Erste Liga:Hauptsache eins oben drauf

Der Kellerclub schafft das Unmögliche: Die Verbindung aus Exklusivität und Underground. In München ist die "Erste Liga" stilbildend. Und nervt manchmal gewaltig.

Florian Falterer

Wir nähern uns an: mit stehendem Polohemd-Kragen, in Badekleidung, berauscht, enthemmt oder angenehm uncool.

Die "Erste Liga" gehört zu den neueren Münchner Mythen. Dafür sorgte die wirklich erste Erste Liga in der Hochbrückenstraße. Deren fast schon kriminell feierwütige Stammgäste halfen zwischen 2001 und 2004 gehörig mit, der Innenstadt einen neuen Atem einzuhauchen. Der roch aber nicht nur nach Alkohol von den unzähligen geleerten Limogläsern voller purem Stolychnaya-Vodka, die bis heute euphemistisch "Kurze" genannt werden. Vor allem hing über dem neuen Szene-Zentrum eine Note, als wäre im nahen Tal versehentlich eine Lastzugladung Zahngel der betäubenden Note Coolfresh gesprengt worden.

Um es weniger eisblumig zu formulieren: Die Erste Liga ist oberste Spielklasse, geht es um die passgenaue Sound-Mischung aus Upfront und Gefälligkeit. Hier haben die Macher des derzeit wohl ruhmreichsten Münchner Labels Gomma ihr donnerstägliches Wohnzimmer.

Hier liegt die Reinkarnationsstätte des Sounds Of Munich - Electro lassen sie hier wieder den Berlinern, House ist ready für Rosenheim. In München heißt die Clubmucke der Stunde "Disco". Ganz recht. Klingt altbacken? Ist aber sexy, die Entwicklung der elektronischen Tanzmusik hat zum Glück dann doch Eingang gefunden in den neuen Sound Of Munich. Dazu beigetragen hat eben vor allem jener Kellerclub.

Seit fast zwei Jahren findet sich die Erste Liga nun in der Nähe des Sendlinger Tors und noch näher zum berühmten Glockenbachviertel, an dem noch immer keiner vorbeikommt. Die Gründe herzukommen sind hier vielseitiger als anderswo.

Der Hauptgrund ist vielleicht der besondere, perfekt durchgehaltene Stil der Einrichtung, das sanfte grüne Licht, das den ganzen Laden eintaucht, oder der Diskoboden mit seinen bunten Leuchtfeldern, der in der Clubrepublik seinesgleichen sucht.

Die Typen der einzelnen Liga-Besucher lassen sich zwar mitunter schwer klassifizieren oder von einander abgrenzen - wir versuchen es trotzdem:

Typ 1: Der aufgestellte Polokragen

Er studiert im sechsten Semester BWL, kommt aus München-Solln und hat von den Studiengebühren nur am Rande mitbekommen. Wichtiger ist ihm sein 3er-BMW, und sein Ralph Lauren-Polo darf auch mal grasgrün sein. Wenn er denn reinkommt, was auch meist passiert, bestellt er Flaschenweise Vodka und freut sich, dass da gerade eine solch sexy House-Nummer läuft.

Hauptsache eins oben drauf

Typ 2: Der Gucci-Anzug

Er versteht die Welt nicht, weil er gerade nicht reingekommen ist, obwohl er gehört hat, dass die Erste Liga eine Art cooles P1 ist. Die brauchen ihn da drin doch. Einmal, da haben sie ihn reingelassen, doch der Typ neben ihm in dem trendigen Iron Maiden-T-Shirt an der Bar wollte sich von ihm partout nicht zu einem Glas Champagner einladen lassen. Der trank lieber mit dem Barmann Vodka aus Limogläsern.

Hauptsache eins oben drauf

Typ 3: Die Aufgescheuchte

Sie fängt schon am frühen Abend an mit ihrem Styling und probiert, welches der 15 neuen H&M-Tops heute am besten passt. Ins Ohr noch ein Strass-Stein und los geht's zur Freundin zum Vorglühen mit Vodka Gorbatschow. Vor dem Club um halb zwölf angekommen, steht sie brav an, unten kreischt sie vor Freude und bleibt auf der Tanzfläche bis halb vier. Den einen Drink, den sie über den Abend nimmt, lässt sie sich von dem noch Unbekannten spendieren, mit dem sie später sein Bett teilen wird.

Hauptsache eins oben drauf

Typ 4: Der Skater

Er kommt um eins, trinkt erst mal drei Bier und den Rest des Abends Vodka pur. Manchmal reichen ihm für drei Promille läppische zwanzig Euro. Irgendeinen Barmann kennt er immer. Es kann passieren, dass er sich bis fünf Uhr morgens nicht vom Fleck bewegt, es vielleicht sogar nicht mal aus dem Vorraum mit der kleinen Bar herausschafft, die schließlich aussieht wie im Holy Home am Gärtnerplatz, und das mag er schon seit 85 Jahren so gern. Er bleibt sich treu, kennt alle, es spielt keine Rolle ob er nun 25 oder 45 Jahre alt ist. Der Party zuträglich ist er sowieso.

Hauptsache eins oben drauf

Typ 5: Der HipHopper

Er kommt vor allem freitags, dann, wenn der DJ Sepalot von der Band Blumentopf auflegt. Er ist jung, sein weniges Geld muss er zusammenhalten, worüber sich das Barpersonal ärgert, weil es wieder mal das Bar mit Zehnerl bezahlt bekommt. Von Trinkgeld hat er noch nichts gehört. Trotzdem gehört er zu einem Freitag in der Ersten Liga. Was auch schon wieder Spaß macht. Und: So jung wie das Publikum ist zumindest der gespielte HipHop-Sound nicht, der kommt gerne mal angenehm aus den Neunzigern.

Hauptsache eins oben drauf

Typ 6: Die Szene-Gastro-Kollegin

Sie arbeitet in einer der vielen Bars irgendwo um den Gärtnerplatz und kommt gegen halb drei. Sie kennt jeden, trinkt unfassbar viel in unfassbar kurzer Zeit und gibt dann so was von Gas. Der wohl wichtigste Gast für einen spektakulären weil exzessiven Liga-Abend.

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