Ernährung:Was ist Bio? Und was nicht?

Frische Luft, mehr Platz, längeres Leben: Tiere haben es auf Bio-Höfen viel besser als anderswo. Dieses weitverbreitete Bild stimmt aber nicht immer.

Von Christian Sebald

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Eier

Bio-Eier auf dem Viktualienmarkt in München, 2011

Quelle: Stephan Rumpf

Kein Zweifel, Bio-Eier sind der Beweis, dass tierische Bio-Lebensmittel nicht automatisch Nischenprodukte sind. Ihr Marktanteil liegt inzwischen ungefähr bei zehn Prozent. Damit ist er doppelt so hoch wie der von Bio-Milchprodukten und fast viermal so hoch wie der von Bio-Rindfleisch. Bio-Schweinefleisch und Bio-Mastgeflügel sind mit weniger als einem Prozent Marktanteil fast zu vernachlässigen.

Der Erfolg der Bio-Eier hat gewiss mit der massiven Kritik an der konventionellen Massenhaltung von Legehennen zu tun. Biohennen haben, wie alle andere Nutztiere in Biohaltung, in ihren Ställen nicht nur wesentlich mehr Platz als die konventionellen Artgenossen, sie dürfen außerdem raus an die frische Luft, picken, scharren und all das tun, was sie lieben. In einem Bio-Stall dürfen maximal 3000 Hennen untergebracht werden, in konventioneller Boden- und Freilandhaltung sind 6000 pro Einheit erlaubt.

Dies sagt freilich nichts über die Betriebsgrößen aus: Es gibt konventionelle Lege-Betriebe mit 200 000 Hennen. Und im Biobereich trifft man auch auf welche mit 15 000 Tieren. Der Trend zu immer größeren Betrieben ist nicht der einzige Kritikpunkt von Tierschützern an der Bio-Hennenhaltung. Ein weiterer ist, dass die Biotiere wie ihre konventionellen Artgenossen zumeist nach der ersten Legeperiode gekeult werden, weil es sich aus Sicht der Halter nicht rentiert, sie über die Mauser zu bringen.

Bio-Junghennen stammen in der Regel aus großen "Erzeugerbetrieben" mit bis zu 25 000 Elterntieren. Der schärfste Kritikpunkt ist, dass auch in der Bio-Haltung sogenannte Hybride eingesetzt werden, die auf maximale Legeleistung gezüchtet sind. Weil sie keine Eier legen, werden männliche Hybrid-Küken zu Tausenden getötet, auch in der Bio-Haltung.

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Hühnchen

Hühner

Quelle: Günther Reger

Am Bio-Masthuhn lässt sich exemplarisch ein wesentlicher Unterschied zwischen konventioneller und ökologischer Tiermast zeigen: Biobetriebe mästen ihre Tiere viel langsamer als konventionelle. Die Tiere dürfen also deutlich länger leben. Bio-Hühner werden mindestens 55 Tage lang gemästet, viele Betriebe mästen sie sogar 70 bis 90 Tage. In konventioneller Haltung sind 35 Tage die Regel.

Was die Mast selbst anbelangt, gilt für Biohühner wie für alle anderen Bio-Masttiere, dass nur Biofutter verwendet werden darf. Bei vielen Biosiegeln muss es mindestens zur Hälfte von eigenen Hof stammen. Nur in extremen Ausnahmen - etwa wenn bei langer Dürre das Biofutter auf den Äckern verdorrt - darf der Bauer zeitlich befristet konventionelles Futter einsetzen. Derselbe Grundsatz gilt für die Masttiere. Sie müssen selbstverständlich aus ökologischer Zucht stammen.

Allerdings gibt es auch hier Ausnahmen. Wenn die Nachfrage das Angebot übersteigt, darf ein Mäster Tiere aus konventioneller Zucht kaufen. Bei den Bio-Masthühnern ist das der Fall. Nach Aussage des Agrarministeriums stammen ungefähr fünf Prozent der Bio-Masthühner aus konventioneller Zucht. Allerdings dürfen konventionelle Küken maximal drei Tage alt sein, wenn sie in die Bio-Mast gehen sollen.

Tierschützer kritisieren an der Bio-Hühnermast außerdem, dass auch dort sogenannte Hybride zum Einsatz kommen. Sie sind speziell darauf gezüchtet, dass sie in kurzer Zeit möglichst viel Fleisch ansetzen. In der Bio-Szene teilen viele diese Kritik. Deshalb versuchen Forscher schon seit einigen Jahren, ein sogenanntes Zwei-Nutzungshuhn zu züchten, ein Huhn also, das sowohl zum Eierlegen als auch zum Mästen taugt.

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Milch

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Quelle: Alessandra Schellnegger

Milchkühe auf Bio-Höfen haben es richtig gut - wie alle anderen Nutztiere in Biohaltung kommen sie garantiert nach draußen an die frische Luft. Und zwar entweder auf die Weide oder zumindest in einen Laufhof. Denn das ist Pflicht in der Bio-Landwirtschaft - und zwar für alle Nutztiere. Auch Anbindehaltung ist nur als Ausnahme für Kleinbetriebe mit höchstens 35 Kühen erlaubt - und zwar nur, wenn sie im Sommer auf die Weide dürfen und im Winter wenigstens zwei Mal pro Woche in einen Laufhof.

