Erste Bürgermeisterin:Die Jeanne d' Arc von Neufahrn

Erste Bürgermeisterin: Käte Winkelmann war klein und zierlich, aber sie setzte sich unerbittlich und laut gegen den Flughafenbau ein.

Käte Winkelmann war klein und zierlich, aber sie setzte sich unerbittlich und laut gegen den Flughafenbau ein.

(Foto: privat)

Die Flughafengegnerin Käthe Winkelmann war im Jahr 1964 Bayerns erste Bürgermeisterin. Bis heute gibt es aber nur wenige Rathauschefinnen im Münchner Umland

Von Petra Schnirch

Käthe Winkelmann sieht an diesem Tag im Oktober 1983 aus wie immer, wie eine freundliche ältere Dame eben, die sich zu kleiden weiß. Selbst bei dieser juristisch nicht ganz einwandfreien Aktion im Erdinger Moos trägt sie einen hellen Mantel, darunter Kleid oder Rock, am Handgelenk baumelt eine schwarze Handtasche. Natürlich fehlt auch die Brille nicht, die in ihrem schmalen Gesicht stets viel zu groß wirkt.

Auf dem Foto, das der langjährige Flughafengegner Christian Magerl aus dem Archiv gekramt hat, steht die zierliche Frau, damals 78 Jahre alt, etwas verloren neben einem Entwässerungsgraben. Aktivisten haben soeben Betonrohre mit Holzdeckeln abgedichtet, um während des Baustopps in der Auseinandersetzung um den Flughafenbau zu verhindern, dass das Moos austrocknet. Käthe Winkelmann habe keine Sekunde gezögert mitzukommen, erinnert sich Magerl. Und sie habe selbst zur Schaufel gegriffen.

Winkelmann war 1964 in Neufahrn für die Freie Wählergemeinschaft zur ersten Bürgermeisterin in Bayern gewählt worden. Später wechselte sie zu den Grünen und dann zur ÖDP. Die erste Bürgermeisterin Bayerns - dennoch ist sie außerhalb des Landkreises Freising nahezu unbekannt. Nicht einmal den Alleswissern, die bei Wikipedia schreiben, war sie bisher eine Zeile wert. Die gebürtige Darmstädterin war 59, als sie ihr Amt antrat. Wer sie persönlich kannte, beschreibt sie als ruhig und sehr verbindlich. Sie konnte aber auch energisch werden - und wenn es um den Flughafenbau ging, konnte sie unerbittlich sein. "Sie hatte sehr, sehr viel Energie", sagt Magerl.

Bei Kundgebungen gegen das Großprojekt stand sie oft in vorderster Reihe dabei, um gegen die Zerstörung der Heimat anzukämpfen. 1974 weigerte sie sich, die Genehmigungsunterlagen für den Flughafen im Sitzungssaal des Neufahrner Rathauses auslegen zu lassen, sodass Beamte des Landratsamts dies im Auftrag der Regierung von Oberbayern übernehmen mussten. Drei Jahre zuvor zahlte die Gemeinde aus Protest gegen die Landespolitik mehrere Wochen lang keine Steuern.

Neufahrn hat sich in den 13 Jahren unter Winkelmann grundlegend verändert, von einem Bauerndorf zu einer modernen Gemeinde im Münchner Umland. Die Einwohnerzahl stieg von 3400 auf mehr als 10 000. Kindergärten und Schulen entstanden, ein Hallenbad sowie Sozialwohnungen und auch ein neues Rathaus wurden gebaut. 1977 trat Käthe Winkelmann, nachdem sie zweimal wiedergewählt worden war, aus gesundheitlichen Gründen zurück. Manche nannten sie die "Jeanne d'Arc von Neufahrn". Mutige Nachahmerinnen aber fand Käthe Winkelmann im Landkreis kaum.

Frauen in politischen Führungspositionen sind noch immer die Ausnahme. In den 24 Städten und Gemeinden gibt es auch 2015 nur zwei Bürgermeisterinnen, immerhin hatten sich bei der Kommunalwahl fünf Frauen um eines der Ämter beworben. Auch die Stellvertreterin von Freisings Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher ist eine Frau. Nicht besser sieht es etwa an der Spitze der 23 Kommunen im Landkreis Fürstenfeldbruck mit ebenfalls nur zwei Amtsinhaberinnen aus. Deutlich ausgewogener ist das Verhältnis dagegen südlich von München, in Starnberg: In den Rathäusern dort sitzt immerhin in fünf von 14 Städten und Gemeinden eine Frau im Chefsessel.

Brigitte Niedermeier, die zweite Bürgermeisterin in der Geschichte des Landkreises Freising, hat Käthe Winkelmann nie persönlich kennengelernt. Und sie hatte das Amt in ihrer Heimatgemeinde Attenkirchen am Rande der Holledau zunächst auch gar nicht angestrebt. Erst sei ihr Mann gefragt worden, ob er für den Gemeinderat kandidieren wolle. Wollte er nicht. Weil sie mit der Ausstattung des Kindergartens unzufrieden war, ließ sich Brigitte Niedermeier auf die Liste der Bürgernahen Gruppe setzen. Wenig später war sie Bürgermeisterkandidatin, und sie wurde 1990 gleich im ersten Anlauf gewählt.

Das habe sich so ergeben, sagt die 63-Jährige heute. Der Posten in der damals 1700 Einwohner zählenden Gemeinde war ehrenamtlich. Niedermeier hatte zuvor eine Halbtagsstelle in der Hauptkasse der Post und konnte sich als Beamtin freistellen lassen. Für Männer mit gut dotierten Jobs sei das Amt unattraktiv gewesen. Mit Familie habe es sich gut verbinden lassen. Schwierigkeiten, sich durchzusetzen, habe sie nie gehabt, sagt Brigitte Niedermeier. Sie glaube aber, dass sie einen anderen Führungsstil bevorzuge als viele ihrer männlichen Kollegen, dass sie eher versucht habe zu vermitteln. 24 Jahre lang hatte sie das Bürgermeisteramt inne, bis sie sich 2014 zurückzog. Warum aber gibt es in den Gemeinderäten gerade auf dem Land immer noch so wenige Frauen? "Viele trauen sich das selber nicht zu, dabei betrifft Kommunalpolitik auch die Familien", sagt Niedermeier.

Käthe Winkelmann hatte 1964 aus Ärger darüber kandidiert, dass es dem Gemeinderat nicht gelungen war, einen Kindergarten einzurichten. Einen Namen gemacht hat sie sich aber als Leitfigur des Flughafenwiderstands. 1992 ist sie im Alter von 86 Jahren gestorben. Zumindest in Neufahrn ist sie nicht in Vergessenheit geraten, ein Platz und die Sporthalle sind nach ihr benannt.

In der nächsten Folge der Serie "Stadt der Frauen" lesen Sie am Samstag: Frauen und Religion - eine Diskussion mit Charlotte Knobloch, Gönül Yerli, Rita Spangler und Barbara Kittelberger.

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