Erster MVV-Verbundfahrplan:So fuhren 1972 die Bahnen

Zum Flughafen fährt nur ein Bus - und von U1, U2, U4 und U5 können die Münchner nur träumen: Der erste MVV-Streckenplan von 1972 bietet viele Erinnerungen und so manche Überraschung. Wir zeigen Ihnen das Relikt aus dem MVV-Archiv.

Marco Völklein

Menschen wie Stefan Hofmeir stöbern gerne in der Historie. Alte Tram- oder S-Bahnen faszinieren den Verleger aus Berg am Laim ebenso wie der aktuelle Münchner Nahverkehr. Seit ein paar Monaten fungiert Hofmeir daher auch als Sprecher des MVV-Fahrgastbeirats.

MVV Fahrplan 1972

So fuhren 1972 S- und U-Bahnen im MVV. Klicken Sie auf das Bild, um den Streckenplan in voller Größe zu sehen.

(Foto: MVV)

Und so hat er sich gefreut über den Sonderdruck, den der Münchner Verkehrs- und Tarifverbund (MVV) im Frühjahr herausgegeben hat. Der Verbund feiert in diesem Jahr sein 40-jähriges Bestehen. Und zum Jubiläum gab es den allerersten "Verbund-Fahrplan" aus dem Jahr 1972 als Nachdruck.

Sämtliche Fahrpläne für alle U- und S-Bahnlinien, alle Tram- und Buslinien waren damals erstmals in einem Buch zusammengefasst. Dazu gleich am Anfang ein Übersichtsplan zum Ausklappen mit allen U- und S-Bahn-Linien. Das war eine Revolution zur damaligen Zeit. Und Ausdruck des neuen Münchner Nahverkehrs.

Hofmeir jedenfalls hat sich vertieft in die 368 Seiten aus dem Jahr 1972. Und ist nun der Meinung, dass "damals in vielen Bereichen die Anbindung besser war als heute". Bei sich vor der Haustüre beispielsweise, an der Trambahn-Endhaltestelle in der St.-Veit-Straße im Münchner Osten, fuhren damals zwei Linien ab in Richtung Innenstadt: Da brachte die Linie 4 die Fahrgäste über Haidenauplatz, Grillparzerstraße, Lenbachplatz und Rotkreuzplatz bis zur Hanauer Straße.

Und da pendelte als Verstärkung die Linie 14 zwischen Ostbahnhof und Berg am Laim - allerdings nicht nur werktags, sondern auch am Wochenende und an Feiertagen. Beide Linien fuhren zum Teil im Abstand von nur fünf oder sechs Minuten. "Ein sehr viel dichterer Takt als heute", sagt Hofmeir. Heutzutage bietet die Münchner Verkehrsgesellschaft bei der 19er-Tram in der St.-Veit-Straße allerhöchstens einen Zehn-Minuten-Takt. "Das ist schon interessant, was damals alles ging", meint Hofmeir.

Genauso interessant ist auch ein Blick auf den Plan des Schnellbahnnetzes gleich am Anfang des Buches, der allererste des damals noch jungen MVV. Heute hat man sich als MVV-Nutzer daran gewöhnt, dass die einzelnen Linien jeweils eigene Farben haben, dass die Strecken nur grob in die eine oder andere Richtung gehen, dass Haltepunkte mit einem einfachen Strich markiert sind und Umsteigeknoten mit einem weißen Rechteck hervorgehoben werden.

Zum Flughafen mit dem Bus

Vor 40 Jahren allerdings war das alles neu. Denn bis zum Start des MVV fuhren Vorortbahnen aus den umliegenden Kreisstädten zum Haupt- oder Ostbahnhof. Dort musste man umsteigen auf die städtischen Trambahnen und Busse. Ein gemeinsames Netz, aufeinander abgestimmte Takte, ein gemeinsamer Tarif - all das, was heute den MVV ausmacht, gab es erst vom Frühjahr 1972 an.

MVV Fahrplan 1972

So fuhren 1972 S- und U-Bahnen im MVV. Klicken Sie auf das Bild, um den Streckenplan in voller Größe zu sehen.

(Foto: MVV)

Sichtbarstes Zeichen dieser gemeinsamen Nahverkehrsphilosophie war die Schnellbahnübersicht des MVV. Vergleicht man die Pläne von damals mit heute, fallen zunächst einmal die vielen Lücken auf im Netz, die in den vier Jahrzehnten geschlossen wurden. Die S 3 zum Beispiel fuhr damals auf ihrem Westast nur bis Maisach und in der anderen Richtung, dort wo heute die S 8 rollt, nur bis Ismaning.

Der Flughafen befand sich noch in Riem - ein entsprechendes Symbol, heutzutage nicht mehr wegzudenken von einem großstädtischen Nahverkehrsplan, war allerdings auf der Karte von 1972 noch nicht zu finden. Angebunden wurde der Flughafen per Bus: Die Linie 91 schlängelte sich vom Vogelweideplatz kommend (dort endete die Trambahnlinie 1) durch Daglfing und den Riemer Dorfkern zum Flughafen im Münchner Osten.

Sehr viel dünner als heute präsentiert sich vor allem auch das U-Bahn-Netz: U 4 und U 5 sind noch gar nicht vorhanden, auch U 1 und U 2 fehlen komplett. Diese kamen erst Anfang der 1980er Jahre hinzu. Immerhin die Verlängerung von U 3/6 zur Implerstraße und zum Harras stellten die MVV-Planer auf dem 1972er-Plan für das Jahr 1975 in Aussicht.

Tatsächlich ging der 2,7 Kilometer lange Abschnitt auch im November 1975 ans Netz. Der Haltepunkt Poccistraße wurde übrigens erst nachträglich eingefügt - und im Mai 1978 eröffnet.

Auch einige S-Bahn-Haltepunkte an heute zum Teil stark frequentierten Stationen wie beispielsweise der in Unterschleißheim (1977 eröffnet) oder in Esting (1980 in Betrieb gegangen) fehlen auf der Karte. An andere Bestandteile des ersten Schnellbahnplans dagegen erinnert sich manch jüngerer MVV-Kunde gar nicht mehr - etwa daran, dass bis in dieses Jahrtausend hinein im Mühlthal zwischen Gauting und Starnberg die Züge der S 6 Station machten.

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