Ernährung:Bio-Essen für Kinder kostet nur 35 Cent mehr

Pressekonferenz "Die Zukunft der Gemeinschaftsverpflegung von Kindern und Jugendlichen in der Biostadt München"

An den Mensen der städtischen Schulen (hier die Berufsschule am Orleansplatz) sollen mehr ökologische Lebensmittel verwendet werden.

(Foto: Matthias Ferdinand Döring)
  • Bio-Essen für Kinder und Jugendliche ist nur unwesentlich teurer als herkömmliche Speisen.
  • Bei den Kitas in München ist die Umstellung auf biologische Lebensmittel am weitesten vorangeschritten, nun soll sie auch beim Schulessen forciert werden.
  • Doch nicht nur Kinder und Jugendliche sollen bessere Lebensmittel bekommen, auch in den Kantinen soll etwas passieren.

Von Franz Kotteder

Wie viel teurer kommt es eigentlich, wenn die Kinder in der Kita oder der Schulkantine Biokost bekommen? Münchens Umweltreferentin Stephanie Jacobs kann es genau sagen: "Es sind 35 Cent pro Mahlzeit." Jacobs weiß das deshalb so exakt, weil es im Zuge des Programms "Biostadt München" ermittelt worden ist. Das läuft seit zehn Jahren, ebenso lang wie die Aktion "Bio für Kinder", initiiert vom Tollwood-Festival.

Gemeinsam hatte man sich 2006 zum Ziel gesetzt, verstärkt Bio-Lebensmittel in Kinder- und Jugendeinrichtungen, in der Stadtverwaltung und in der Gastronomie einzusetzen. Am Mittwoch wurde nun Zwischenbilanz gezogen. Vor allem bei den Kindertagesstätten sieht die sehr gut aus: Dort kommen bereits zur Hälfte Bio-Lebensmittel zum Einsatz, tierische Produkte stammen sogar zu 90 Prozent aus ökologischer Haltung.

Dass man dort so weit gekommen ist, liegt nicht zuletzt daran, dass der Stadtrat hier vor drei Jahren die klare Vorgabe gemacht hat, auf Biokost umzustellen - in allen 400 Kindertagesstätten mit ihren 35 000 Plätzen. Unterstützt wurde die Umstellung schon vorher sechs Jahre lang durch das Programm "Bio für Kinder". 32 ausgewählte Einrichtungen stellten in einem Pilotprojekt komplett auf biologisch erzeugte Lebensmittel um und wurden dabei von Profis beraten.

Insgesamt wurden dabei an die 650 000 Hauptmahlzeiten ausgegeben, die Mehrkosten übernahmen Sponsoren aus der Wirtschaft. Die mussten aber gar nicht so viel zuschießen, wie ursprünglich befürchtet. Stephanie Weigel, Leiterin des Tollwood-Projekts "Bio für Kinder", sagt: "Eine Bio-Hauptmahlzeit kostet nur rund 13 Prozent mehr als eine vergleichbare konventionelle Mahlzeit, im Jahr macht das pro Kind 27 Euro aus."

Das, findet auch Stadtschulrätin Beatrix Zurek, müssten Kinder einer Stadt wert sein. "Und im Sinne der Bildungsgerechtigkeit darf gesunde Ernährung in der Schule nicht nur davon abhängen, ob die Eltern der Kinder dafür auch eine besondere Ader haben." Schritt für Schritt wolle man jetzt die Verpflegung an den Kindertagesstätten und Schulen weiter umstellen und nicht nur hochwertiges Essen anbieten, "sondern auch in den Kindern und Jugendlichen ein wertschätzendes Bewusstsein für Lebensmittel und Esskultur wecken", sagt Zurek: "Kinder sollen ruhig auch erfahren, dass ein Fisch nicht immer unbedingt paniert ist."

Viele Schüler sind mit dem Schulessen unzufrieden

Das Bildungsreferat arbeite daran, den Anteil an frischer Kost auf 30 Prozent zu erhöhen und verstärkt "Pädagogisches Kochen" für Schüler in Schulkantinen anzubieten. 51 Versorgungsküchen wurden an städtischen Schulen in den vergangenen fünf Jahren gebaut, 24 weitere sind in Planung. Auch die Mitarbeiterschulung im Zuge der städtischen Bio-Offensive mache Fortschritte, berichtet Zurek.

Tatsächlich hat die Stadt nach Ansicht der Schüler noch einigen Nachholbedarf, was die Gemeinschaftsverpflegung angeht. Nach der letzten umfassenden Untersuchung von 2014 holt sich nur die Hälfte der Schüler warme Mahlzeiten, wiederum mehr als die Hälfte davon sind mit Auswahl und Geschmack jedoch unzufrieden. Aber es geht nicht nur um Schulen und Kindergärten. München hat sich vor zehn Jahren auch das Ziel gesetzt, in der Stadtverwaltung - also in Kantinen und bei Veranstaltungen - sowie in der Gastronomie einen höheren Anteil an Bio-Lebensmitteln durchzusetzen.

Dort sind die Erfolge aber noch überschaubar. Gerade mal 30 Lokale in der Stadt bieten Bio-Produkte an - das sind lediglich 0,6 Prozent der etwa 5000 Gaststättenbetriebe. Besser sieht es bei der Stadt selber aus. Ihre Kantinen setzen nach zehn Jahren ein Fünftel Bio-Lebensmittel ein, bei Empfängen und vergleichbaren Veranstaltungen ist es ähnlich. Und Umweltreferentin Jacobs will diesen Anteil steigern - durch eine neue Beschaffungsrichtlinie, die im Gesundheitsausschuss an diesem Donnerstag beschlossen werden soll.

Biologisch und regional

Mit der Vorreiterrolle, was artgerechte Tierhaltung angeht, tut sich die Stadt eher schwer, auch wenn Gesundheits- und Umweltreferentin Stephanie Jacobs an diesem Donnerstag neue Richtlinien und ein Pilotprojekt durchsetzen will. Denn das entsprechende Konzept ist wohl die am häufigsten vertagte Stadtratsvorlage in diesem Jahr. Das liegt vor allem an der CSU-Fraktion. Die wollte vor knapp zwei Jahren für den Bereich der Stadtverwaltung eine Gleichbehandlung von biologischer Erzeugung und regionaler Herkunft erreichen. Sie hatte dabei aber nicht berücksichtigt, dass Massentierhaltung in Reinform längst auch in Bayern Einzug gehalten hat. Weil sich artgerechte Haltung und industrielle Fleischproduktion nicht vertragen, fiel es dem Umwelt- und Gesundheitsreferat schwer, eine Stadtratsvorlage zu erarbeiten, die nicht nur der CSU, sondern auch den anderen Fraktionen gefiel.

In der Sitzung des Gesundheitsausschusses will Jacobs nun vorschlagen, dass sich die Stadt am neuen Bio-Regio-Siegel des bayerischen Landwirtschaftsministeriums orientiert. Es gilt als vorbildlich und wird von den meisten Institutionen und Parteien akzeptiert. "In einem ersten Schritt", so Jacobs, will man einen Anteil von 30 Prozent an Lebensmitteln mit diesem Siegel in Kantinen erreichen, städtische Empfängen sollen sogar komplett damit bestückt werden. Außerdem fordert Jacobs Pilotprojekte an fünf städtischen Schulen, an Kindertagesstätten und bei städtischen Gesellschaften, "um Erfahrungswerte zu sammeln". fjk

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