Ermittlungen wegen Körperverletzung:Polizist verletzt Sprayer bei Verfolgungsjagd

Ermittlungen wegen Körperverletzung: Tatort Stromkasten: Wegen dieser Schmiererei wurde der 17-Jährige von einem Polizisten verfolgt.

Tatort Stromkasten: Wegen dieser Schmiererei wurde der 17-Jährige von einem Polizisten verfolgt.

(Foto: Stephan Rumpf)

Ein 17-jähriger Münchner sprüht den Schriftzug seines Lieblingsvereins auf einen Verteilerkasten. Ein Polizist verfolgt ihn mit seinem Privatauto. Der Sprayer wird verletzt und sagt, er habe um sein Leben gefürchtet.

Von Bernd Kastner

Es klang nach lobenswertem Engagement, und das nach Dienstschluss. Ein Polizist beobachtet nachts einen Sprayer beim Sprayen, er verfolgt den Flüchtenden mit seinem Privatwagen und stellt ihn. Dabei sei der Täter leicht verletzt worden, aber eine Behandlung durch herbeigerufene Sanitäter habe er abgelehnt. So weh kann es also nicht getan haben.

Was sich am Mittwoch vergangener Woche im Pressebericht des Polizeipräsidiums fand, beschäftigt inzwischen die Staatsanwaltschaft. Sie ermittelt gegen den Beamten wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung im Amt. Denn der Sprayer, 17 Jahre alt, hat eine Version jener Minuten zu Protokoll gegeben, die dramatisch klingt.

In der Nacht zum Dienstag, gegen ein Uhr, ist Lukas P. (Name geändert) in der Fürstenrieder Straße unterwegs und sprüht auf einen Verteiler-Kasten einen Tag, also einen Mini-Grafitto, in Blau. "GB 1860", ein Buchstabe vielleicht 30 Zentimeter hoch. GB steht für die Fangruppe Giasinga Buam, Lukas P. ist Löwenfan. Sein Tun beobachtet ein 27-jähriger Polizist von der Inspektion in Sendling, er ist in seinem privaten 3er BMW auf dem Heimweg. Wenig später flüchtet P. in die Andreas-Vöst-Straße, die zum Westpark führt. Eine Sackgasse.

Die Version des Polizisten geht in etwa so: Er habe sich als Polizist zu erkennen gegeben, daraufhin sei der Sprayer abgehauen. Der Beamte habe gerufen, der Mann solle stehen bleiben, und sei ihm dann mit dem Auto gefolgt. Kurz vor dem Ende der Straße, P. sei etwa 10 bis 15 Meter vor dem Auto gewesen, sei der Flüchtende plötzlich umgekehrt und auf den Wagen zugelaufen. Der Polizist habe abrupt gebremst, nach links gesteuert, dabei P. touchiert und sei dann gegen einen Pfosten gestoßen. Beim anschließenden Rückwärtsfahren habe er P. erneut touchiert.

Der Sprayer hat eine andere Version

Lukas P. berichtet eine andere Version: Als der Wagen neben ihm gestoppt habe, sei er sofort weggelaufen, ohne zu wissen, dass der Fahrer ein Polizist war. Am Ende der Sackgasse habe er über einen Zaun klettern wollen. Da sei er, etwa zwei Schritte vom Hindernis entfernt, von hinten angefahren und gegen den Zaun gedrückt worden. Dort sei er regelrecht eingeklemmt gewesen. Er habe sich, nachdem der Wagen etwas rückwärts gerollt sei, aufgerappelt und habe erneut davonlaufen wollen.

Wegen der Schmerzen sei er aber nicht weit gekommen und zusammengebrochen. Der BMW sei langsam rückwärts auf ihn zugerollt. "Ich hab geschrien, dass er mich nicht umbringen soll." Als das Wagenheck schon über ihm gewesen sei, habe der BMW schließlich gestoppt. Erst als der Fahrer ausgestiegen und ihn auf den Boden gedrückt habe, da habe er, P., erfahren, dass er es mit einem Polizisten zu tun habe.

Unter Schock stehend habe er sich nicht vor Ort behandeln lassen wollen. Weil die Schmerzen im Fuß aber immer stärker geworden und der Knöchel des linken Fußes dick angeschwollen sei, sei er tags darauf selbst zum Arzt gegangen. Dessen Diagnose: Prellungen, Schürfungen und wahrscheinlich Bänderriss im Sprunggelenk. Lukas P. braucht jetzt Gehhilfen. Er wisse, sagt er, dass er sich mit dem Sprayen strafbar gemacht habe. Aber ihn so zu verfolgen und zu verletzen? "Wie in amerikanischen Filmen, als ob ich jemand umgebracht oder vergewaltigt hätte."

Am Freitag wurde P. aufgrund eines richterlichen Beschlusses von der Polizei in die Rechtsmedizin gefahren. Nur durch eine zeitige Untersuchung könne man auf das Geschehen schließen, erklärt Thomas Steinkraus-Koch, Sprecher der Staatsanwaltschaft. P.s Anwalt Marco Noli hat Strafanzeige gestellt wegen gefährlicher Körperverletzung.

Wolfgang Wenger kommentiert das Geschehen nicht. Aber der Sprecher der Münchner Polizei ist hörbar erleichtert, dass seine Kollegen diesmal den Vorfall von sich aus der Staatsanwaltschaft gemeldet haben. Der erste Schritt, um ein weiteres Imagedesaster wie im Fall von Teresa Z. zu vermeiden, jener Frau, der in der Inspektion in der Au ein Beamter die Nase gebrochen hatte. Damals kamen die Ermittlungen erst durch eine Anzeige der Verletzten in Gang. Das Präsidium scheint aus diesem Fall gelernt zu haben.

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