Für Kühe in konventioneller Haltung gibt es keine solchen Vorgaben. Die meisten verbringen den größten Teil ihres Lebens im Stall. Außerdem bekommen Bio-Kühe sehr viel frisches Gras und Weidefutter, die ganzjährige Fütterung mit Gras- und/oder Maissilage ist Biobauern - anders als ihren konventionellen Kollegen - untersagt. Biobauern setzen auch eher wenig Kraftfutter ein.

Aus Sicht von Tierschützern gibt es in der Bio-Kuhhaltung aber ein gravierendes Problem: Die Enthornung der Kälber zum späteren Schutz des Bauern und der anderen Kühe vor Verletzungen. Sie ist sehr umstritten, weil sie schmerzhaft ist. Obwohl sie auf Bio-Höfen nur mit einer Ausnahmegenehmigung, unter Betäubung und der Gabe von Schmerzmitteln zulässig ist, sagen Experten, dass 40 Prozent der Bio-Kälber mittels Verödung enthornt werden.

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Rindfleisch

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Quelle: Robert Haas

In der konventionellen Haltung liegen oder stehen Mastrinder oft ohne Einstreu auf Betonböden mit Vollspalten. Das erleichtert den Bauern die Reinhaltung der Ställe - Kot und Urin der Tiere fallen durch die Spalten in den Güllekanal unter dem Stall oder werden mit einem Schieber hineingedrückt. In der Bio-Haltung ist das tabu: Hier dürfen die Rinder nicht nur ins Freie, damit ihre Abwehrkräfte gestärkt werden. Ihre Liegeflächen im Stall werden auch eingestreut - mit Stroh, Spelzen oder Sägemehl. Das schont ihre Gelenke und Klauen, und es liegt sich dort auch weich und angenehm.

Außerdem haben Bio-Mastrinder vergleichsweise viel Platz: Ab einem Gewicht von 350 Kilogramm sind es mindestens fünf Quadratmeter Stallfläche. In der konventionellen Mast gilt ein Richtwert von drei Quadratmeter Stallfläche, aber erst für Rinder ab 600 Kilo. Außerdem gibt es in der Biomast klare Grenzen für die Herdengröße. Ein Biobauer darf höchstens zwei Rinder pro Hektar Agrarland halten, die er bewirtschaftet. Eine solche direkte Begrenzung gibt es in der konventionellen Mast nicht.

Auch Bio-Mastkälber haben es besser als ihre Artgenossen auf konventionellen Höfen: Sie werden in den ersten zwölf Lebenswochen nur mit Milch gefüttert. In der konventionellen Mast erhalten sie meist sogenannte Milchaustauscher, die milchfremde Zutaten enthalten. Das Tierschutz-Problem mit der Enthornung gibt es, wie bei den Milchkühen, auch in der Biomast. Das Entfernen der Hörner ist nicht nur in der Tierschutzszene heftig umstritten, sondern auch unter den Bio-bauern. Es gibt deshalb in der Bio-Haltung Rinder aus hornfreier Zucht. Ihr Anteil liegt Schätzungen zufolge bei 20 Prozent.

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Schweinefleisch

Bauer züchtet bedrohte Nutztierrassen, 2007

Quelle: Catherina Hess

Die Herrmannsdorfer Landwerkstätten sind vor allem deshalb in den Fokus von Tierschützern geraten, weil sie in der Haltung ihrer Bioschweine auch klassische Medikamente bis hin zu Antibiotika eingesetzt haben. Dazu muss man wissen, dass der Antibiotika-Einsatz in der Tierhaltung zwar höchst umstritten ist, dass er aber auch Biobauern erlaubt ist, und zwar bei allen Bio-Nutztieren. Nur eben nach viel strengeren Vorgaben als auf konventionellen Höfen.

Das Credo der Biobauern lautet, dass es zentral ist für die gute Gesundheit ihrer Nutztiere, dass sie raus ins Freie dürfen. Das mache sie von vorneherein widerstandsfähiger als reine Stallhaltung. Deshalb ist die Vorgabe, dass Bioschweine, Biogeflügel und Biorinder viel Auslauf im Freien haben.

Sollte ein Tier krank werden, haben alternative Therapien bis hin zur Homöopathie Vorrang. Nur wenn sie nicht wirken, sind klassische Medikamente und Antibiotika erlaubt - mit strikten Vorgaben. Bioschweine und alle anderen Bio-Nutztiere dürfen maximal dreimal im Jahr Antibiotika erhalten, Bio-Masttiere nur einmal. Außerdem darf ein Biobauer immer nur das erkrankte Tier behandeln und nicht - wie in der konventionellen Haltung - ganze Tiergruppen. Auch präventive Gaben sind auf Biohöfen untersagt.

Der Einsatz von Medikamenten ist nicht die einzige Kritik an der Bio-Schweinehaltung. Viele Tierschützer stört es gewaltig, dass auch Biobauern ihre Ferkel kastrieren dürfen - auch wenn die Tiere betäubt werden und Schmerzmittel erhalten. So wie sie außerdem kritisieren, dass Muttersauen rund um die Geburt der Ferkel in Kastenstände gesperrt werden dürfen, in denen sie sich nicht richtig umdrehen können. Viele Biobauern sehen das ebenfalls kritisch, moderne Betriebe verzichten auf Kastenstände.

© SZ/axi
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