Erst Körper, dann  Kopf:Rhythmus kommt vom Gehen

Erst Körper, dann  Kopf: Rudolf Roth ist Dozent für Rhythmik, Schlagzeug und Percussion, unter anderem an der Musikschule Ismaning.

Rudolf Roth ist Dozent für Rhythmik, Schlagzeug und Percussion, unter anderem an der Musikschule Ismaning.

(Foto: privat)

Der Musikpädagoge Rudolf Roth lässt seine Schüler erst einmal Schritte auf der Erde machen, um dabei den Beat zu spüren

Interview von Oliver Hochkeppel

Ob als Musiker, Bandleader (Drum for your life), Musikpädagoge oder künstlerischer Leiter einer Jazzreihe, der Schlagzeuger und Perkussionist Rudolf Roth spürt seit 35 Jahren allem nach, was mit Rhythmus und Bewegung zu tun hat.

SZ: Gibt es Musik ohne Rhythmus?

Rudolf Roth: Spontan würde ich sagen, nein. Karlheinz Stockhausen etwa hat ja mal einfach Töne verlangsamt, aber selbst die sind Rhythmus. Sie bestehen aus Schwingungen, wenn man die verlangsamt, ergibt sich auch wieder Rhythmus. Na, vielleicht gregorianische Musik, die kommt weitgehend ohne aus.

Woher kommt denn dieses rhythmische Grundempfinden des Menschen?

Meiner Meinung nach vom Gehen.

Also nicht, wie manche sagen, vom Atmen oder vom Herzschlag?

Wenn du morgens aufwachst, fasst du nicht zuerst an dein Herz, fühlst keinen Puls und überprüfst nicht deinen Atem, sondern du springst aus dem Bett und gehst erst mal, duk, duk, duk. So fange ich auch jeden Kurs an: Alle müssen erst einmal spüren, dass sie auf der Erde stehen. Rhythmus kommt grundsätzlich von der Erde, der fällt nicht vom Himmel. Bei einem Schritt auf der Erde spürt man einen Beat, den Downbeat. Und wenn man den Fuß hochhebt, um weiterzukommen, muss man sich in den Offbeat bewegen. Das sind grundsätzliche Sachen, die sind so unglaublich einfach, aber viele Schüler tun sich da schon unheimlich schwer.

War also Perkussion das erste Instrument der Menschheit?

Ja, das glaube ich schon. Klatschen, auf Knochen rumtrommeln, auf dem Körper rumtrommeln. Body-Percussion ist wahrscheinlich das Älteste.

Wie sind Sie selbst zum Schlagzeug und zur Perkussion gekommen?

Ich bin vor einer Bäckerlehre aus der Pfalz geflohen. In Augsburg traf ich in einer Diskothek den Pianisten Götz Tangerding. Bei dem durfte ich unter dem Flügel pennen. Aus seiner Clique bildete sich eine richtige Kommune. Die anderen waren am Konservatorium, spielten Geige, Gitarre, Klavier und so weiter. Es stand aber auch ein Schlagzeug herum, da sagten die anderen: Du spielst Schlagzeug. Das war's. Das hat mich gerettet. Ich bin heute auch dafür dankbar, dass ich das ganz ohne Notenkenntnisse gelernt habe, nur nach Gefühl. Erst später habe ich mir das bewusst gemacht und bei Billy Brooks in der Schweiz studiert. Viele kriegen ja als Erstes Noten vorgelegt und sind oft abgeschreckt, weil es dann sofort über den Kopf läuft. Wenn man mit Perkussion anfängt, sollte man aber erst einmal etwas spüren.

Das ist auch der Kern Ihrer Lehrmethode?

Der Clou ist, was Billy Brooks in den Siebzigern als Erster entdeckt und umgesetzt hat: Dass beim Rhythmus alles über die Sprache läuft. Dass man Noten und auch Pausen in einem Puls sprechen, damit Takte bestimmen und alles also in eine rhythmische Sprache umwandeln kann. Da ich, zurück in München, erst einmal Theater spielte und mit Tänzern arbeitete, habe ich das dann auf den Körper übertragen. Habe die Tische in Joe Haiders Jazz School rausgeschmissen und mit den Leuten Rhythmus mit Schritten gemacht.

Was ist der Unterschied zwischen einem Hobby- und einem Berufsperkussionisten?

Es gibt Laien, die spielen genauso gut wie Berufsmusiker. Sie lernen ein bisschen Conga, ein bisschen Djembe, ein bisschen Berimbao. Sie entwickeln sich auch, setzen sich vielleicht sogar als Lehrer in Schulen ein. Sie machen das, um Spaß zu haben, in einer Trommelgruppe zu spielen, sich selbst zu finden oder was auch immer. Aber sie machen es für sich selbst. Der Perkussion-Profi muss für andere da sein. Wenn einer kommt und sagt "spiel das", dann muss er das können. Er muss Musik verstehen können, er muss Musiker sein.

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