauer. Überzeugt haben auch die in Spätburgundersoße geschmorten Backerl vom Milchkalb (21,50 Euro). Das Fleisch war schön weich, ohne dabei auseinanderzufallen und - wie es sich für Backerl gehört - zugleich gut saftig. Der dazu gereichte Erdäpfelschmarrn kam leicht und locker auf den Teller.

Rosig und zart war der Rücken vom Hirschkalb (27,50 Euro). Sehr gut harmonierten dazu die Reherl in Wacholderrahm und die (vielleicht etwas zu festen) Schupfnudeln. Richtig überzeugend war auch - bei einer Wiesn-Kostprobe muss das unweigerlich auf den Tisch - das Hendl (13,50 mit Kartoffelsalat). Die Haut: würzig und kross; das Fleisch: schön saftig. Der Kartoffelsalat kam lauwarm auf den Tisch, ein für ein Bierzelt seltener und erfreulicher Umstand: So g'hört sich des, würde der Bayer sagen.

Fazit: Für Wiesngänger lohnt es sich, außerhalb der Stoßzeiten mal vorbeizuschauen. Die Preise entsprechen dem üblichen Wiesnstandard, und die Küchencrew brachte ein Essen auf gehobenem bayerischen Wirtshausniveau zustande. Und auch der freundliche und schnelle Service ließ bei unserem Besuch am Mittag keinerlei Wünsche offen.

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